Harburg/Neugraben-Fischbek. Baugenossenschaften haben den Bezirk Harburg noch nicht entdeckt – das soll sich ändern. Wo demnächst Projekte geplant sind.

Sie sind gerade in Zeiten gestiegener Baupreise ein Ausweg, dennoch Wohneigentum zu schaffen: Baugemeinschaften. Hier tun sich zehn, 20 oder mehr interessierte Familien, Paare und Singles zusammen, um gemeinsam Wohnungen nach Maß zu bauen, die sie später selbst beziehen. Meist ist eine solche Gemeinschaft als Genossenschaft organisiert. Im Bezirk Harburg ist das gemeinschaftliche Bauen noch rar. Bislang gibt es zwei Baugemeinschaften. Auf der jüngsten Sitzung des Stadtplanungsausschusses ging es um die Frage, wie mehr Baugemeinschaften nach Harburg gelockt werden können.

Harburgs Baudezernent Hans Christian Lied macht sich schon länger für diese Form des Bauens stark: „Ich selbst habe vor 14 Jahren in einer Baugemeinschaft gebaut. Sie ermöglicht es, relativ preiswert und selbstbestimmt zu bauen.“ Während nördlich der Elbe das gemeinsame Bauen beliebt ist und auch in Wilhelmsburg demnächst 30 Baugemeinschaften auf sieben Baufeldern im Rathausviertel und im Elbinselquartier rund 600 Wohnungen errichten wollen, gibt es bislang in Harburg fast keine Nachfrage nach Grundstücken für Baugemeinschaften.

Im Baugebiet Fischbeker Reethen seien sechs Areale reserviert

„Wir hatten in unseren beiden Neubauquartieren Vogelkamp Neugraben und Fischbeker Heidbrook Grundstücke für Baugemeinschaften reserviert“, sagt Philippa Dorow von der IBA Hamburg GmbH. Sie koordiniert die beiden Fischbeker IBA-Quartiere Heidbrook und Reethen. „Im Heidbrook hatten wir keine Interessenten, im Vogelkamp hat die Nestbau Genossenschaft in zwei Gebäuden 17 Wohneinheiten errichtet.“ Im jüngsten Baugebiet Fischbeker Reethen seien sechs Areale für Baugemeinschaften reserviert, so Dorow. Allerdings ist dies noch Zukunftsmusik – erst 2024 wird die Vermarktung der Grundstücke starten.

Regine Rega-Lindner von der HHBB Baubetreuung berät Baugemeinschaften und Wohnprojekte. Sie erläutert, wie das gemeinschaftliche Bauen funktioniert: „Die Mitglieder der Baugemeinschaft wählen oft die Genossenschaftsform. Jeder zeichnet Anteile, deren Beträge sich nach der Quadratmeterzahl der geplanten Wohnung richten, zum Beispiel 400 Euro pro Quadratmeter. Die Genossenschaft nimmt ein Baudarlehen auf und zahlt es mit Hilfe der Mieten, die die Mitglieder für ihre Wohnungen zahlen, zurück.“

Die Mieten der Nestbau-Genossen liegen zwischen sieben und 14 Euro pro Quadratmeter

Wenn das Darlehen abbezahlt ist, können die Genossen entscheiden, ob die Mieten gesenkt oder vermehrt Rücklagen für die Instandhaltung gebildet werden. Zudem gilt in den Kleingenossenschaften das Solidarprinzip: Jede(r) zahlt so viel er oder sie kann. So liegen die Mieten der Nestbau-Genossen im Vogelkamp-Quartier je nach Finanzkraft zwischen sieben und 14 Euro Miete pro Quadratmeter.

Die zweite Baugemeinschaft Wohnen hoch 3 will in Marmstorf an der Elfenwiese 24 Wohnungen in zwei Mehrfamilienhäusern errichten und hat dabei auch Wohnungen für Menschen mit Handicap, gemeinsam nutzbare Büroarbeitsplätze sowie eine Fahrradwerkstatt mit eingeplant. Allein das Konzept wurde im März 2021 mit der Harburger Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet.

Die Baukosten an der Elfenwiese in Marmstorf sind deutlich gestiegen

Ein Erbpachtvertrag über das 3500 Quadratmeter große Grundstück ist unterzeichnet, allerdings fehlt Wohnen hoch 3 angesichts veränderter Rahmenbedingungen noch Eigenkapital. Im Januar wurde die Förderung für energiesparende Gebäude gekappt, und die Baukosten sind deutlich gestiegen. Statt der ehemals 450 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche müssten die Genossen nun den doppelten Betrag zahlen – das ist vielen nicht möglich. Nun setzt die Baugemeinschaft auf finanzielle Unterstützung durch die Stadt.

Um Baugemeinschaften zu unterstützen, hat die Stadt ein eigenes Förderprogramm aufgelegt. „Das ist in dieser Form einzigartig in Deutschland“, sagt Johanna Londong von der Agentur für Baugemeinschaften, die (auch) über die Förderung berät. Dabei wird zwischen genossenschaftlichem und individuellem Eigentum unterschieden.

Mit Wilhelmsburg ist der Sprung über die Elbe geschafft. Und nun?

Die über die Hamburgische Investitions- und Förderbank (IFB) ausgezahlten Zuschüsse können nur Baugemeinschaften erhalten, deren Mitglieder unterhalb bestimmter Einkommensgrenzen liegen. Weitere Vorgaben betreffen zum Beispiel die Wohnungsgrößen.

Das Bezirksamt hat im Rahmen seines Wohnungsbauprogramms 2022 neben den Fischbeker Reethen sechs weitere potenzielle Areale ausgemacht, die sehr gut Grundstücke für Baugemeinschaften vorhalten könnten, unter anderem zwischen Hohe Straße und Rote-Kreuz-Straße, am Gottschalkring 1 oder am Eißendorfer Pferdeweg 67. Beraterin Rega-Lindner hofft auf mehr Interesse als bisher: „Den ersten Sprung über die Elbe haben wir mit Wilhelmsburg geschafft. Jetzt fehlt noch der zweite Sprung über die Süderelbe nach Harburg.“

Eine Kontaktbörse für Interessenten an Baugemeinschaften gibt es unter www.baut-zusammen.hamburg