Harburg. Spender gesucht: Das Harburg-Huus am Außenmühlenweg hilft Menschen ohne Wohnung. Nun sucht es selbst ein neues Zuhause.
Die kalten Monate haben begonnen. Besonders die Obdachlosen stellt diese Zeit vor besondere Probleme. Eine Anlaufstelle für sie ist das Harburg-Huus, die einzige Obdachloseneinrichtung im Hamburger Süden. Das Haus gibt es erst wenige Jahre. Dennoch ist seine Zukunft ungewiss: Das Harburg-Huus braucht ein neues Zuhause. Die Suche dauert nun schon einige Jahre.
Außerdem benötigt das Deutsche Rote Kreuz (DRK), dessen Kreisverband Hamburg-Harburg Träger des Hauses ist, ständig Geld für die Obdachlosenarbeit, denn das Harburg-Huus wird aus keinem staatlichen Hilfsetat finanziert, sondern zu 100 Prozent aus Spenden. Die neue Hausherrin Rosa Schlottau hat also einen ganzen Berg an Aufgaben vor sich. Rüdiger Grube, ehemaliger Bahn-Vorstand und ehrenamtlicher Schirmherr des Harburg-Huus, sowie DRK-Fundraiserin Simone Thiede rufen deshalb auf, das Harburg-Huus zu unterstützen.
Harburg-Huus wird zu 100 Prozent aus Spenden finanziert
Wie viele Obdachlose es im Bezirk Harburg gibt, lässt sich nur schätzen. Zählen ließen sich nur die, die im Freien schlafen, „Platte machen“, wie es im Jargon heißt. Aber auch die werden nur sporadisch gezählt. Hinzu kommen viele sogenannte „verdeckte Obdachlose“, die zwar regelmäßig oder oft bei irgendjemandem zum Schlafen unterkommen, aber trotzdem kein Zuhause haben.
Diakonie und DRK schätzen, dass in Harburg etwa 150 Menschen betroffen sind. Bis zu 50 Gäste nutzen täglich das Tagesangebot des Harburg-Huus: Einen geschützten warmen Raum, Mahlzeiten, Gemeinschaft, Duschen und Waschmaschinen sowie Unterhaltungsangebote, etwa TV, Gesellschaftsspiele, Tageszeitungen und Bücher. Auch WLAN kann in Anspruch genommen werden.
15 Gäste können hier übernachten, auch Gäste mit Hunden sind willkommen
Mit gemeinsamen Mahlzeiten und Aktivitäten wie Museums- oder Konzertbesuchen bietet das Harburg-Huus Unterstützung in der Tagesgestaltung. 15 Gäste können hier auch übernachten. Die Besonderheit: Auch Gäste mit Hunden sind willkommen. Das ist in den großen Unterkünften nur sehr eingeschränkt der Fall. „Das macht unsere Besucherschaft aber auch besonders“, sagt der scheidende Chef Thorben Goebel-Hansen, „denn meistens sind Menschen mit Hund umgänglicher.“
Die bevorstehende kalte Jahreszeit stellt Obdachlose vor die größte Herausforderung: den Kampf ums Überleben. Wie das Magazin Hinz & Kunzt unter Berufung auf das Rechtsmedizinische Institut am UKE berichtete, starben in Hamburg allein im Zeitraum November 2021 bis Mai diesen Jahres 21 obdachlose Menschen im öffentlichen Raum. Elf weitere in Hamburger Krankenhäusern. Todesursachen: akute oder chronische Lungenentzündungen, Herzerkrankungen und Infektionskrankheiten. Auch Klienten des Harburg-Huus kann dies treffen: Vor dem Haus erinnert ein Holzkreuz an Wolfgang. Er hat die Platte nicht überlebt.
Sozialarbeiter erarbeiten für jeden Gast einen individuellen Hilfeplan
Neben der Soforthilfe mit Wärme, Waschmaschine und Essen gibt es im Haus auch Beratung. Sozialarbeiter erarbeiten für jeden Gast einen individuellen Hilfeplan und unterstützen ihn dabei, die Probleme anzugehen und eine neue Perspektive zu entwickeln. Mehr als 200 Obdachlose konnte das Harburg-Huus-Team in den vier Jahren seit Eröffnung 2018 in Wohnraum vermitteln. „Es sollte jeder dankbar sein, der nie in seinem Leben in so eine Situation kommt“, sagt Rüdiger Grube. „Es kann jeden treffen. Nicht alle haben so viel Glück wie ich.“
Der jährliche Finanzbedarf des Harburg-Huus liegt bei 350.000 Euro, rechnet Simone Thiede. Sie ist Fundraiserin beim DRK, also für die Beschaffung von Spenden zuständig. Ein guter Teil dieses Bedarfs wird regelmäßig von wohltätigen Stiftungen mit größeren Summen gesichert. Viel muss aber auch noch von privaten Spendern aufgebracht werden. „Dabei hilft alles“, sagt Grube, „vom Fünf-Euro-Schein bis zum 500er.“
Investor hat Grundstück der ehemaligen Eisengießerei und Maschinenfabrik gekauft
Untergebracht ist das Harburg-Huus in einem Gebäude der ehemaligen Eisengießerei und Maschinenfabrik am Außenmühlenweg. Allerdings ist das gesamte ehemalige Fabrikgelände von einem Investor gekauft worden, der dort Wohnungen bauen will. Das Harburg-Huus ist nicht die einzige Einrichtung, die betroffen ist. Ohne, dass die sozialen Einrichtungen nicht untergebracht sind – und zwar möglichst in dem neuen Projekt – will die Bezirkspolitik den Bebauungsplan für das Wohnungsbauvorhaben nicht genehmigen.
Das DRK könnte also in Ruhe abwarten, und bekommt auch immer wieder Angebote vom Vermieter. Tragfähig erschien bislang aber keines davon. Gerade hat das DRK erfahren, dass das Harburg-Huus an diesem Standort noch mindestens ein Jahr bleiben kann.
Rosa Schlottau und Team wollen sich gern auf mindestens 400 Quadratmeter vergrößern
Trotzdem suchen Rosa Schlottau und ihr Team mittlerweile auch selbst und woanders in Harburg. Grund ist unter anderem, das sie sich vorstellen können, das Angebot auszuweiten. Gegenwärtig hat das Haus 300 Quadratmeter, erstrebenswert findet Schlottau eine Nutzfläche ab 400 Quadratmeter. „Wir könnten dann auf gut 30 Übernachtungsplätze aufstocken“, sagt sie. „Viel mehr geht nicht, ohne dass die Einrichtung anonym wird, wie Großunterkünfte. Das wollen wir vermeiden!“
Das findet auch Schirmherr Grube wichtig: „Die Herzlichkeit und die Wärme, mit denen das Team hier die Menschen empfängt, sind einmalig“, sagt Grube, der nach eigenen Angaben in sehr einfachen Verhältnissen in Moorburg aufgewachsen ist.
Auch neue Schlafsäcke gespendet werden, am liebsten aber immer noch Geld
Weil die Übernachtungsplätze begrenzt sind und auch nicht jeder Obdachlose tatsächlich im Haus schlafen will, gibt das DRK im Harburg-Huus auch Schlafsäcke aus. Auch die kann man spenden. Sie sollten bis minus 20 Grad geeignet und unbeschädigt sein – am besten neu. „Am allerbesten ist trotzdem immer eine Geldspende“, sagt Simone Thiede, „denn die kann das Haus auch flexibel einsetzen.“
Nicht nur räumlich würde sich das Harburg-Huus gern erweitern: Auch das Angebot soll wachsen. „Ein Teil derer, die wir in Wohnraum vermitteln konnten, benötigt zumindest noch einige Zeit Nachbetreuung“, sagt Rosa Schlottau, „denn trotz der Wohnung bleiben einige Probleme in ihrem Leben bestehen und drohen wieder in die Obdachlosigkeit zu führen. Mit betreuender Sozialarbeit könnten wir dann bei diesen Menschen Probleme wie Sucht oder Verschuldung angehen.“
Spenden kann man über ein Formular auf der Harburg-Huus-Homepage oder direkt auf die Kontonummer DE77 2005 0550 1262 2275 39. Kennwort: Obdachlosenhilfe