Harburg. Harburger Konferenz diskutiert, wie gleichzeitig klimaschonend und bezahlbar gebaut werden kann. Binnenhafen wird zum RISE-Fördergebiet
„Wir müssen die Klimabelange direkt in die Stadtentwicklung integrieren. So kann es gelingen, notwendige Klimaschutz- sowie Anpassungsmaßnahmen mit dem bezahlbaren Wohnungsbau zusammenzudenken.“ Das sagte Heiko Stolzenburg, Leiter des Fachamts Stadt- und Landschaftsplanung im Harburger Bezirksamt, am Montagnachmittag anlässlich der Wohnungsbaukonferenz Harburg 2022. Rund 140 Teilnehmer diskutierten im Elbcampus der Handwerkskammer sechs Stunden lang zum Konferenzthema „Wohnungsbau – nachhaltig, klimaneutral und bezahlbar“.
Freiräume in dicht bebauten Stadtvierteln seien ein wichtiger Beitrag zur Klimaresilienz (Widerstandskraft gegen Klimafolgen, die Red.), betonte der Frankfurter Architekt und Stadtplaner Prof. Christoph Mäckler. Für den Bezirk Harburg untersuchte er, wie sich das Schippsee-Quartier zwischen Schloßmühlendamm, Harburger Ring und B 73 besser gegen Klimafolgen wie Hitze oder Starkregen wappnen lässt. Die Ergebnisse sollen im ersten Quartal 2023 der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Generell sagte er, die „Schönheit von öffentlichen Räumen, also Straßen und Plätzen,“ sei sehr bedeutsam für die Aufenthaltsqualität eines Stadtteils. In der Harburger City sieht Mäckler offenbar noch Luft nach oben.
Klimawandel und Wohnraumnot – werden in Harburg absehbar weiter zunehmen
Weit mehr Raum nahm die Frage ein, wie sich klimagerechtes Bauen und Sanieren mit dem Ziel vereinbaren lässt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Beide Herausforderungen – Klimawandel und Wohnraumnot – werden in Harburg wie auch andernorts absehbar weiter zunehmen, so Stolzenburg. Er verwies auf eine Wachstumsprognose für die Metropolregion Hamburg, nach der bis 2030 die stärksten Bevölkerungszuwächse in der Innenstadt und südlich der Elbe erwartet werden. Demnach wird die Einwohnerzahl im Bezirk Harburg zwischen 2020 und 2030 um gut 15.000 steigen, im Landkreis Harburg um gut 34.000 Menschen. Zudem werde für den Zeitraum mit relativ hohen Beschäftigungszuwächsen südlich der Elbe gerechnet.
Der Wohnungsbau müsse weitergehen, auch wenn die derzeitigen Rahmenbedingungen (hohe Baupreise, geringes Flächenangebot, Material- und Handwerkermangel sowie deutlich gestiegene Kreditzinsen) die Vorhaben erschwerten, so Stolzenburg. Noch erreiche der Bezirk die im Bündnis für Wohnen vereinbarte städtische Zielzahl, jährlich den Neubau von 800 Wohneinheiten zu genehmigen. Aber das werde zukünftig voraussichtlich kaum mehr möglich sein.
Wie kann klimaneutraler, bezahlbarer Wohnraum dennoch geschaffen werden?
Wie kann klimaneutraler, bezahlbarer Wohnraum dennoch geschaffen werden? Ein wichtiger Faktor sei die Lage von neuen Wohngebieten, so Stolzenburg: „Wir streben eine Nachverdichtung bestehender Wohnviertel an, die in der Nähe von S-Bahn-Stationen liegen.“ Auch deshalb setze sich der Bezirk dafür ein, mit einer S-Bahn-Station Bostelbek die alte Bahnhaltestelle „Tempowerk“ wiederzubeleben. „Rechnet man Fahrraddistanzen von zwei bis drei Kilometer hinzu, so lassen sich noch mehr potenzielle Baugebiete erschließen.“ Die drei Neubaugebiete in Neugraben und Fischbek liegen relativ nahe der jeweiligen S-Bahnstationen und machten Mobilitätsangebote, durch die ein Auto oftmals verzichtbar werde, sagt Stolzenburg.
Harburg sei auch ein Industriestandort; die „Energetische Stadtplanung“ sei deshalb ein Schwerpunkt des Bezirks, sagte Stephan Rutschewski, Leiter der Abteilung Klima und Energie. Ein wichtiges Element seien Wärmenetze, also die kleinräumige Variante der Fernwärme. „Ab 150 Wohneinheiten sind Wärmenetze wirtschaftlich tragfähig. Wir schauen, an welchen Orten industrielle Abwärme vorhanden ist und prüfen, ob sie sich zum Heizen nutzen lässt.“ Ein potenzielles Wärmenetz war für Wilstorfer Wohnungen bereits anvisiert. Sie sollten aus dem Conti-Werk am Harburger Bahnhof versorgt werden. Doch dann beschloss Continental, dass sämtliche Werke klimaneutral werden sollen – „jetzt braucht das Werk seine Abwärme selbst“, bedauert Rutschewski.
Umbau statt Abriss plus Neubau!
Einen weiteren, oft unbeachteten Aspekt sprach Matthias Schäpers von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen an: den Energieeinsatz im Bausektor. Heute falle der Gesamtenergieverbrauch eines Gebäudes jeweils zur Hälfte beim Bau und während der Betriebszeit an. Durch das Energiesparen verschiebe sich das Verhältnis immer stärker Richtung Bauen. Er plädierte für Umbau statt Abriss plus Neubau: „Wir müssen lernen, möglichst viele Gebäude im Bestand zu halten und auch mit recht gewöhnlichen Gebäuden intelligent umgehen.“ Zudem sei es wichtig, recyclingfähig zu bauen, damit bei Abrissen anfallendes Material wieder eingesetzt werden könne.
Grünes Licht gibt es unterdessen für das neue RISE-Fördergebiet Harburger Binnenhafen/Neuland-Nordwest. Der Senat hat die Fördermittel für die weitere Entwicklung des Gebiets jetzt bewilligt.
Das Wohnumfeld der Hafenbewohner soll durch neue Sport- und Freizeitangebote sowie gestaltete Grün- und Freiflächen verbessert werden. Auch die Wegeverbindungen zur Harburger Innenstadt und dem Bahnhof sowie zur Pionierinsel am naturnahen Ufer der Süderelbe sollen gestärkt werden.
RISE steht für Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung. Die Bewohner und sonstiger Akteure werden bei der Planung der Maßnahmen mit einbezogen.