Lüneburg. Hansestadt mit pittoreskem Stadtkern ist beliebt bei Urlaubern nicht nur aus Deutschland: “Wir hätten noch mehr unterbringen können.“
Wer dieser Tage spontan nach Lüneburg reisen will und eine Übernachtungsmöglichkeit braucht, muss sich auf eine längere Suche einstellen. Denn die Hansestadt ist praktisch ausgebucht – und zwar bis Ende Oktober. Nicht nur Senioren und Familien, auch Radfahrer, Musicalbesucher und Skandinavier haben die pittoreske Stadt für sich entdeckt.
Der Tourismusboom zeichnet sich schon länger ab, das erste Halbjahr 2022 brachte bereits äußerst positive Zahlen bei den touristischen Übernachtungen in Hotels und Pensionen. Laut niedersächsischem Landesamt für Statistik kommt Lüneburg bis Ende Juni an die entsprechenden Zahlen des Jahres 2019 heran.
Lüneburg und Heide ziehen Touristen an - gegen den Trend
Ähnlich wie die nahe gelegene Lüneburger Heide hebt sich die Stadt Lüneburg damit von einem gegenläufigen Trend ab: In vielen Regionen Niedersachsens, wie an der Nordsee und im Harz, gibt es knapp zwei Wochen vor den Herbstferien in Niedersachsen noch viele freie Betten. In Lüneburg dagegen stehen Besucher Schlange in der Tourist-Information, fragen nach Übernachtungsmöglichkeiten, Ausflugszielen, Restaurants und Souvenirs.
153.997 Übernachtungen weist die Statistik für die ersten sechs Monate dieses Jahres aus, allein für Betriebe mit mindestens zehn Betten. 28 Beherbergungsbetriebe mit insgesamt 2529 Schlafgelegenheiten gibt es in der Stadt (Stand 2021), etwa ein Viertel mehr als noch zehn Jahre zuvor. Kleinere Unterkünfte und Privatzimmer sind darin noch nicht enthalten.
Tourismus-Chefin: Nachfrage ist größer als Angebot
„Wir hätten noch mehr Gäste unterbringen können, die Nachfrage war viel größer als das zur Verfügung stehende Angebot“, sagt Judith Peters, Leiterin der Tourist-Information am Rathaus. „Die Gäste entscheiden sich immer kurzfristiger und kommen einfach ohne Buchung zu uns. Leider müssen wir sie dann oft vertrösten.“ Die meisten kauften trotzdem Andenken und buchten eine Stadtführung – pro Tag werden hier bis zu 50 Rundgänge zu verschiedenen Themen angeboten.
Die Stadt sei sehr an der Auslastungsgrenze, sagt Melanie-Gitte Lansmann, Geschäftsführerin der Lüneburg Marketing GmbH, die auch die Tourist-Information betreibt. Um die Touristen dennoch in der Region zu halten, telefonierten die Mitarbeiter derzeit viel, um freie Betten zum Beispiel in Amelinghausen und Bleckede zu finden. „Lüneburg ist ja ideal zwischen der Heide, der Flusslandschaft Elbe und Hamburg gelegen. Damit verbinden wir Natur und Kultur“, sagt Lansmann. Grundsätzlich wolle man die Region in Zukunft noch besser im Blick haben und Kooperationen ausbauen. Damit soll auch gestärkt werden, was sich jetzt schon abzeichne: Tendenziell blieben die Besucher länger in der Stadt als noch vor einigen Jahren.
Junge Menschen entdecken ihre Heimat als Reiseziel
Durch die Pandemie sind Ziele innerhalb Deutschland generell stärker ins Blickfeld der Reisenden gerückt. Lüneburg profitiere von diesem Trend, sagt Lansmann. „Vor allem junge Leute entdecken ihre Heimat, auch weil das Reisen zu nahe gelegenen Zielen mit einem geringeren CO2-Fußabdruck verbunden ist.“ Zugleich legten etliche Besucher aus dem Ausland einen Stopp in der Hansestadt ein, zum Beispiel Niederländer, Dänen und Schweden. Auch Radfahrer und Familien zählen laut Lansmann zu den neuen Zielgruppen, für die die Stadt künftig noch attraktiver werden soll. Dabei gehe es nicht allein um Übernachtungsgäste, betont sie. Auch Tagestouristen seien ein Gewinn. „Sie beleben die Stadtatmosphäre, gehen einkaufen, ins Café oder Restaurant und kaufen Souvenirs.“
Lüneburg habe von dem Trend zum Deutschlandtourismus deutlich profitiert, bestätigt Jörg Laser, Geschäftsführer des Hotel Einzigartig am Stintmarkt. Das sei besonders von Mai an zu spüren gewesen, seitdem war die Entwicklung im Hotel auf oder sogar leicht über den sehr guten Werten des Jahres 2019. Auch die Verweildauer habe sich erhöht, so der Hotelchef. „Häufiger bleiben die Gäste jetzt drei bis fünf Tage in der Stadt, vereinzelt sogar sieben Tage. Lüneburg wird dabei auch als Standort für Ausflüge in der Region und nach Hamburg genutzt.“
Typischer Lüneburg-Tourist ist 50 plus – hinzu kommen neue Zielgruppen
Unter den Hotelgästen sei weiterhin die für Lüneburg typische Altersgruppe 50 plus gut vertreten. „In den vergangenen Jahren haben aber auch Familien mit Kindern Lüneburg entdeckt und festgestellt, dass es eine große Vielfalt von Attraktionen und Aktivitäten gibt, die sich auch bei unterschiedlichen Interessen in der Familie zu einem interessanten Aufenthalt kombinieren lassen“, sagt Laser. Lüneburg sei zudem Zwischenstation für Skandinavier, Süddeutsche und Schweizer auf dem Weg in den Süden oder an die Küste geworden.
Die kurzfristigen Buchungen bringen jedoch neue Herausforderungen mit sich. So sei die betriebliche Planung, insbesondere der Einsatz des Personals, schwieriger geworden, sagt Laser. Im Moment sind die Buchungskalender zwar gut gefüllt, dies gilt jedoch noch nicht für die kommenden Monate. November und Dezember seien derzeit noch sehr schwach gebucht, sagt der Einzigartig-Chef. „Insbesondere für die Weihnachtszeit ist dies völlig unüblich. Normalerweise sind hier Vorbuchungszeiten von sechs bis neun Monate häufig.“ Es werde zudem wesentlich häufiger kurzfristig storniert. Als Hauptgrund werde Corona genannt.
Hotels verzeichnen viele kurzfristige Buchungen, das erschwert die Planung
Eine sehr gute Buchungslage hat auch das Hotel Bremer Hof zwischen Rathaus und Stint im Sommer verzeichnet. Sowohl die älteren Gäste seien nach Corona wieder wie üblich angereist, als auch etwas mehr jüngere Touristen, sagt Thomas Brakel, Inhaber des 100-Betten-Hauses.
Er beobachten auch eine leichte Tendenz zu längeren Aufenthalten von bis zu fünf Tagen. Ungünstig sei derzeit, dass viele Gastronomen in der Stadt ihr Angebot tageweise eingeschränkt haben. „Aber die Gäste schlucken das zum Glück.“
Hotelier befürchtet Zurückhaltung im Winter wegen steigender Energiepreise
Auch im Hotel Anno 1433 und im Altstadt Gästehaus Drewes Wale sind die Gästezahlen im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit gestiegen. Es werde jedoch kurzfristiger gebucht und sehr stark auf die Stornierungsbedingungen geachtet, sagt Inhaber und Geschäftsführer Marc Blancke. Gemeinsam mit Christopher Weckler betreibt er auch das Hotel Wyndberg, das erst im Sommer 2020 eröffnet hat. Neben den typischen Best-Agern buchen bei ihm auch viele Familien, Freundesgruppen und Skandinavier auf Durchreise. Im Durchschnitt bleiben die Besucher 2,2 Nächte für einen typischen Städtetrip.
Trotz der derzeit guten Besucherzahlen – dem Hotelier machen die aktuellen Entwicklungen Sorgen. „Unsere Herausforderungen für den Winter sind nun die steigenden Energiepreise und eine mögliche Reisezurückhaltung bei den Gästen aufgrund der höheren Abschlagszahlungen zu Hause“, sagt Blancke. „Davor haben wir sehr großen Respekt.“