Rosengarten. Titelträgerin 2023 wurde im Freilichtmuseum am Kiekeberg vorgestellt und auch gleich in die Erde gebracht
Die alte Sorte Angeliter Tannenzapfen steht in diesem Jahr im Rampenlicht aller Kartoffelliebhaber. Das verkündete am Dienstag die Arbeitsgemeinschaft (AG) „Kartoffel des Jahres“, die zum 16. Mal eine Sorte zur Jahressiegerin kürte. Ziel ist, die alten Sorten der Vergessenheit zu entreißen und dadurch langfristig zu erhalten. „Wir wollen die Leute für besondere Kartoffeln interessieren, damit sie gekauft, aber auch in Gärten gepflanzt werden“, sagt Wilfried Stegmann, Sprecher der AG. „Nur so lassen sich alte Sorten erhalten.“
Eine gute Adresse dafür ist das Freilichtmuseum am Kiekeberg. Dort kommt jetzt nicht nur die Siegersorte 2023 in die Erde, sondern seit Jahren auch ihre Vorgängerinnen. „Der Erhalt der alten Sorten gehört zum ganzheitlichen Ansatz des Museums“, sagt Direktor Stefan Zimmermann. „In der vergangenen Woche hatten wir bereits mit der Sorte Holländer Prinz den Apfel des Jahres 2023 gepflanzt.“ Die alten Sorten wachsen in Versorgungs- und Nutzgärten rund um die Museumsgebäude. Auf den landwirtschaftlichen Flächen des Museums gedeihen alte Getreide- und Kartoffelsorten, die teilweise mit Techniken der 1950er Jahre angebaut werden.
Kartoffel 2023 ist aus Angeln, dem Landstrich zwischen Schlei und Flensburger Förde
Die Knollen für die feierliche Pflanzung am Dienstag hatte Landwirt und Kartoffelzüchter Karsten Ellenberg aus Barum (Landkreis Uelzen) mitgebracht. Auf seinem Bioland-Betrieb hat er sich der Züchtung alter Sorten verschrieben (www.kartoffelvielfalt.de) und ist bekannt geworden als Retter der Sorte Linda. Heute baut die Familie Ellenberg auf rund 80 Hektar Acker mehr als 100 historische Sorten an.
Die Kartoffel 2023 habe er aus Angeln, dem Landstrich zwischen der Schlei und der Flensburger Förde, bekommen und auf seinem Hof weiter vermehrt, sagt Ellenberg. „Sie hat sich auf unseren Feldern bewährt, ist sehr robust, hat gewisse Widerstandsfähigkeiten und liefert hohe Erträge.“ Die Tannenzapfen-Knolle sei festkochend und eigne sich gleichermaßen als Salz-, Pell- und Bratkartoffel, sei aber „leider unbekannt“. Die Schirmherrin der Jahrestitel, die ehemalige niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn, wünscht sich, dass die Sorte nun wieder Karriere macht – so wie die Linda oder Bamberger Hörnchen.
Sorte Angeliter Tannenzapfen ist rund 200 Jahre alt
Die Sorte Angeliter Tannenzapfen ist rund 200 Jahre alt. Früher war sie auch als Ananaskartoffel oder weiße Spargelkartoffel bekannt. 1937 hat sie die Sortenbereinigung überstanden. Zwar war zu Beginn des zweiten Weltkrieges ihr Anbau (wie auch der Anbau vieler anderer Sorten) untersagt worden. Doch Angeler Bauern haben die Sorte heimlich weiter angebaut. „So können wir noch heute den feinwürzig-ausdrucksvollen Geschmack genießen“, freut sich Ellenberg.
Auf dem Museumsgelände am Kiekeberg wurden die Knollen gleich nach der Präsentation gepflanzt – zu einem recht frühen Zeitpunkt, denn Kartoffeln sind frostempfindlich. Allerdings muss es so kalt werden, dass der Boden gefriert. Museumsgärtner Mathias Schuh ist zuversichtlich, das wir und die Kartoffeln von einer solchen Kälteperiode in den kommenden Wochen verschont bleiben.
Zunächst wegen ihrer schönen Blüten in Schlossgärten angepflanzt
Zusammen mit einigen Gästen pflanzen Adrian Schmidt und Torsten Riebesel von der Museumsabteilung „Gelebte Geschichte“ die Knollen in ein Beet am noch abgesperrten Ende des neuen Museumsbereichs Königsberger Straße. Er widmet sich Bauten der Nachkriegsgeschichte, soll im Juni komplett sein und eingeweiht werden. „Dann werden hier die Kartoffeln blühen“, sagt Zimmermann. Die unterschiedlichen Sorten werden zu weißen, rosa bis violetten Blüten führen, ergänzt Stegmann. „Als die Kartoffel vor 400 Jahren nach Europa kam, wurde sie zunächst wegen ihrer schönen Blüten in Schlossgärten angepflanzt.“
Die Kartoffel ist weltweit das viertwichtigste Grundnahrungsmittel nach Reis, Weizen und Mais. Global gibt es rund 5000 Sorten. Aufgrund großer Anpassungsfähigkeit wachsen Kartoffeln fast in allen Teilen der Erde. China ist der größte Erzeuger, Deutschland belegt Rang 6.
Der deutsche Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei rund 60 Kilo.
Etwa 300 Sorten werden in Deutschland angebaut. Besonders im Ökolandbau sind alte Sorten für die Direktvermarktung beliebt, weil sie dekorativ und regionale Spezialitäten sind.
In Niedersachsen wurden 2022 auf mehr als 100.000 Hektar Kartoffeln angebaut; auf 3420 Hektar wuchsen Bio-Knollen heran. Sie machen 27 Prozent der deutschen Bio-Kartoffeln aus.
Die meisten Knollen sind Speisekartoffeln. Der Anteil von Saat- und Industriekartoffeln (zur Stärkegewinnung) liegt zusammen bei knapp 20 Prozent.