Harburg. Von 50 neuen Sirenen für Hamburg sind nur zwei für Harburg bestimmt. Bezirkspolitik hakte nach – und bekam erstaunliche Antworten.

Bei großer Gefahr heulen auf den Dächern der Häuser Sirenen und warnen die Menschen. Jedenfalls ist das ein weit verbreiteter Gedanke. 2020, beim ersten bundesweiten Probealarm seit Ende des Kalten Krieges, versagte über die Hälfte der alten Sirenen. Alarmiert waren dadurch höchstens die Verantwortlichen.

Die reagierten und legten ein Programm zur Erneuerung der Sirenen auf. Allein Hamburg sollte 50 neue Dachsirenen erhalten. Davon sind allerdings nur zwei für den Bezirk Harburg geplant. Die Bezirkspolitik reagierte irritiert und bestellte Vertreter der Innenbehörde in eine gemeinsame Sitzung der Regionalausschüsse Süderelbe und Harburg ein. Referent Hanno Schmidt erklärte den Abgeordneten, warum aus seiner Sicht die geringe Anzahl neuer Sirenen für Harburg zwar nicht optimal für den Katastrophenschutz sei, aber eben auch keine Katastrophe.

Bezirk Harburg verfügt über 28 funktionierende Katastrophenschutzsirenen

„Die Sirenenwarnung ist im Katastrophenfall nur eine von vielen Komponenten eines ganzen Warnsystems“, sagt er. „Wir unterscheiden bei den Sirenen zwischen Zivilschutzsirenen und Katastrophenschutzsirenen. Sie werden beide sowohl zur Katastrophenwarnung, als auch zur Warnung vor kriegerischen Angriffen eingesetzt, aber die einen werden dort, wo etwa Überschwemmungen wahrscheinlich sind, von den Katastrophenschutzbehörden der Länder aufgestellt und betreut – und die anderen flächendeckend vom Bundesamt für Zivilschutz.“

So sahen früher Sirenen aus – wie ein Pilz. Sie werden direkt mit dem Strom angesteuert, der die schweren Metallhüte zum Schwingen bringt.
So sahen früher Sirenen aus – wie ein Pilz. Sie werden direkt mit dem Strom angesteuert, der die schweren Metallhüte zum Schwingen bringt. © dpa | Roland Weihrauch

Die Zivilschutzsirenen seien lange vernachlässigt worden, aber Harburg habe 28 funktionierende Katastrophenschutzsirenen, die am bundesweiten Warntag auch alle ausgelöst hätten. „Harburg hat diese Sirenen, weil Teile des Bezirks sturmflutgefährdet sind, wie auch Mitte und Bergedorf deshalb solche Sirenen haben. Andere Bezirke haben gar keine Katastrophenschutzsirenen und werden deshalb zunächst bevorzugt nachgerüstet.“

Nicht ganz billig: Bis zu 19.000 Euro kostet eine elektronische Sirene

Mit den 28 Bestandssirenen würde man 52 Prozent der Bezirksbevölkerung erreichen, mit den zwei weiteren 63 Prozent. In den sturmflutgefährdeten Stadtteilen läge die Abdeckung bei 100 Prozent, so Schmidt. Dennoch soll auch Harburg mehr Sirenen bekommen, wenn der Bund den nächsten Schwung bestellt.

Billig sind die Anlagen nicht: Bis zu 19.000 Euro kostet eine elektronische Sirenenanlage. Dafür sei sie aber auch zuverlässiger als die alten „Pilzsirenen“, die man als Normalbürger noch vor Augen hat, wenn man das Wort „Sirene“ denkt. Die waren jahrelang gut und wartungsfrei, aber sie werden direkt mit dem Strom angesteuert, der die schweren Metallhüte zum Schwingen bringt. Ist die Leitung defekt, lösen sie nicht aus. Sind die beweglichen Teile festgerostet, schwingen und klingen sie nicht.

Neue Sirenenanlagen werden über Glasfaser, Satellitenfunk und Mobilfunk angesteuert

Anders die elektronische Variante: Hier kommt der Alarmton aus Lautsprecherhörnern. Die Sirenenanlage wird gleichzeitig über Glasfaser, Satellitenfunk und Mobilfunk angesteuert, wobei nur einer der Alarme schon zum Auslösen ausreicht. Die Sirene ist vom Stromnetz nahezu unabhängig: Ihren Betriebsstrom bezieht sie aus einem Akku, der auch ohne Stromnetz noch für 14 Tage oder acht Auslösungen Reserve hat.

Allerdings scheinen die neuen Sirenen auch Nachteile zu haben: Nicht nur optisch werden sie nicht mehr wie Sirenen wahrgenommen. Diverse Abgeordnete berichteten, dass sie die elektronisch gesteuerten Lautsprechersirenen am Warntag nicht oder nicht sehr laut gehört hätten. Schmidt nahm das zur Kenntnis

Sirenen seien im Katastrophenfall aber nur ein Warnmedium – noch dazu eines, das erst in der höchsten Warnstufe eingesetzt würde. Zuvor kämen Warnungen über Medien, Lautsprecherwagen, Warn-Apps und jetzt auch über das Handynetz, die so genannten „Cell Broadcasts“, die so gut wie jedes Handy erreichen, das im Warnbereich eingeschaltet ist. Von 108 Gefahrenwarnungen zwischen 2020 und heute waren lediglich drei der Warnstufe 1 – unmittelbare Gefahr für Leib und Leben – zugeordnet, bei der die Sirenen zum Einsatz kommen.

Für den Fall, dass Evakuierungen nötig sind, sei Harburg gut aufgestellt

Es handelte sich um Sturmflutwarnungen, denen bereits zahlreiche Warnungen niedrigerer Stufen vorangegangen waren. Sturmfluten stellten ein Drittel der 108 Warnungen, der Rest verteilte sich auf starke Rauchentwicklungen und Bombenfunde. Da auch diese theoretisch zu Warnungen der Stufe 1 führen können, soll das Hamburger Sirenennetz in den kommenden Jahren wieder flächendeckend ausgebaut werden.

Für den Fall, dass Evakuierungen nötig sind, sei Harburg gut aufgestellt, ergänzte Bernd Vincenti, Katastrophenschutzbeauftragter des Bezirksamtes die Ausführungen von Schmidt. „In Hamburg hat der Katastrophenschutz sofortigen Zugriff auf alle Schulgebäude, um dort Menschen unterzubringen, die evakuiert wurden“, sagt er. „Der Bezirk Harburg hat dabei die Besonderheit, dass er auch Anlaufpunkt für Evakuierte aus Mitte, nämlich Finkenwerder und Wilhelmsburg ist.“