Harburg. Zum dritten Mal besuchten Mitarbeiter der Arche und des Rotary Clubs Haake zahlreiche Kinder und Familien im Phoenix-Viertel.

Das viele Menschen im Phoenixviertel unter prekären Bedingungen Leben ist kein Geheimnis. Seit August 2020 engagiert sich das Team der Arche vor allem für die Kinder in dem traditionellen Arbeiterviertel. Bis zu 60 Kinder und Jugendliche kommen bis zu viermal pro Woche in die Einrichtung an der Maretstraße um zu lernen, ihre Freizeit zu gestalten, Freunde zu treffen oder ein warmes Abendessen einzunehmen. Die Arche ist inzwischen zu einer festen, verlässlichen Anlaufstelle für viele Kinder und Familien geworden – ausschließlich spendenfinanziert, mit drei hauptamtlichen und vielen ehrenamtlichen Mitarbeitern.

In enger Kooperation beispielsweise mit der Schule Maretstraße finden beispielsweise auch Sprachkurse statt. „Zum Nikolaus kommen die Kinder nicht zu uns, sondern wir besuchen die Kinder zu Hause“, freut sich Angela Krull von der Arche Harburg. „Für mich und meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist es einer der schönsten Arbeitstage im Jahr“, sagt die engagierte Leiterin der Harburger Einrichtung der Kinderstiftung des christlichen Kinder- und Jugendwerkes. „Wir wollen damit ein Zeichen der Anerkennung und Wertschätzung für die Kinder setzen“, ergänzt sie. 300 Kinder erhielten Besuch vom Nikolaus.

Nach dem Umkleiden ging es los. Neun Nikoläuse besuchten am Abend die Kinder in ihren den Wohnungen.
Nach dem Umkleiden ging es los. Neun Nikoläuse besuchten am Abend die Kinder in ihren den Wohnungen. © Andre Lenthe Fotografie | Andre Lenthe Fotografie

Um 16 Uhr wurde es voll im Jugendtreffpunkt, doch an Nikolaus ist kein Kinderlachen zu vernehmen, denn die meisten Kinder warteten schon darauf, dass der Nikolaus an ihre Haustüren kommt und sie besucht.

Fotos von Klingelschildern machen die Runde

Die Mitarbeiter treffen sich und bereiten einen Stuhlkreis vor, nach und nach kommen vor allem ältere Männer und eine Frau dazu. „Wir haben in diesem Jahr sieben Nikoläuse, die im Viertel bis zu 300 Kinder beschenken“, sagt Angela Krull.

Zunächst stärken sich alle Teilnehmenden bei Kaffee, Tee und Keksen für ihre anstrengende Route die sie zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Auto bewältigt werden müssen. Krull reicht Fotos durch den Kreis. Zu sehen ist ein typisches Klingelschild aus dem Phoenixviertel, auf dem kaum ein Name zu erkennen ist. „Auch wenn die Namen nur schwer zu entziffern sind, wir wollen die Kinder besuchen und ihnen zeigen, dass sie nicht vergessen sind“, erklärt Krull das Bild.

„Denn Gott kennt alle Namen. Daher werden auch wir suchen, bis wir jedes einzelne Kind gefunden haben“. Reiner Brüggestrat vom Rotary Club Hamburg-Haake ist als Nikolaus schon ein alter Hase und bereits das dritte Mal dabei: „Im letzten Jahr klingelten wir in einem Fall einfach irgendwo, weil wir nur Straße und Hausnummer hatten, die Klingel war nicht zu lesen. Wir gingen das Treppenhaus hoch und wieder runter, durch einen Nachbarn haben wir dann letztlich das gesuchte Kind angetroffen und die Wohnung gefunden. Die leuchtenden Kinderaugen entschädigten für sämtliche Strapazen. Auch wenn wir, ehrlicherweise, schon aufgeben wollten und mit den Gedanken bereits beim Punsch waren. Aber die Mitarbeiter der Arche haben uns gestoppt und gesagt – nein, wir müssen das Kind jetzt finden.“

Rotary Club unterstützt die Aktion bereits im dritten Jahr

Nach dem kurzen Zusammentreffen ziehen sich die sechs männlichen Nikoläuse und eine Frau vom Rotary Club um und machen sich im typischen rot-weißen Nikolaus-Outfit auf ihre Tour. „Denkt daran, wir haben viele Kinder zu besuchen, haltet euch nicht so lange an den Türen auf“, gibt Tobias Lucht als Arche-Chef für Hamburg zuständig, den Verteilteams mit auf den Weg.

Die Nikoläuse und die Arche-Mitarbeiter schultern die schweren Säcke mit den Geschenketüten, die einige Tage vorher, von den Inner Wheel-Damen des Rotary Clubs gepackt wurden. Um 16.45 Uhr sind alle Nikoläuse auf den Straßen im Viertel unterwegs.

Das Team der Arche und der Rotary Club Hamburg Haake trafen sich vor der Verteilaktion in der
Das Team der Arche und der Rotary Club Hamburg Haake trafen sich vor der Verteilaktion in der "Arche" Harburg. © Andre Lenthe Fotografie | Andre Lenthe Fotografie

Erstmals als Nikolaus*in mit dabei ist Antje Diller-Wolff die von ihrem dreizehnjährigen Sohn Felix begleitet wird. Nur wenige Meter vom Gemeindehaus entfernt die erste Klingel. Mitarbeiterinnen der Arche hatten die Adressen in mühevoller Kleinarbeit, über Wochen zusammengetragen. Angela Krull drückt auf den Klingelknopf und übergibt an den Nikolaus. Ein zierliches „Ja?“, kommt aus der Gegensprechanlage. „Ho Ho Ho, hier ist der Nikolaus von der Arche“, sagt Diller-Wolff mit tief verstellter Stimme. Sofort ertönt der Summer. Für den Nikolaus samt Begleiter geht es in den dritten Stock.

An der Tür zwei kleine Jungs. Die Freude steht ihnen in die Augen geschrieben

An der Tür zwei kleine Jungs. Die Freude steht ihnen in die Augen geschrieben. „Ich habe eine kleine Aufmerksamkeit für Euch“, übernimmt der Nikolaus die Initiative. Eigentlich müssten hier drei Kinder sein, aber eines ist noch auf dem Abenteuerspielplatz. Die Tüte bleibt trotzdem da und auch die kleine Schwester erhält noch ein paar Süßigkeiten.

Weiter geht es, gegenüber wohnen die nächsten Kinder. Da sie sehr zurückhalten sind, fordert der Nikolaus sie auf, mal leicht am Bart zu ziehen. „Kennt ihr denn auch ein Weihnachtsgedicht“, fragt Diller-Wolff, die in ihrer Rolle als Nikolaus richtig in Fahrt kommt. „Leider nicht“, antworten die Kids. „Macht nichts!“ entgegnet“, der Nikolaus. Trotzdem gibt es eine Tüte mit Süßigkeiten, Stiften und einem Armband. Eine ganze Schar Kinder wartet schon im nächsten Haus. Fünf Geschwister und ein Cousin stehen hinter einer Tür im Erdgeschoss. Selbst die Mama ist glücklich, dass ihre Kinder beschenkt werden und dazu eine Einladung zur Weihnachtsfeier der Arche erhalten.

Am Abend haben 300 Kinder im Phoenixviertel ihre Überraschung bekommen

Am Abend haben 300 Kinder im Phoenixviertel ihre Nikolausüberraschung bekommen. „Hamburgweit haben wir an unseren Standorten Billstedt, Jenfeld und Harburg 1426 Kinder besucht“, freut sich Tobias Lucht. Und auch die Haake-Rotarier sind glücklich. Beim gemeinsamen Glühwein kommt man am Abend zusammen und erzählt sich, wie die Verteilung gelaufen ist, schließlich werden es jedes Jahr mehr Kinder. In Harburg ist man 2020 mit 100 Kindern gestartet, letztes Jahr waren es schon 200 Kinder.

„Durch die Nikolausbesuche habe ich Vorurteile über das Phoenixviertel abgebaut. Die Menschen wohnen zwar relativ beengt und die Familien haben in der Regel wenig Geld, aber sie eint der soziale Zusammenhalt und die Wohnungen sind meistens sehr gepflegt“, so Reiner Brüggestrat, amtierender Präsident des Rotary Clubs Hamburg-Haake. Gerade diese soziale Nähe sei eine Stärke des Viertels, dass viel zu oft von Außenstehenden stigmatisiert werde, so Angela Krull abschließend. Trotz aller momentanen Erschöpfung freut sie sich schon jetzt aufs nächste Nikolausfest.