Harburg. Schon kurz nach der Katastrophe schickten Kadir Baruc und Salman Hiddet Hilfsgüter in die Region. Wie sie die Aktion organisierten.

Es war Montag, der 6. Februar, 1.17 Uhr in der Nacht, als im Südosten der Türkei und im Nordwesten Syriens die Erde bebte – mit einem Wert von 7,7 auf der Richterskala. Häuser stürzen zusammen, begruben Männer, Frauen und Kinder unter sich, die von dem Erdbeben im Schlaf überrascht wurden. Allein in der Türkei sind mindestens 31.000 Menschen durch die Katastrophe getötet worden, Zehntausende sind verletzt. Und die, die es geschafft haben, sich rechtzeitig ins Freie zu retten, haben alles verloren.

„Einer meiner Cousins berichtete, wären wir nur zehn Sekunden länger im Haus geblieben, dann wären wir unter Betonklötzen verschütten wurden“, sagt Salman Hiddet und schüttelt den Kopf. „Immer wieder versuchte ich meine Verwandten und Freunde zu erreichen, aber die Leitung war tot“, berichtet Kadir Baruc. „Mein Heimatort Pazarcik lag im Epizentrum des Bebens, und niemand war erreichbar. Es waren schreckliche Stunden und Tage.“

Baruc und Hiddet sind Kahramanmaras geboren und aufgewachsen

Kadir Baruc und sein Cousin Salman Hiddet sind in Pazarcik in der Provinz Kahramanmaras geboren und aufgewachsen. Seit dort am vor mehr als einer Woche die Erde bebte, sind sie mit ihren Gedanken nur noch in ihrer Heimatstadt. Viele ihrer Freunde und Familienangehörigen haben die beiden Harburger inzwischen erreichen können. Damit ist die Sache aber natürlich nicht getan. „Wer es geschafft hat, der trägt oft nur das Notwendigste am Körper“, sagt Hiddet und schildert die Situation vor Ort. „Viele standen bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt im Pyjama vor den Trümmern ihrer Häuser.“ Baruc ergänzt: „Der Ort Pazarcik ist faktisch nicht mehr da.“

Salman Hiddet betreibt die beiden Post-Kioske am Handweg und am Hainholzweg.
Salman Hiddet betreibt die beiden Post-Kioske am Handweg und am Hainholzweg. © Lenthe-Medien | Lenthe-Medien

Beiden war deshalb klar: Die Menschen in ihrer Heimat brauchen ihre Hilfe – und zwar schnell. Sofort aktivierten die Kioskbesitzer ihre persönlichen Netzwerke, denn immerhin rund 200 Familien aus der Region leben in und um Hamburg. „Jeder gab, was er hatte, und so konnten wir bereits am Mittwoch einen ersten Lkw in die betroffene Region schicken“, sagt Kadir Baruc, der in Harburg den Vahrenwinkel-Shop betreibt.

Der Lkw aus Ankara erreicht die betroffenen Ortschaften innerhalb weniger Stunden

Über 25.000 Euro habe das gekostet. Der Lkw wurde in Ankara gechartert und mit Lebensmitteln, Kleidung und einem großen Zelt beladen. Gerade Zelte seien in der Türkei aktuell kaum zu bekommen, aber die Menschen bräuchten doch Schutz. Der Lkw aus Ankara erreicht die betroffenen Ortschaften innerhalb weniger Stunden – aus Hamburg, hätte der Transport bis zu zehn Tage gedauert.

„Deshalb haben Familienangehörige in der Türkei die Abwicklung und das Beladen des Fahrzeugs übernommen“, sagt Hiddet, der die beiden Post-Kioske am Handweg und am Hainholzweg betreibt. „Wir müssen weiterhelfen, deshalb sammle ich in meinen Läden auch Geldspenden für die Erdbebenregion“, so Hiddet. Über 4000 Euro seien durch die Hilfe der Kunden bereits zusammengekommen, „dafür möchte ich mich wirklich bedanken“.

Baruc und Hiddet kritisieren den türkischen Katastrophenschutz

Ein Teil des Geldes sei auch schon durch Verwandte auf sicherem Weg in die Region gebracht worden und werde dort an bedürftige Menschen verteilt. Die Gründung eines Vereins der rund 200 Familien aus Pazarcik sei schon lange diskutiert worden, nun werde diese Arbeit noch einmal intensiviert. „Wir wollen, müssen und werden helfen, bis alle wieder ein festes Dach über den Kopf haben“, ergänzt Kadir Baruc.

Aktuell suche man dringend Räume, um die Vereinsgründung und die regelmäßigen Treffen zu organisieren. „Wir sind gezwungen, die Organisation selbst zu ergreifen, denn der türkische Katastrophenschutz funktioniert, wenn überhaupt, nur behäbig“, kritisieren die Unternehmer übereinstimmend.

Auch beim nächsten Heimspiel von Dersimspor am 25. Februar werden Spenden gesammelt

In den Kiosken der beiden Harburger werden deshalb weiter Spenden gesammelt – und auch beim Bezirksliga-Heimspiel des Fußballvereins Dersimspor am 25. Februar auf dem Sportplatz Ehestorfer Weg wird eine Spendenaktion stattfinden. Anpfiff ist um 15 Uhr. „Wir als Verein haben unsere Heimat in Harburg, aber aktuell kreisen unsere Gedanken um die Opfer der Erdbebenregion“, sagt Kadir Baruc, der sich auch im Vorstand von Dersimspor sozial engagiert.