Harburg. In einer Hightech-Werkstatt an der TU Hamburg werden aus theoretischem Wissen handfeste Objekte. Was dort schon alles entstanden ist.
Man sagt den Apple-Gründern nach, dass ihr erster Computer in einer Garagen-Werkstatt entstanden ist. Etwas sehr ähnliches – aber technisch besser ausgerüstet – gibt es auch an der Technischen Universität Hamburg (TUHH): eine Studierendenwerkstatt im Gebäudekomplex an der Eißendorfer Straße. Hier wird konstruiert, gesägt und gefräst, mit 3D-Druckern komplexe Kunststoffstrukturen gefertigt, mit dem Lasercutter präzise in Holz- oder Acrylplatten geschnitten und im Mechatroniklabor verschiedene Messtechniken erprobt. Kleinere Lern- und Tüftleroasen gab es bereits seit längerem an der TUHH – jetzt haben sie einen zentralen Ort.
Sein Name ist Sick Makerspace. Sick steht für einen wichtigen Sponsor, der das heutige Werkstatt-Ensemble erst möglich machte: Die Gisela und Erwin Sick Stiftung fördert die Studierendenwerkstatt über fünf Jahre mit insgesamt 440.000 Euro. „Maker“ (Macher) bezeichnet im Englischen auch Bastler, Tüftler, und der „Space“ (Raum, Platz) bietet ihnen die passende Umgebung.
Bei sechs 3D-Druckern wird der Prozess per Video aufgenommen
„Durch die finanzielle Unterstützung der Sick Stiftung konnte unser Fablab, die bisherige Studierendenwerkstatt, vom Binnenhafen hier an diesen zentralen Ort umziehen“, sagt Werkstattleiter Hartmut Gieseler vom Zentrum für Lehre und Lernen (ZLL) der TU Hamburg. „So können Studierende zwischen zwei Vorlesungen mal schnell herkommen und an ihrem Projekt weiterarbeiten.“ Zudem ist der 3D-Druck technisch aufgerüstet worden.
„Einige Drucker sind jetzt über eine Cloud anzusteuern“, sagt Holger Winter, Leiter des Druckerpools. „Die Studierenden können nun vom Sofa aus einen Druckvorgang starten. Bei sechs Druckern wird der Prozess per Video aufgenommen, so dass man am Computer in Echtzeit oder auch nachträglich das Ausdrucken betrachten kann. Das hilft unter anderem bei der Fehlersuche. Wenn der Druck beendet ist, werden die Nutzer per E-Mail darüber informiert.“ Ein Druckvorgang dauert je nach Komplexität des Objekts vier bis zwölf Stunden; deshalb ist die Möglichkeit des externen Zugriffs eine wichtige Neuerung.
Farbige Leuchtdioden zeigen an, ob der jeweilige Arbeitsplatz frei oder besetzt ist
Noch ohne Cloud-Anbindung, dafür technisch umso raffinierter, sind zwei 3D-Drucker, die mit Harz arbeiten. Hier wird das Material nicht mittels feiner Düsen aufgebracht, sondern schichtenweise mit UV-Licht gehärtet. Das geschieht berührungsfrei. Dadurch sind besonders filigrane Strukturen möglich. Auf einem der Geräte stehen mehrere weiße Eiffeltürme. Das Gitter der ersten Aussichtsplattform ist in der geschätzt 15 Zentimeter großen Druckversion eher dünner als ein Haar.
Im Eingangsbereich der Technikräume steht ein Modell der unterschiedlichen Werkstätten. An den Arbeitstischen zeigen grüne, gelbe und rote Leuchtdioden an, ob der jeweilige Arbeitsplatz frei oder besetzt ist. Oder demnächst besetzt sein wird. „Das hier ist ein Vorführmodell geworden. So etwas haben nicht alle Hochschulen“, sagt Gieseler und meint damit nicht nur das Modell, sondern auch die Studierendenwerkstatt: Ganz links befindet sich der Druckerraum inklusive Lasercutter. Es folgt die Metall- und Kunststoffverarbeitung. Daneben liegen eine Holzwerkstatt und der Empfangsraum mit Check-in, Materiallager, Garderobe und Schließfächern. Als letzte Einheit folgt die Mechatronik, koordiniert vom Institut für Mechatronik im Maschinenbau.
Wer privat einen Termin bucht, muss die Materialkosten zahlen – mehr nicht
Dort herrscht gerade reges Treiben. In dem Bereich geht es vor allem um Messtechnik. Derzeit absolvieren Studierende aus unterschiedlichen Fachrichtungen praktische Übungen, die benotet werden. Noel Andresen studiert im zehnten Semester Maschinenbau und hat gerade an einem E-Motor Spannungen und Ströme vermessen. „Das ist eine von zehn Einzelleistungen, die zu absolvieren sind. Zusammen ergeben sie eine Klausurleistung.“
Ein- bis zweimal pro Woche ist Andresen in der Werkstatt, oft aus privatem Antrieb: „Ich baue an einem PC, habe viel selbst gemacht, mir Bauteile gefräst oder an der Drehbank hergestellt.“ Wenn die Studierenden ihren Werkstatttermin ohne eine Projektkennnummer eines Instituts – und damit privat – buchen, werden ihnen die Materialkosten berechnet. Den Gerätepark können sie aber gratis nutzen. „Bei jeder privaten Arbeit lernt man dazu“, sagt Werkstattleiter Gieseler. Er hatte vor zehn Jahren die erste Studierendenwerkstatt an der TUHH gegründet, nachdem er gesehen hatte, „dass ein angehender Ingenieur nicht einmal einen Hammer richtig in der Hand halten kann“.
In der Werkstatt sind schon Betonboote, Müllroboter und Löschboote entstanden
Nicht nur für Studierende schafft die Hightech-Werkstatt einen willkommenen Praxisbezug – sie wird von Hochschullehrern bis zu Schülern genutzt. „Ein Professor probiert schon mal aus, wie sich eine technische Aufgabe lösen lässt, bevor er sie als Auftrag vergibt“, so Gieseler. Auch Abiturienten seien regelmäßig in den Werkstätten aktiv. „Seit 2019 bieten wir Schulabgängern, die nicht genau wissen, was sie studieren wollen, ein Orientierungsstudium an. Dort gibt es ebenfalls praktische Übungen – wir haben hier schon Betonboote, Müllroboter und Löschboote gebaut.“
Weitere Vehikel entstanden bei Konstruktionsarbeiten der Erstsemester im Maschinenbau. Der aktuelle Jahrgang hat „Landyachten“ entworfen: Fahrzeuge, die mit Windantrieb auf festem Boden unterwegs sein könnten (sofern sie fahrtüchtig sind). Dabei entsteht stets ein ganzer Fahrzeugpark. Gieseler: „Im Maschinenbau haben wir aktuell 180 Erstsemester. Sie arbeiten in Gruppen von zehn Leuten.“ Macht 18 Gruppen. Und entsprechend viele, sehr unterschiedliche Gefährte.