Hausbruch. Umfassende Sanierung scheidet aus Naturschutzgründen aus. Zudem blieb die Suche nach neuen Nutzern erfolglos
Über Jahre diskutierten Verwaltung und Politik über eine weitere Nutzung des alten Jägerhofs am Ehestorfer Heuweg 20. Die Stadt wollte die Immobilie verkaufen, verbunden mit der Pflicht, die Villa und ihr Nebengebäude für soziale Zwecke zu nutzen. Jetzt steht fest: Die beiden Gebäude werden abgerissen.
Zusammen mit dem Bezirksamt Harburg habe der Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) in den vergangenen Jahren „ergebnislos unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten für die Immobilie geprüft“, antwortet Imme Mäder, Sprecherin der Finanzbehörde, auf Abendblatt-Anfrage. Im Dezember 2021 sei dann bei der Bauprüfabteilung des Bezirks ein Vorbescheid beantragt worden, um sicher zu gehen, dass eine Sanierung der Gebäude und eine anschließende soziale Nutzung planungsrechtlich überhaupt möglich sei. Im März 2023 stand fest: „Das Ergebnis des Vorbescheidsverfahrens schließt eine Sanierung und Folgenutzung der Immobilie aus. Begründet wurde das Ergebnis mit der Ausweisung als Außengebiet gemäß Baustufenplan Neugraben-Fischbek und der Lage in einem Landschaftsschutzgebiet,“ so die Finanzbehörde.
Brandschaden im Jahr 2020 besiegelte das Ende der Villa in Hausbruch
In solchen Außengebieten darf grundsätzlich nicht gebaut werden. Ältere Gebäude haben jedoch Bestandsschutz und dürfen auch im Rahmen „maßvoller Änderungen für eine zeitgemäße Nutzung“ umgebaut oder saniert werden. Das war am Ehestorfer Heuweg zunächst geplant. Doch der 2020 erlittene Brandschaden habe dazu beigetragen, dass „eine zweckmäßige Nutzung der Immobilie“ nicht mehr möglich sei, so Mäder.
Am Morgen des 9. August 2020 brannte die Villa, die in den 1890er-Jahren als Hotel im Landhausstil erbaut worden war. Aus ihrem Dach schlugen Flammen, dort blieben nur verkohlte Balken übrig. Weitere Schäden entstanden durch das Löschwasser. Dennoch hielt die Finanzbehörde daran fest, die Gebäude wieder zu beleben. „Aktuell wird einer Direktvergabe an die Sprinkenhof GmbH nachgegangen“, sagte Claas Ricker, Sprecher der Finanzbehörde, im Oktober 2020 dem Abendblatt. Die stadteigene Sprinkenhof GmbH verwaltet Gewerbegebäude im Besitz der Stadt. Die Gebäude sollten damals von ihr angekauft, saniert und an den Verein Leben mit Behinderung vermietet werden. Zuvor hatte die benachbarte Rudolf-Steiner-Schule Interesse am Jägerhof.
Im März 2021 erhielt das beschädigte Gebäude ein Behelfsdach
Im März 2021 erhielt das beschädigte Gebäude ein Behelfsdach, wurde wenig später eingerüstet und mit Folien vor Niederschlägen geschützt. In den kommenden Tagen wird das Gerüst demontiert. Dann folgt der Abriss. „Der LIG hat in Abstimmung mit dem Bezirksamt Harburg einem Abbruch zugestimmt“, lautet die aktuelle Behördenaussage.
Damit verschwindet ein gut 100-jähriges Gebäude, das eng mit seinem Stadtteil verwoben war. Einst befand sich hier das Ortsamt Süderelbe, inklusive Standesamt. Viele Hausbrucher und Neugrabener haben sich im Jägerhof ihr Ja-Wort gegeben. 1980 zog das Ortsamt aus und das Kulturhaus Süderelbe ein. 32 Jahre lang veranstaltete es im Hauptgebäude Kunst- und Kulturkurse, Workshops und Feste. Im Nebengebäude tobte der Nachwuchs im Bewegungskindergarten des TV Fischbek. Zum Januar 2012 zog das Kulturhaus aus. Seit Oktober 2013 steht auch das Nebengebäude leer.
Nach dem Abriss wird das Grundstück zum Grünbereich
Nach erfolgtem Abriss wird das Grundstück zum Grünbereich, passend zur Lage im Landschaftsschutzgebiet. Es wird nicht der Natur überlassen, vielmehr sei dort nach Aussage der Finanzbehörde eine „intensive Grünnutzung/-pflege“ geplant. „Im Zuge dessen könnte die Fläche gegebenenfalls auch als naturschutzfachliche Ausgleichsfläche für städtische Vorhaben genutzt werden“, so die Behördensprecherin. Ausgleichsflächen sind in Hamburg rar geworden; sie werden gebraucht, um größere Natureingriffe durch Neubauprojekte „auf der grünen Wiese“ zu kompensieren.
Solche Neubauprojekte können ausnahmensweise sogar in Außenbereichen erfolgen. Und zwar dann, wenn das öffentliche Interesse an dem Bauvorhaben größer ist als das Naturschutzinteresse. Eine solche Abwägung fand zum Beispiel bei der 2019 geplanten Erweiterung des Daimler Werks in den Heimfelder Außenbereich statt. Das Unternehmen hätte – nach Anpassung des Planrechts – eine 50 Hektar große Naturfläche nutzen dürfen, sah aber im Herbst 2020 aus wirtschaftlichen Gründen von dem Vorhaben ab.