Harburg. SPD und Grüne fordern einen runden Tisch für die City. Welche Rolle eine mögliche Schließung des Karstadt-Hauses spielt.

Über die Attraktivität der Harburger Innenstadt können Harburgerinnen und Harburger seit Jahrzehnten stundenlang streiten. Viel Positives wird man dabei nicht hören. Der Harburger Ring, da sind sich alle einig, ist eine Katastrophe, seit er gebaut wurde und die Lüneburger Straße hatte auch mal attraktivere Geschäfte. Glaubt man denen, die so reden, müsste die Innenstadt menschenleer sein, weil sie so unattraktiv ist.

Guckt man jedoch einmal in die Lüneburger Straße, ist sie quicklebendig, zumindest tagsüber. Nur fühlen sich hier einige Harburgerinnen und Harburger wohler als andere. Einen repräsentativen Querschnitt durch die Bezirksbevölkerung findet man nicht mehr.

Seit 1929 unken die Harburger, dass ihre Karstadt-Filiale auch bald wieder schließt

Darüber, wie man die Innenstadt attraktiver machen kann, hat es in Harburg schon viele Gesprächsrunden gegeben. SPD- und Grünen-Politiker aus der Harburger Bezirksversammlung fordern nun eine weitere: Ein ganz großer runder Tisch, mit Bezirksamt, Citymanagement, Immobilienbesitzern, Geschäftsinhabern, Bezirkspolitikern und anderen interessierten Bürgern soll Konzepte erarbeiten, wie die Harburger City wieder attraktiv werden kann. „Gerade vor dem Hintergrund, dass die Zukunft des Harburger Karstadt-Hauses ungewiss ist, müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die Harburger Innenstadt in Zukunft gestalten wollen“, sagt Bianca Blomenkamp, Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Harburger Bezirksversammlung.

Ungewiss ist die Zukunft des Harburger Karstadt-Hauses nicht zum ersten Mal. Seit Karstadt 1929 seine Harburger Filiale öffnete, unken die Harburger, dass sie auch bald wieder schließt. Das war zunächst wohl auch das Wunschdenken der etablierten Einzelhändler, so wie sich heute manche Geschäftsleute das Phoenix-Center wegwünschen. In letzter Zeit waren die Unkenrufe, was das Harburger Haus angeht, allerdings ernster zu nehmen. Der Mutterkonzern Galeria Karstadt-Kaufhof hat Insolvenz angemeldet und muss saniert werden oder verschwindet völlig. Welche Häuser geschlossen werden, ist eine strategische Entscheidung, auf die das Harburger Kaufhaus kaum Einfluss hat.

Fehlende Bushaltestellen und ein sich ständig wandelndes Bauzaunlabyrinth

Eine Schließung hätte gravierende Folgen für die Harburger Innenstadt. Die Universität St. Gallen hat die Effekte einer Karstadt-Schließung für verschiedene Standorte durchgerechnet. Das Gutachten beziffert den Kaufkraftverlust im Umfeld einer geschlossenen Filiale auf 37 bis 52 Prozent.

Dabei hat die klassische Harburger Innenstadt ohnehin schon länger mit Kaufkraftverlusten zu kämpfen. Seit das Phoenix-Center eröffnete sind immer mehr Markengeschäfte dort eingezogen und haben ihre Läden in der Fußgängerzone und am Ring geschlossen. Neue Markenartikler zieht das Center gleich zu sich. Dazu kommt, dass die Fußgängerzone seit einigen Jahren selbst für Fußgänger an Attraktivität verliert: Fehlende Bushaltestellen und ein sich ständig wandelndes Bauzaunlabyrinth rund um die Lüneburger Straße machen die City schwer erreichbar. Der ab 2025 anstehende Umbau des Harburger Rings wird diese Situation noch einmal verschärfen.

Muss die Harburger City auch attraktiver Wohnstandort werden?

„Die Innenstädte – auch die Harburger Innenstadt – stehen seit vielen Jahren vor enormen Herausforderungen“, sagt Frank Richter, Fraktionsvorsitzender der SPD in der Harburger Bezirksversammlung und Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses. „Die Zunahme des Online-Handels, die erweiterten Öffnungszeiten und zuletzt die Corona-Pandemie haben dazu geführt, dass der stationäre Einzelhandel sich immer weiter aus den Innenstädten zurückzieht und der Leerstand zunimmt. Das betrifft gerade inhabergeführte Geschäfte, die zu einem großen Teil für die Attraktivität eines Standorts sorgen. Mittlerweile hat dieser Trend aber auch die Filialgeschäfte größerer Unternehmen erreicht.“

Das führe zu der Frage, welche Möglichkeiten Eigentümer, Geschäftsinhaber, Bezirksverwaltung und Bezirkspolitik haben, um die Harburger Innenstadt als Einzelhandelsstandort aber auch als attraktiven Aufenthaltsort aufzuwerten, so Richter. „Mittel- bis langfristig wird die Harburger Innenstadt nur als belebtes Quartier erhalten werden können, wenn sie zusätzlich zu einem attraktiven Wohnstandort entwickelt werden kann. Ein erster Schritt dahin ist mit dem Rahmenplan Harburger Innenstadt gemacht worden. Leider sind erste Projekte in diese Richtung auch wegen der Corona-Infektionen verzögert angelaufen oder offenkundig zunächst auf Eis gelegt worden.“

Ein buntes Flickwerk aus Bebauungs- und Baustufenplänen

Eines der größten Hindernisse für eine einheitliche Entwicklung ist das Planrecht: Über der Harburger Innenstadt liegt ein buntes Flickwerk aus Bebauungs- und Baustufenplänen. Die Vereinheitlichung des Planrechts ist deshalb eine weitere Forderung im Koalitions-Antrag.

„Harburg-Marketing ist mit etlichen Aktionen daran beteiligt, mehr Menschen das Einkaufen und den Aufenthalt in der Harburger Innenstadt nahezubringen“, sagt Richter. „Angesichts der Entwicklung sind jedoch weitere Ideen nötig, um eine Trendwende zu erreichen. Deshalb brauchen wir ein breites Diskussionsforum!“