Harburg. Justus Wollenhaupt brilliert nach zwei Lehrjahren an der Technischen Universität Hamburg – und bleibt der Uni erstmal treu
„Anwendungsnah liegt mir viel mehr, als über theoretische Quantenmechanik nachzudenken.“ So beschreibt Justus Friedrich Wollenhaupt seine Motivation, ein begonnenes Physikstudium abzubrechen und – nach einiger Zeit im eigenen Start-up – eine Ausbildung an der Technischen Universität Hamburg (TUHH) zu absolvieren. Die hat der 27-Jährige verkürzt und dennoch mit Bravour bestanden. Er gehört zu Deutschlands besten Azubis und wird dafür am 15. Mai in Berlin geehrt.
Auf die Idee, dass man an der Technischen Universität nicht nur ein Studium, sondern auch eine Ausbildung absolvieren kann, brachte ihn sein Bruder. „Er suchte damals nach einer Stelle für seine Dissertation und wurde dabei auf die Ausbildungsstelle des Instituts für Flugzeug-Kabinensysteme aufmerksam. Heute arbeitet er für einen Energieversorger“, sagt Justus Wollenhaupt. Er selbst entschied sich für den kaufmännischen Ausbildungsgang zum IT-System-Management. Der knüpfte sehr gut an sein Start-up an, das sich mit dem „Schürfen“ einer Kryptowährung befasste, also der Schaffung neuen virtuellen Geldes durch komplexe Rechenleistungen.
Praxisteil im Institut für Flugzeug-Kabinensysteme in Finkenwerder
Den Praxisteil seiner Ausbildung absolvierte Wollenhaupt im Institut für Flugzeug-Kabinensysteme am Außenposten in Finkenwerder. „Ich habe dort einen großen Teil des Einkaufs gemacht“, sagt er. „Im technischen Teil habe ich das Verwaltungsnetzwerk weiterentwickelt und den Serverraum unempfindlich gegen einen Stromausfall gemacht. Dort musste für diesen Fall ein unterbrechungsfreier Betrieb sichergestellt werden.“
Die Theorie vermittelte die Berufliche Schule City Nord. Dort ging es schwerpunktmäßig um kaufmännisches Wissen, aber auch um den Umgang mit Datenbanken und den Einstieg in die Programmierung. Wollenhaupt begann seine Ausbildung im August 2020 als erster Jahrgang. Denn die Ausbildung zu kaufmännischen IT-Berufen war gerade umstrukturiert worden – dabei entstand der Ausbildungsberuf des Kaufmanns für IT-System-Management.
Wollenhaupt beschloss, seine Ausbildung um ein Jahr zu verkürzen
Eigentlich hätte der TUHH-Azubi erst im Mai/Juni dieses Jahres seine schriftlichen und mündliche Prüfungen gehabt, doch Wollenhaupt beschloss vor rund einem Jahr, seine Ausbildung um ein Jahr zu verkürzen. Auch, um früher mehr Geld verdienen zu können. Der Entschluss zahlte sich aus: Er gewann ein Jahr und errang obendrein ein hervorragendes Prüfungsergebnis: 92 von 100 Punkten.
Damit gehört er zu den besten Hamburger Auszubildenden in kaufmännischen Berufen – rund 50 Absolventen, die mindestens 91,5 Punkte erreichten, wurden im November 2022 in den Börsensälen der Handelskammer Hamburg geehrt. Eine bundesweite Auszeichnung der Besten folgt am 15. Mai im bcc (Berlin Congress Center) durch die Deutsche Industrie- und Handelskammer. „Es wird sogar Bundesarbeitsminister Hubertus Heil dabei sein“, sagt Wollenhaupt.
Selbstverständlich hat die TUHH den Bestnoten-Absolventen übernommen
Selbstverständlich hat die TUHH den Bestnoten-Absolventen übernommen; er arbeitet weiterhin für „sein“ Institut in Finkenwerder. Allerdings kann er sich auch vorstellen, in ein oder zwei Jahren ins Rechenzentrum der TUHH zu wechseln. Oder ein Jobangebot in der freien Wirtschaft anzunehmen: „Die Bezahlung im Öffentlichen Dienst ist nicht so gut, doch ich habe mich gefreut, erst einmal hier weiterarbeiten zu können“, sagt der IT-Kaufmann. „Aber mit einem Ausbildungsabschluss sind die erreichbaren Tarifgruppen sehr limitiert.“
Vorerst bleibt er der TUHH treu und engagiert sich als Jugend- und Auszubildenden-Vertreter am Harburger Schwarzenberg-Campus dafür, dass die TU ihre betriebliche Ausbildung ausweitet: „Eigentlich wird hier seit der Gründung ausgebildet, aber in den vergangenen Jahrzehnten hat das nachgelassen“, sagt er. Es mangele auch an Bewerbern – von fünf ausgeschriebenen Stellen im Jahr 2022 konnten nur zwei vergeben werden. In diesem Jahr sehe es besser aus: „Es wurden zehn Stellen ausgeschrieben, und die meisten werden wohl zum 1. August besetzt. Schwierig wird es allerdings beim handwerklichen Beruf des Baustoffprüfers oder der Baustoffprüferin.“
Auswahlverfahren für dieses Jahr läuft noch
Viele nicht-akademische TU-Mitarbeiter werden in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen, deshalb wolle sich die TUHH verstärkt um Auszubildende bemühen, sagt Anja Ahlers, Mitarbeiterin des Personalreferats: „Viele kommen gar nicht auf die Idee, sich nicht nur bei Unternehmen, sondern auch bei einer Hochschule für einen Ausbildungsplatz zu bewerben. Aber hier kann man eben nicht nur studieren. Und wir brauchen eigens ausgebildeten Nachwuchs, daher freuen wir uns über alle Interessierten.“
Das Auswahlverfahren für dieses Jahr läuft noch, auch internationale Bewerbungen sind eingetroffen. Es werde darüber nachgedacht, weitere Ausbildungen anzubieten, beispielsweise für mathematisch-technische Softwareentwickler und -entwicklerinnen, sagt Ahlers. Das hänge jedoch auch von den künftigen Entwicklungen in den Fachbereichen ab.