Harburg. Luftaufnahmen von 2011 und 2023 zeigen Entstehung eines neues Wohn- und Büroviertels. Welches Projekt bis heute auf sich warten lässt.

Vom Güterbahnhof zum Wohn- und Geschäftsquartier: Kaum ein anderes Harburger Areal hat seit der Jahrtausendwende so stark sein Gesicht verändert wie die Fläche zwischen dem Westlichen und dem Östlichen Bahnhofskanal im Harburger Binnenhafen. Hier wurden einst Güter per Schiff und Bahn angeliefert oder direkt an den Kaikanten umgeladen – diese ideale Infrastruktur schuf im 19. Jahrhundert die Basis für die Blütezeit der Harburger Industrie. Ende der 1990er-Jahre wurde der Güterbahnhof endgültig aufgegeben. Im nördlichen, dem Hafen zugewandten Bereich übernahm der Projektentwickler Lorenz und Partner (heute Lorenz Gruppe) die Regie. Als erstes Gebäude entstand 2008/2009 das Parkhaus am Veritaskai. Danach folgte nach und nach ein komplettes Quartier.

Dieses Luftbild zeigt den Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs im Juni 2011. Heute verläuft dort die weitgehend bebaute Theodor-Yorck-Straße. 
Dieses Luftbild zeigt den Bereich des ehemaligen Güterbahnhofs im Juni 2011. Heute verläuft dort die weitgehend bebaute Theodor-Yorck-Straße.  © Holger Weitzel/aufwind-luftbilder | Holger Weitzel

1. Brachfläche am Veritaskai

Das Luftbild aus Juni 2011 zeigt eine weitgehend leere Fläche, aber jenseits vom Veritaskai, direkt am Verkehrshafen, gab es damals ein buntes Treiben: Dort betrieb Heiko Hornbacher seine beliebte Freizeitoase Veritas Beach. Im Oktober 2015 musste der Beachclub das Gelände für ein Hotelprojekt räumen. Vor sechs Jahren präsentierte Bauherr Frank Lorenz einen 65 Meter hohen Hotelturm mit Glaselementen, dazu eine Gastronomie mit Sommerterrasse an der verwaisten Kaikante. Doch bis heute ist die Baufläche eine Brachfläche. Der Hotelbau wurde mehrfach umgeplant, aus dem 45-Millionen-Euro-Projekt Hotel Hafen Harburg wurde das 19-stöckige Hotel am Veritaskai mit geschätzten Kosten von 60 Millionen Euro. 2019 wurde mit der Heilbronner Plaza Hotel Group ein neuer Betreiber vorgestellt. Doch dann kam Corona. Lorenz hält an dem Projekt fest – auf der Firmenwebsite ist als Fertigstellungstermin 2025 genannt.

2. Nichts Neues vom Neuländer Quarree

Stillstand herrscht auch auf der Baufläche schräg gegenüber, beim Projekt Neuländer Quarree. Auch hier war die Gestaltung im Rahmen eines Architektur- und eines Freiraum-Wettbewerbs weitgehend ausgearbeitet. Doch als es an die Umsetzung gehen sollte, wechselte das Projekt zwischen dem Östlichen Bahnhofskanal und der Hannoverschen Straße mehrfach den Eigentümer. 2020 hatte der finanziell angeschlagene Immobilienkonzern Adler Group das Projekt an die Fonds-Gesellschaft Partners Immobilien Capital Management mit Sitz auf der Insel Guernsey veräußert. Doch die zahlte nur 40 Prozent des Kaufpreises. Deshalb fiel im Mai 2022 die Entscheidung, den Kauf rückgängig zu machen. Nur fehlt der Adler Group dazu aktuell das Geld.

3. Brückenquartier

Auf der anderen Seite des Östlichen Bahnhofskanals wuchs dagegen das Brückenquartier empor. Es besteht aus zwei Gebäudekomplexen. Direkt am Veritaskai entstand 2019 ein Büro- und Geschäftshaus, in dessen Erdgeschoss unter anderem der Edeka-Markt Ziegler und die Schanzenbäckerei zu wichtigen Nahversorgern wurden. Ein Jahr später wurde der dahinter liegende Komplex mit 56 Eigentumswohnungen inklusive Tiefgarage (auch Edeka-Kunden) errichtet.

4. Baulücke Projekt U-Nic

Hinter den beiden rechteckigen Gebäudekomplexen klafft eine Baulücke zwischen dem Bahnhofskanal und der Theodor-Yorck-Straße. Hier ist das Projekt U-Nic geplant. In einem Klinkergebäude mit besonderem Design sollen über fünf Geschosse 5500 Quadratmeter Bürofläche sowie 82 Stellplätze entstehen. „Dieses Gebäude bietet allerbeste Voraussetzungen für kleine und mittlere Unternehmen, die Wert auf inspirierende Architektur, gutes Design und kreative Arbeitswelten legen“, so Projektentwickler Imentas. Im Erdgeschoss sind Flächen für Labore oder Werkstätten und ein etwa sechs Meter hoher Showroom vorgesehen. Investor ist der ehemalige Fußball-Profi des FC St. Pauli Deniz Bariş. Doch auch dieses Projekt ist ins Stocken geraten. Der Hauptmieter ist abgesprungen und ein neuer noch nicht gefunden.

5. Theodor-Yorck-Straße

Nicht nur die Gebäude, auch die Theodor-Yorck-Straße ist ein Neubau. Benannt wurde sie nach dem Arbeitervertreter und Sozialdemokraten Theodor Yorck (1830-1875). Über viele Jahre war sie eine Privatstraße. Erst 2021 wurde sie vom Bezirk übernommen und zur städtischen Straße umgewidmet. Dennoch stellte der Bezirk bereits 2020 Parkscheinautomaten auf und ließ auch Strafzettel verteilen, um Parkgebühren einzutreiben. Beides geschah widerrechtlich, da das bezirkliche Parkraummanagement in Privatstraßen nichts zu suchen hat. Nach Protesten wurden die Automaten erst einmal verhängt.

6. Ehemalige Bahnhofsgebäude

Nur wenige Relikte sind vom alten Güterbahnhof übrig geblieben. Die auffälligsten stehen am südlichen Ende des Schellerdamms, schräg gegenüber vom Channel Tower: zwei denkmalgeschützte Bauten, eine ehemalige Güterhalle und ein Verwaltungsgebäude. Beide Gebäude wurden um 1870 errichtet; heute nutzen verschiedene Firmen die Räumlichkeiten. Im ehemaligen Verwaltungsgebäude befindet sich unter anderem das Kundenzentrum von Sahle Wohnen.

7. Soziales Wohnen am Schellerdamm

Das Wohnungsbauunternehmen Sahle Wohnen errichtete die beiden roten, u-förmigen Gebäude neben den Bahnhofs-Denkmälern. Ein Schwerpunkt des Unternehmens ist das seniorengerechte Wohnen. Im (auf dem Foto) hinteren Gebäude residiert unter anderen das Sozialkontor, ein gemeinnütziger Anbieter von Assistenzleistungen für Menschen mit Behinderungen und Menschen mit psychischen Erkrankungen. Das Leistungsspektrum reicht von Freizeit- und Bildungsangeboten bis zum betreuten Wohnen. Am Schellerdamm bietet das Sozialkontor in vier Wohnungen Platz für Menschen mit geistiger Behinderung. Gleich nebenan ist Parea tätig. Die gemeinnützige GmbH wurde von Sahle Wohnen ins Leben gerufen mit dem Ziel, das soziale Engagement unter den Mietern zu fördern. Im „Paulinum Schellerdamm“ betreibt Parea 102 Service-Wohnungen für ältere Menschen. Sie treffen sich zu Kaffee- und Spielerunden, zum Basteln, zu Vorträgen, zum Gärtnern.

8 Wohnen rund ums Parkhaus

Das Parkhaus Veritaskai wurde seit 2010 allmählich von Gebäuden eingerahmt. Nur die beiden ersten Bauten am Veritaskai, die Gesundheitsinsel und das Kontorhaus Hafenblick, werden gewerblich genutzt, im Rest wird gewohnt. Die Gebäude entlang der beiden Seitenstraßen sind dem studentischen Wohnen gewidmet: An der Theodor-Yorck-Straße entsteht gerade ein Haus mit 174 kleinen Apartments für Studierende und Auszubildende. Auf der anderen Seite wurden im Projekt „Studentisches Wohnen am Schellerdamm“ im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA Hamburg Apartments für knapp 200 Studierende geschaffen, dazu Läden und Restaurants im Erdgeschoss. Die hintere Seite des Rechtecks bildet ebenfalls ein IBA-Projekt mit 63 Eigentumswohnungen.

9. Kaispeicher am Veritaskai

Ein Blickfang im Binnenhafen ist der alte Speicher am Veritaskai. Er wurde zum Bürogebäude umgebaut. Der unter Denkmalschutz stehende ehemalige Getreidespeicher wurde 1928 errichtet. In den 1930er Jahren und 1960 wurde er an beiden Seiten erweitert. 2002 wurde der Mittelteil behutsam saniert und der Anbau Richtung Kanalplatz durch einen modernen Seitenflügel ersetzt. Der neue östliche Flügel war 2011 noch in Bau, wie das Luftbild zeigt. Heute befindet sich in seinem Erdgeschoss das Café Wedemann, im Mittelteil unter anderem das Bureau Veritas und das Restaurant Momento di...

10. Kanalplatz mit „Mare Frisium“

Neben dem Kaispeicher ist der Kanalplatz zur Veranstaltungsfläche im Herzen des Binnenhafens hergerichtet worden. Aktuell hat dort ein maritimes Schmuckstück festgemacht: der Dreimaster „Mare Frisium“. Das Veranstaltungsschiff bietet zwei Salons, ein großzügiges Deck und 14 Kabinen mit Dusche und WC – Platz für 90 Tages- oder 27 Übernachtungsgäste. Sein Liegeplatz hat der Traditionssegler eigentlich am Sandtorhöft. Voraussichtlich bis zum Ende Februar wird die 1916 erbaute, unter holländischer Flagge fahrende „Mare Frisium“ noch in Harburg liegen.

11. Projekt Maritimes Wohnen

An der Harburger Schloßstraße hat sich ebenfalls viel getan. Auf der westlichen Straßenseite sind im Luftbild 2011 noch Lagerhallen zu sehen, heute ragen dort neun „windschiefe“ schwarze Gebäude in die Höhe. Sechs entstanden in einem weiteren IBA-Projekt namens Maritimes Wohnen am Kaufhauskanal (61 Eigentumswohnungen), errichtet von Behrendt Wohnungsbau. 2017 fügte das Unternehmen drei weitere „Schwarzbauten“ sowie einen L-förmigen Backsteinbau mit knapp 60 Mietwohnungen hinzu.