Harburg. Neuer Wohnraum für Studierende und Auszubildende in der Theodor-Yorck-Straße. Haus trägt einen prominenten Namen
„Am 11. April haben wir uns hier zum ersten Spatenstich getroffen – nach nur sechseinhalb Monaten Bauzeit feiern wir heute Richtfest. Das ist angesichts der engen Baulücke und der aktuell schwierigen Rahmenbedingungen eine bemerkenswerte Leistung!“ Das sagt Bauherr Gerrit M. Ernst, Geschäftsführer des Immobilienentwicklers Nord Project, am Montag auf der Baustelle eines großen Wohngebäudes an der Theodor-Yorck-Straße. Sein besonderer Dank gehe an Generalunternehmer Kögel Bau und die beteiligten Handwerksbetriebe. Aber auch an Frank Lorenz, der mit seiner Lorenz Gruppe den östlichen Binnenhafen entwickelt und das Projekt erst möglich gemacht habe.
Schräg gegenüber des Edeka-Marktes werden 174 kleine Apartments für Studierende und Auszubildende entstehen. Dazu die Kita Hafencampus mit 55 Plätzen. Die zwischen 18,5 und 28 Quadratmeter kleinen Apartments werden für 515 Euro Warmmiete zu haben sein. So ist es im Vertrag zwischen dem Bauherrn Nord Project und dem Bezirk festgeschrieben. „Wir müssen sehen, wie wir das hinbekommen“, sagt Ernst, niemand habe bei Vertragsschluss mit derart steigenden Energiepreisen gerechnet. Das Gebäude werde mit Nahwärme versorgt; Strom und Internet sind nicht im Mietpreis enthalten. 23 Wohnungen werden zudem öffentlich gefördert. Dort werde die Miete knapp 100 Euro niedriger liegen, so Ernst.
In Hamburg gibt es bereits drei ähnliche Wohnanlagen
Nord Project realisiert seit 2011 Hotel- und Apartmentprojekte unter Beteiligung der GBI AG/Moses Mendelssohn Stiftung. Die Stiftung ist Treuhänderin der FDS gemeinnützige Stiftung, die deutschlandweit Studentenwohnheime und sogenannte Smartments für Studierende bauen lässt und betreibt. In Hamburg gibt es bereits drei Wohnanlagen, zwei im Münzviertel/Hühnerposten und eine an der Borgfelder Allee. Weitere Mikroapartment sind unter der Regie Nord Projekt in Bau, etwa am Schulterblatt und im Pergolenviertel (Rübenkamp).
Die Wohnanlagen der Moses Mendelssohn Stiftung werden traditionell nach einer jüdischen Persönlichkeit benannt. Ziel ist es, damit ein Beitrag zur deutsch-jüdischen Verständigung zu leisten. Die Immobilie an der Theodor-Yorck-Straße wird das Gabriel Riesser Haus. Riesser war der erste jüdische Richter in Deutschland (s. unten) und Mitte des 19. Jahrhunderts einer der prominentesten Sprecher der in Deutschland lebenden Juden.
In anderen Bundesländern gebe es mehr Unterstützung, sagt ein Bauherr
Die Zahl der von GBI und Nord Project in der Hansestadt entwickelten Apartments für Studierende und Auszubildende nähere sich mit dem Harburger Neubau nun der 1000er-Grenze, sagt Ernst: „Wir schaffen in diesem Bereich kontinuierlich Projekte und sind mittlerweile in Hamburg der zweitgrößte Anbieter nach dem Studierendenwerk.“ Er wünscht sich mehr Unterstützung aus Politik und Verwaltung: „In Hamburg wird studentisches Wohnen nicht einmal mit 30 Prozent der Baukosten gefördert. Ohne Quersubventionen und unseren starken Finanzpartner HanseMerkur wäre eine solche Investition nicht möglich.“ In anderen Bundesländern gebe es mehr Unterstützung: „Ich empfehle die Lektüre der Förderprogramme von Niedersachsen, Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen.“ Außerdem könne es nicht angehen, dass die Baugenehmigungen länger dauerten als der Zeitraum zwischen dem ersten Spatenstich und Richtfest, so Ernst.
Fredenhagen hebt ein besonderes Projekt im Projekt hervor
Die Adressatin für die zweite Kritik stand neben dem Bauherrn, Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen. Sie lobte das Bauprojekt angesichts abgeflauter Bautätigkeit als „tolles Signal, dass es weitergeht, dass es weiter vorangeht“. Tatsächlich sei viel Zeit vergangen, bis die Wohnanlage entstehen konnte, räumt Fredenhagen ein. Sie sei schon als Leiterin des Harburger Jugendamts (bis Ende 2017) an den Planungen beteiligt gewesen. „Es ist ein Herzensprojekt von mir“, sagt sie, „uns sind junge Menschen wichtig. Das Projekt schließt eine Lücke im Binnenhafen, in dem Wirtschaft, Wissenschaft und auch das Wohnen vertreten sind, aber bislang wenig Soziales.“
Fredenhagen hebt ein besonderes Projekt im Projekt hervor: Acht Mini-Apartments werden im Rahmen des Konzepts „Hier wohnt Hamburgs Jugend“ an junge Erwachsene vergeben, die einen Teil ihres Lebens in der stationären Kinder- und Jugendhilfe, etwa Wohngruppen, Kinderheimen oder Pflegefamilien, verbracht haben und sich am Übergang in ein eigenständiges Leben befinden. Weitere 15 Smartments sind laut Vertrag mit dem Bezirk speziell für Auszubildende vorgesehen.
Aktuell hat die Verwaltung die Chance, auf die Kritik des Bauherrn über lange Planungszeiten zu reagieren: Nord Project hat den Bau von weiteren 65 Mikrowohnungen mit Einzelhandel im Erdgeschoss an der Lüneburger Straße 4–8 beantragt. „Wenn die Baugenehmigung da ist, wollen wir bauen“, sagt Gerrit M. Ernst.