Harburg/Landkreis. „Königreich Deutschland“: Treffen in Harburg und Marmstorf, Verein in Kakenstorf? Verfassungsschutz beobachtet Aktivitäten.
Vor etwa zehn Jahren ließ sich der gelernte Koch Peter Fitzek von seinen Anhängern zum „König von Deutschland“ krönen – mit Krone, Königsmantel und Zepter. Dies war keine Satire – die Anhänger des Fantasiestaates „Königreich Deutschland“ (KRD) meinten und meinen es durchaus ernst. Die größte deutsche Reichsbürgerverbindung tritt nun auch in Hamburg vermehrt öffentlich auf, viele ihrer Aktivitäten finden in und um Harburg statt.
Das KRD vertritt ein reaktionäres Weltbild und versucht nach Informationen des „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ (HBgR) offenbar, über Betriebsgründungen und Grundstückskäufe seinen Einflussbereich auszuweiten.
Das Königreich Deutschland will sein Staatsgebiet erweitern
Die aktive Reichsbürgergruppierung hat nicht nur einen König, auf ihrer Internetseite präsentiert sie auch eine Königliche Reichsbank mit eigener Währung, ein Meldewesen für die mehr als 5750 so genannten „Staatszu- und angehörigen“. Aktuell gebe es außerdem 628 Staatsbetriebe und eine 77-seitige Verfassung. Dabei wirbt die Vereinigung offensiv um neue Mitglieder.
Versprochen werden legale Ausstiegskonzepte aus der Bundesrepublik Deutschland – gegen eine hohe Gebühr.
Anfang Juli fand ein Treffen zum Systemaufbau in Marmstorf statt
Unterstützt werden die Aktivitäten des KRD offenbar durch Tarnvereine wie den in Kakenstorf bei Tostedt im Landkreis Harburg ansässigen „Ich bin Mensch – Verein zur Förderung regionaler Kulturinitiativen und sozialer Gemeinschaftsentwicklung“. Und durch eine sogenannte „Regionalstelle Nordwest“, die seit einigen Monaten vermehrt Treffen vom „Königreich Deutschland“ in Hamburg organisiert. So trafen sich beispielsweise im Juni rund 30 Anhänger der Organisation zum Thema Systemausstieg in Lokstedt, Anfang Juli fand ein solches Treffen zum Systemaufbau in Marmstorf statt.
Nur wenige Wochen später, am 23. Juli, wanderten nach Erkenntnissen des HBgR rund 20 Anhänger durch die Harburger Berge, um „sich zu vernetzen und ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln“.
Wer ist der Leiter vom „Königreich Deutschland“ für die Region Nordwest?
Weitere Treffen sind demnach in Planung. Bereits im August 2020 schrieb ein Mitglied der Gruppe bei Telegram: „Es gibt eine Regionalgruppe in Hamburg, diese nennt sich aber Regio Nordwest.“ Als Kontaktmöglichkeit wird hier bereits der Verein „Ich bin Mensch“ aus Kakenstorf sowie der Regionalleiter für das Königreich Deutschland, Jürgen E., angegeben.
Die Mailadresse von Jürgen E. mit der Endung „@koenigreichdeutschland.org“ versieht der Absender mit dem Hinweis „diese Adresse bitte nur an Staatszu- oder -angehörige weitergeben !!!)“.
Jürgen E., der als Leiter vom „Königreich Deutschland“ für die Region Nordwest auftritt, ist im 2019 gegründeten Verein „Ich bin Mensch“ im Landkreis Harburg noch bis zum Jahresende 2022 als Vereinsvorstand und Kassenwart aktiv gewesen. Martina H., ebenfalls aus Kakenstorf, agiert seit Vereinsgründung als stellvertretende Vorsitzende.
Bündnis hat umfangreiches Material über die Vernetzungen der Szene gesammelt
„Ich bin Mensch“ wird schon 2020 bei Telegram als Kontakt für Interessenten am „Königreich Deutschland“ angegeben – in der Satzung tritt der Verein auf der Webseite mit sinngemäßen Zwecken des KRD auf. Er existiert weiterhin unter der Anschrift von Jürgen E. und Martina H. – womöglich als Tarnverein für das „Königreich Deutschland“.
Jürgen E. war bereits vor Jahren mit der „Initiative Lauschraum Nordheide“ aus Kakenstorf beim Online-Marktplatz „KaDaRi“ eingetragen, auf dem – mit der Währung des Scheinstaates – Dienstleistungen innerhalb des KRD vermarktet werden.
Der aktuelle „Ich bin Mensch“-Vorsitzende ist Bastian S. aus Hamburg, als neuer Kassenwart sitzt, nach Erkenntnissen des Hamburger Bündnis gegen Rechts, Dr. Marc O. aus Handeloh für den KRD-Tarnverein im Vorstand.
Vereinzelte Bezüge zur Reichsbürger-Ideologie des „Königreich Deutschland“
Das Hamburger Bündnis gegen Rechts hatte in der Vergangenheit bereits umfangreiches Material über die Vernetzungen der Szene gesammelt.
Der Verein „Ich bin Mensch“ mit neuer Hamburger Führung lässt neben der Satzung vereinzelt Bezüge zur Reichsbürger-Ideologie des KRD erkennen. Beispielsweise wird der BRD-Euro erwähnt, Projekte zur solidarischen Landwirtschaft vorgestellt, von „Fremdbestimmung“ und „Fremdorganisation“ gesprochen. Zwischendurch taucht auch ein Beitrag von 2019 vom umstrittenen Hamburger TU-Professor Ralf O. zum „Neuen Dorf“ und etwas Esoterik auf.
Verfassungsschutz beobachtet Königreich Deutschland
„Die Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern haben die Aktivitäten dieser extremistischen Gruppierung seit Längerem im Blick, wie u.a. verschiedene Berichterstattungen und Informationen der Öffentlichkeit zeigen“, heißt es von der Hamburger Verfassungsschutzbehörde auf Abendblatt-Anfrage.
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„In Hamburg stellen wir seit einigen Monaten verstärkte Aktivitäten fest“, so ein Sprecher der Behörde weiter. Reichsbürger seien in der Regel Einzelpersonen und Gruppierungen, die sich häufig auf das historische Deutsche Reich beriefen, je nach Spektrum in den Grenzen von 1871, 1914, 1917 oder 1937.
Mit den verschiedensten Begründungen, oft verschwörungsideologisch unterlegt, bestreiten sie die formale Existenz und völkerrechtliche Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und sprechen ihren Repräsentanten und Institutionen die Legitimation ab.
Rädelsführer Heinrich XIII. Prinz Reuß sitzt in Untersuchungshaft
Allerdings gelte nur für einen kleinen Teil der Reichsbürger-Szene, dass sie durch Bezüge zum Rechtsextremismus sowie zum Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ auffällig würden.
„Wir werden diese Aktivitäten auch künftig sehr aufmerksam verfolgen und im Visier behalten“, so der Verfassungsschutz.
Mitglieder der Bundesregierung sollten in Handschellen abgeführt werden
Bereits im Dezember 2022 durchsuchten Polizisten auf Weisung der Generalbundesanwaltschaft deutschlandweit 130 Objekte der Reichsbürger-Szene und nahmen 25 Personen fest. Der mutmaßliche Rädelsführer Heinrich XIII. Prinz Reuß sitzt seither in Untersuchungshaft.
Eine dieser Durchsuchungen fand ebenfalls im Landkreis Harburg statt, zu einer Festnahme sei es nicht gekommen, heißt es seitens der Ermittler. Zum genauen Ort der Durchsuchung macht die Polizei bis heute keine Angaben.
Die im November 2021 gegründete Gruppe um Reuß hatte den gewaltsamen Umsturz geplant. Dafür seien sie „bereits in konkrete Vorbereitungshandlungen eingetreten“, heißt es in einer Stellungnahme des Bundesgerichtshofs. Ein bewaffnetes Kommando von bis zu 16 Personen habe Mitglieder der Bundesregierung und Abgeordnete in Handschellen abführen sollen, schreiben die Richter unter Verweis auf den Ermittlungsstand.