Hamburg. HVV widmet zuvor öffentlichen Parkraum in Heimfeld und Wilstorf um. Nur: Carsharing-Angebote gibt es hier bislang nicht.

Im Bezirk Harburg mehr Carsharing-Angebote zu schaffen, ist eine Forderung welche die Harburger Verkehrspolitiker quer über alle Fraktionen seit Jahren stellen. Meist scheiterte dies am mangelnden Interesse der Anbieter. Nun startet ein neuer Versuch: Der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) richtet an mehreren Stellen in Harburg Switch-Punkte ein.

Üblicherweise sind dies Stellen, an denen man von einem Linienverkehr des HVV auf individuelle Verkehrsmittel, wie ein Stadtrad, einen Elektroroller oder eben ein Carsharingauto umsteigen kann. Zwei solcher Switch-Punkte gibt es bereits seit längerem am Harburger Bahnhof. Jetzt sollen 14 weitere hinzukommen. Einen Tag vor Weihnachten wurden die ersten beiden eröffnet. Sie befinden sich am Lohmannsweg in Heimfeld und an der Max-Halbe-Straße in Wilstorf. Der Wils­torfer Punkt ist besonders, weil er weitab jeder Linienhaltestelle liegt.

Die Anwohner der Switch-Punkte hat zuvor niemand informiert

Dazu gab es am Tag der Eröffnung eine kurz gehaltene gemeinsame Presseerklärung von HVV und Bezirksamt per E-Mail. Die Anwohner der Switch-Punkte hat zuvor allerdings niemand informiert. Sie sind verärgert, denn die Flächen waren vorher öffentliche Parkplätze. Wer ab jetzt sein eigenes Auto dort abstellt, riskiert einen Strafzettel und bei Hartnäckigkeit das Verschleppen seines Wagens zum Verwahrplatz in Tiefstack.

Parken ja, aber nicht mehr für jeden. In Harburg läuft ein Carsharing-Experiment.
Parken ja, aber nicht mehr für jeden. In Harburg läuft ein Carsharing-Experiment. © HA | Lars Hansen

„Zuerst wurden Schilder aufgestellt, dass die vier Parkplätze wegen Bauarbeiten gesperrt werden“, sagt ein Anwohner des Switch-Punktes an der Max-Halbe-Straße, „aber als die Bauarbeiter abgerückt waren, waren die Plätze für Carsharing reserviert. Nur steht hier nicht ein einziges Sharingauto. Auf dieses Weihnachtsgeschenk hätte ich auch verzichten können. Man hätte uns vorher auch fragen müssen, finde ich!“

Die Switch-Punkte sind Bestandteil eines Feldversuchs im Bezirk

Ein Staatsgeheimnis war die Einrichtung der Switch-Punkte nicht. Sie sind Bestandteil eines Feldversuchs – oder „Reallabors“, wie der neuere Terminus lautet – im Bezirk zur „Stärkung der kommunalen Governance für die Umsetzung von neuen Mobilitätsangeboten“, launig „KoGoMo“ abgekürzt. Governance ist eine Art Modebegriff im Behörden-Jargon und bezeichnet das Zusammenwirken von Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Expertengremien und idealerweise Bürgern zum Wohle des Gemeinwesens.

Als gemeinsames Projekt der Hamburger Verkehrsbehörde und der Technischen Universität Hamburg gibt es KoGoMo seit Sommer 2021. Ein Jahr später hörte die Harburger Bezirkspolitik zum ersten Mal davon und erst Ende November gab es die erste Sitzung des in der Bezirksversammlung für die Verkehrspolitik zuständigen Mobilitätsausschusses. Aktiv auskunftsfreudig waren die Referenten des KoGoMo-Experiments dabei auch nicht.

Zwei weitere Standorte sind am Alten Postweg und Am Centrumshaus geplant

Erst auf Nachfrage der Harburger Verkehrspolitiker gaben sie bekannt, wo nicht einmal vier Wochen nach dieser Sitzung die ersten beiden Switch-Punkte eingerichtet werden sollten. Zwei weitere Standorte sind am Alten Postweg und in der Straße Am Centrumshaus geplant. Zehn weitere sollen folgen. Noch einmal eine Woche darauf hatte KoGoMo kurzfristig zu einer Bürgerbeteiligung eingeladen, um den gesamten Feldversuch vorzustellen. Auch hier wurden die ersten Switch-Punkte erwähnt. Aus der für Durchschnittsharburger unverständlich formulierten Einladung war allerdings nicht herauszulesen, worum es in der Versammlung eigentlich gehen sollte.

Michael Sander (Grüne), Vorsitzender des Mobilitätsausschusses, ist normalerweise verärgert, wenn solche Prozesse und Entscheidungen an den demokratisch gewählten Gremien der Bezirkspolitik vorbeilaufen. „In diesem Fall will ich mich aber nicht beklagen“, sagt er. „Hier passiert ja etwas, das wir schon lange gefordert haben. Wir wollen gerade in Gebieten mit dichter Bebauung und wenig Parkplätzen Alternativen zum privaten Autobesitz anbieten. Jetzt haben wir hier Carsharing-Möglichkeiten. Und natürlich gehen diese Plätze zu Lasten allgemeiner Parkplätze. Wir werden doch keine Bäume fällen, um Stellplätze zu schaffen!“

Carsharing-Anbieter, die mit Switch kooperieren, weisen die Flächen bislang nicht aus

Bislang gibt es allerdings nur die reservierten Plätze. Die Geschäftsgebiete der Carsharing-Anbieter, die mit Switch zusammenarbeiten, weisen die Punkte noch nicht aus. Zumindest beim Anbieter Miles soll das bald nachgeholt werden, heißt es aus der Presseabteilung. Andere Anbieter antworteten nicht.

Der Wilstorfer Verkehrspolitiker Torsten Fuß (SPD) ist skeptisch: „Ich war jetzt schon bei drei Carsharing-Diensten angemeldet, die den Osten Harburgs bedienen wollten“, sagt er. „Sie haben alle nach wenigen Monaten ihre Stationen hier geschlossen oder ihr Geschäftsgebiet verkleinert, und wir waren wieder draußen!“