Harburg. Alternative Verkehrsformen werden schon kurz nach Einführung oft genutzt. Streit um Parkplätze oder Raum für Radfahrer und Fußgänger.
„Mobilitätswende“ ist ein ebenso sperriges, wie schwammiges Wort. Letztendlich läuft es darauf hinaus, dass immer mehr Menschen ihre Wege auf umweltfreundlichere Weise zurücklegen, als mit einem klassischen Auto. Schon bei der Frage wie, oder welche alternative Verkehrsform ökologisch sinnvoll wäre, scheiden sich die Geister. Sind kleinwagengroße Lastenräder nicht mindestens so eine egoistische Inbesitznahme öffentlichen Raums, wie ein parkendes Auto? Reicht es, wenn alle Leute Elektroautos fahren? Ist eine Straßenbahn besser als eine U-Bahn? Und was sollen die Menschen machen, die weder eine Straßenbahn noch eine U-Bahn angeboten bekommen – jetzt nicht und auch in Jahrzehnten nicht, wie in Harburg?
Mit dem Projekt „KoGoMo“ und dem Mobilitätskonzept Heimfeld und Eißendorf soll in Harburg Feldforschung betrieben werden, wie sich die Mobilitätswende in schwierigen Umständen umsetzen lässt. Nicht jeder wird damit glücklich sein – vor allem nicht die, die gerne weiter Auto fahren wollen. Seit Jahreswechsel versucht die Stadt in Harburg, Alternativen zum eigenen Auto schmackhaft zu machen: Der Sammelshuttle hvv hop und CarSharing mit hvv switch. Allen Unkenrufen zum Trotz lassen sich beide Projekte gut an. Sie sollen noch ausgebaut werden.
Wie gelingt die Wende für den Verkehr in Harburg?
Beide Projekte sind im Rahmen des KoGoMo-Projekts gestartet. KoGoMo steht für „Kommunale Governance für Neue Mobiltätsangebote“. „Governance“ bezeichnet das Zusammenwirken von Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Bürgern. Im Rahmen von KoGoMo soll erforscht werden, ob und wie Car-Sharing, Sammelverkehre und verbesserter Nahverkehr Menschen vom eigenen Auto abbringen. Ob tatsächlich Menschen Privatautos abschaffen, muss sich zeigen. Die alternativen Angebote hingegen werden bereits gut angenommen, obwohl nicht einmal alle Partner dafür werben.
„Wir sind mit dem Start von hvv hop in Harburg sehr zufrieden“, sagt Lennart Meyer, Pressesprecher bei den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH), dem Träger des Dienstes. „Alle 14 Fahrzeuge sind vor Ort und bewähren sich im Einsatz. Derzeit verzeichnen wir 50 bis 60 Fahrgäste am Tag, was für ein neuartiges Verkehrsangebot ein guter Start ist.“
Die Großraumlimousinen Londoner Bauart sind elektrisch in Harburg unterwegs. Gedacht sind sie für Gebiete, die schlecht mit Linienbussen erschlossen sind oder Tageszeiten, in denen der Bustakt ausdünnt. HVV-Kunden mit gültiger Fahrkarte können ein hop bestellen und zahlen dann auf ihre Fahrkarte einen Zuschlag von derzeit zwei Euro. Möglicherweise steigen andere Fahrgäste mit dem selben Ziel zu. Derzeit sind Hops nur im östlichen Harburg unterwegs, ab April kommen Eißendorf, Marmstorf und Heimfeld sowie 14 weitere Autos hinzu.
Zwei „hvv-switch-punkte“ in Wilstorf und Eißendorf eröffnet
Zeitgleich hat der HVV zwei „hvv-switch-punkte“ in Wilstorf und Eißendorf eröffnet. Die Car-Sharing-Dienste, die hamburgweit mit switch zusammenarbeiten sind damit auch hier nutzbar. Bislang taten sich Car-Sharing-Anbieter mit Harburg schwer, hatten hier keine oder nur kleine Angebotsgebiete (wir berichteten). Das soll sich ändern: Zu den zwei neuen Punkten sollen bis Jahresende noch 12 weitere kommen.
Dafür werden Parkplätze umgewandelt. Das stößt in der Nachbarschaft manchmal auf Kritik, zumal die nun frei gehaltenen Plätze selten belegt sind. Das heißt jedoch nicht, dass sie nicht benutzt werden. Für die Anbieter, die es ihren Kunden freistellen, die Autos überall im Geschäftsgebiet abzustellen, sind die Switchpunkte keine festen Stationen, sondern die neuen Gebietsgrenzen und stellen damit eine Erweiterung des Geschäftsgebiets dar, die auch sichtbar genutzt wird. In Wilstorf und Heimfeld stehen jetzt einige Sharing-Autos, wo es das Angebot vorher nicht gab. Seltsam nur, dass die Anbieter damit nicht offensiv werben: Ihre Internet-Karten weisen das vergrößerte Harburger Gebiet noch nicht aus. „Das ist schade“, sagt Constanze Dinse, Pressesprecherin der Hochbahn, im HVV Träger des switch-Angebots, „wir wollen ja erreichen, dass viele Menschen das nutzen.“
Diskussion zum „Mobilitätskonzept für Heimfeld und Eißendorf“
Das „Mobilitätskonzept für Heimfeld und Eißendorf“ hatte in der vergangenen Woche seine erste öffentliche Diskussionsrunde. Stark vertreten waren Verkehrswendebefürworter – Politiker der Grünen, Vertreter des Fahrradclubs ADFC und andere. „Die, die Autos und Parkplätze behalten wollen, kommen selten zu solchen Veranstaltungen“, sagt Frank Wiesner, Verkehrsexperte der Harburger SPD. „Aber hinterher gehen sie auf die Barrikaden, wenn die Parkplätze wegfallen. Es gibt Menschen, die auf ihre Autos angewiesen sind, die muss man mitbedenken.“
Sein Koalitionskollege Michael Sander von den Grünen sieht die Autofahrer nicht ausgeschlossen: „Vor der öffentlichen Diskussion gab es umfangreiche Online-Befragungen“, sagt er. „Da muss man sich nicht vor anderen als Auto-Fan outen. Die Gelegenheit war da.“
Die in kleinen Themenrunden erarbeiteten Wunschlisten waren lang: Mehr Raum für Fußgänger und Radfahrer, Geschwindigkeitsbegrenzungen für Autos, mehr Grün, weniger Parken auf Straßen und Gehwegen. Das trifft, so ergaben Studien der Verkehrsforscher, die das Projekt begleiten, hauptsächlich die Nachbarn der Wünschenden: Die Parkdichte ist nicht wie vermutet wegen der nahen TUHH so hoch, sondern hauptsächlich in den Abendstunden. Hier soll eine Öffnung der TUHH-Tiefgarage für die Öffentlichkeit Abhilfe schaffen.