Harburg. In mehr als vier Jahrzehnten hat der Wohltätigkeits-Impressario fast eine Million Euro Spenden gesammelt. Noch drei Veranstaltungen sollen folgen

Die 14. Harburger Blues- und Boogie-Nacht ist nicht einmal eine Woche her, da gibt es schon Plakate für die 15., die am 3. November 2023 stattfinden wird. Wer kommt, steht schon fest und auf dem DIN-A-1-Papier, das Dieter Bahlmann in den Händen hält. Der mittlerweile 82-jährige Bahlmann hat die 14 Boogie-Nächte zuvor organisiert und er plant auch die 15. Das soll dann die letzte sein. „Ich merke, dass das mit der Zeit immer anstrengender wird“, sagt der Harburger Benefiz-Impressario, „und das nicht nur wegen meines fortschreitenden Alters, sondern, weil die Umstände auch schwieriger werden. Irgendwann muss ich auch aufhören.“

Furioses Finale für eine aufregende Veranstalter-Laufbahn

Dieses Irgendwann soll im Frühjahr 2024 sein: Nach der 15. Blues- und Boogie-Night gibt es dann ein Boogie-Piano-Festival der Extraklasse: Zehn hochkarätige Boogie-Woogie-Pianisten sollen sich auf der Bühne der Friedrich-Ebert-Halle die Tasten in die Hand geben – ein furioses Finale für eine aufregende Veranstalter-Laufbahn. Dabei ist Dieter Bahlmann gar kein hauptberuflicher „Eventmanager“ – dieses Wort war auch noch gar nicht erfunden, als er anfing –, sondern organisiert ehrenamtlich jedes Jahr mehrere große Wohltätigkeitsveranstaltungen. Und das macht er nun schon seit 46 Jahren. Seit fast genau 40 Jahren sind die SOS-Kinderdörfer die Haupt-Nutznießer seiner Aktivitäten. Das hängt damit zusammen, dass Bahlmann nahezu sein gesamtes Berufsleben beim Karstadt-Konzern verbrachte.

Dieter Bahlmann holte die Prominenz nach Harburg. Hier steht er – umringt von Fotografen – neben Franz Beckenbauer
Dieter Bahlmann holte die Prominenz nach Harburg. Hier steht er – umringt von Fotografen – neben Franz Beckenbauer © HA | Jan Becker

1981, zum 100-jährigen Bestehen der Warenhauskette, übernahm Karstadt die Patenschaft für ein ganzes SOS-Kinderdorf in Rio de Janeiro. Seitdem sammelt Dieter Bahlmann Jahr für Jahr Spenden, zunächst nur für das Patendorf, später auch für SOS-Dörfer in Bulgarien und Haiti. Dafür holte er Stars wie Rolf Zuckowski, Wolfgang Petry oder auch Roy Black einst in die Friedrich-Ebert Halle.

„Roy Black hatte damals eine Fernsehrolle in „Ein Schloss am Wörthersee““, erinnert sich Bahlmann. „Die Gala mit ihm war innerhalb weniger Tage ausverkauft!“

Roy Black wollte wiederkommen – für die halbe Gage

Black war dermaßen begeistert von Bahlmanns Engagement, dass er ihm anbot, wiederzukommen – für die Hälfte der Gage, die er gerade erhalten hatte. „Ich habe damals nicht schnell genug reagiert“, sagt Dieter Bahlmann. „Als ich zurückrief, war der Terminkalender schon wieder voll.“ Wenig später starb Black.

Bahlmann hat einen persönlichen Grund für sein Kinderdörfer-Engagement: „Meine Mutter, meine Geschwister und ich haben nach dem Krieg lange Mangel und Armut erleiden müssen“, sagt er. „Ich habe den Wunsch, dass kein Kind auf der Welt dies ebenfalls erleben muss und will meinen Teil dazu beitragen.“

Als gelernter Einzelhandelskaufmann kam Bahlmann 1965 zum Karstadt-Konzern, und startete in der Filiale an der Osterstraße in Eimsbüttel. Über die Stationen Karlsruhe, Hannover und Eppendorf führte ihn sein Weg schließlich 1970 nach Harburg. Bis 2002 war er dort Abteilungsleiter für Bücher und Schreibwaren. In seiner Abteilung organisierte Bahlmann Signierstunden mit Literaten und Prominenten, die ihre Werke und Biografien vorstellten. Wenn er rief, fanden große Namen ihren Weg nach Harburg: Loriot, Schauspieler Curd Jürgens, Box-Weltmeister Max Schmeling, Ski-Legende Rosi Mittermaier, Fußball-Doppel-Weltmeister Franz Beckenbauer, Entertainer Harald Juhnke, und viele mehr schrieben im Harburger Karstadt-Haus ihre Widmungen in die Bücher der Kunden.

Besondere Ehre: Siegfried Lenz schaute in seiner Buchabteilung vorbei

Als besondere Ehre empfand Bahlmann es, dass der Schriftsteller Siegfried Lenz in seiner Buchabteilung vorbeischaute. „Für mich ist Lenz einer der Größten“, sagt Bahlmann. Lenz lud ihn einst sogar zum Kaffeetrinken bei sich zu Hause ein. Auch mit Curd Jürgens verstand er sich prächtig, ging sogar mit ihm frühstücken. Die Kontakte zur Prominenz nutzte Bahlmann für die Galas. Wohltätigkeitsveranstaltungen hatte er schon seit den 1970er-Jahren organisiert: Auf der alten Jahnhöhe des Harburger Turnerbunds kickten Prominente gegen eine Harburger Auswahl. Die Erlöse gingen an das Amateurtheater „De Nedderdütsche“. Trotz aller Wohltätigkeit ging es auf dem Platz bisweilen hart zur Sache: Nach einem Spiel musste Uwe Seeler mit dem Rettungswagen ins AKH gebracht werden. Mit Fußballspielen und Benefizgalas hat Dieter Bahlmann über die Jahrzehnte 963.000 Euro für gute Zwecke eingeworben. Bis er in eineinhalb Jahren aufhört, möchte er die Million vollbekommen.

Wenn Dieter Bahlmann zur Blues- und Boogie-Night einlädt, ist das nicht nur eine Win-Win Situation für die Harburger Zuschauer, die die Creme der norddeutschen Bluesszene kompakt genießen können und die SOS-Kinderdörfer, die die Erlöse erhalten, sondern eine Win-Win-Win-Situation. Denn auch die Musiker sind Gewinner, wie die Hamburger Blues-Legende Abi Wallenstein – er war bislang bei jeder Night dabei – erklärt: „Die Atmosphäre in dieser legendären Halle , in der schon die Beatles aufnahmen; das enthusiastische Publikum und das Zusammenkommen von vielen tollen Kollegen, machen die Blues-and-Boogie-Night zu etwas ganz besonderem! Es gilt in der Szene mittlerweile als Auszeichnung, hier zu spielen und viele Musiker sprechen mich an, ob ich sie nicht Herrn Bahlmann empfehlen könnte.“

Vorverkauf ist komplizierter geworden, weil es immer weniger Theaterkassen gibt

Kein Wunder also, dass sich das „Line-Up“, also die Künstlerzusammenstellung für die nächste Boogie-Night, schon jetzt komplett gefunden hat. Und auch viele Zuschauer wollten jetzt schon sicherstellen, beim nächsten Mal dabeisein zu können und fragten noch im Herausgehen nach Karten für 2023. Die gibt es aber noch nicht. Überhaupt, so Bahlmann, sei der Vorverkauf komplizierter geworden, weil es immer weniger Theaterkassen gibt.

Vor der 15. Blues-and-Boogie-Night im Herbst 2023 bringt Bahlmann im Frühjahr noch eine Chor- und A-Capella-Gala in die Eberthalle. Es kommen „The Cast“ und LaLeLu. Für beide Veranstaltungen werden auch noch Helfer gesucht.