Hamburg. Öffentliche WCs sind im Hamburger Süden derzeit nicht für jeden zugänglich. Die Bezirkspolitik ist empört. Der Betreiber erklärt.

In der Innenstadt von Harburg gibt es gleich mehrere hochmoderne Toilettencontainer. Doch seit einigen Monaten sind die geschlossenen Kabinen am Harburger Rathausplatz und am Herbert-Wehner-Platz nur noch mit Kreditkarte zu öffnen. Dadurch werden ganze Nutzergruppen ausgeschlossen. Die Stadtreinigung möchte nun mindestens wieder die EC-Kartenzahlung zulassen. Die Politik fordert kostenlose Toiletten für alle.

Mehrfach hatten Leserinnen und Leser sich zuletzt darüber beschwert, dass der Zugang zu den öffentlichen WC-Containern am Harburger Rathausplatz und auf dem Herbert-Wehner-Platz nur noch mit Kreditkarte möglich sei. Einer von denen, die das empört ist der Harburger Sören Hansen. „Eine EC-Karte haben fast alle Bürger, aber viele haben keine Kreditkarte oder führen sie nicht ständig mit sich“, sagt Hansen. Er findet: „Öffentliche Toiletten müssten gänzlich kostenlos sein.“ Bisher war die Nutzung des Pissoirs kostenlos. Wer die selbstreinigende Toilettenkabine nutzen wollte, musste bezahlen.

Toiletten in Harburg: Nutzung nur mit Kreditkarte?

Eine Leserin machte darauf aufmerksam, dass dieser Zustand die Frauen benachteiligen würde. „Und durch die Abschaffung des Bargeldeinwurfs werden ganze Gruppen von der Nutzung der WC-Anlage ausgeschlossen. Das ist ein Skandal“, sagt sie. „Obdachlose, Menschen im Hartz IV-Bezug oder mit einer negativen Schufa erhalten nicht einmal eine Kreditkarte“, so die Harburgerin.

Die für den Betrieb der öffentlichen Toilettenanlage zuständige Stadtreinigung Hamburg bittet um Verständnis. „Grundsätzlich sind unsere kostenpflichtigen Toiletten durch Münz- oder Kartenzahlung erreichbar“, erklärt Andree Möller, Sprecher der Stadtreinigung. „In Harburg hatten wir allerdings jeden Monat Vandalismusschäden an den Münzeinwürfen und Diebstähle der Geldkassetten. Die Reparaturkosten überstiegen die Einnahmen bei weitem und durch die Wartezeiten auf Ersatzteile und Reparaturen waren die Toiletten oft außer Betrieb.“

Harburg hat eine negative Sonderrolle erhalten

So habe Harburg eine negative Sonderrolle erhalten. „Wir haben uns im letzten Jahr schweren Herzens entschlossen, für die Toiletten am Harburger Rathaus und am Herbert-Wehner-Platz nur noch die Kartenzahlung zu ermöglichen. Es werden aber alle Karten akzeptiert“, erklärt Möller auf Nachfrage. Ein Selbsttest vor Ort bestätigte allerdings die Leser-Hinweise: Kein Zugang mit EC-Karte, die Kontrolllampen blieben auf Rot. „Grundsätzlich sollen alle Karten, auch berührungslos, funktionieren und wir haben das in der Vergangenheit auch in Harburg erfolgreich getestet“, sagt die Stadtreinigung. „Der Betrieb dieser Terminals läuft über den Errichter der Anlage. Diesen haben wir heute mit der Prüfung und Reparatur beauftragt. Wir hoffen, dass die Reparatur umgehend durchgeführt wird.“

Zudem wird die Stadtreinigung die Beschriftung der Zahlungseinheit überprüfen, denn bisher deutet nichts auf die Möglichkeit einer Zahlung mit der klassischen EC-Karte hin. Eine nachvollziehbare Beschreibung, gibt es bisher nicht.

Toilettenfrage beschäftigt Harburgs Bezirkspolitik

Die Toilettenfrage beschäftigt in der nächsten Sitzung der Bezirksversammlung nun auch Harburgs Bezirkspolitik. Die Bezirksfraktionen bereiten einen interfraktionellen Antrag vor. Ziel: Alle Toiletten im Bezirk sollen kostenlos zugänglich werden. Dass dies möglich wäre, bestätigt die Stadtreinigung: „Die Anlage am Außenmühlenteich haben wir im Oktober 2021 auf kostenfrei umgestellt. Dies ist zusammen mit anderen Automatiktoiletten im Stadtgebiet einhergegangen.“

„Unter anderem das Management der Harburg Arcarden beschwert sich, dass Toiletten im Center von Obdachlosen für die Körperpflege genutzt werden“, sagt CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer. „Durch den eingeschränkten Zugang nur mit Kreditkarte bei den städtischen Toiletten, stehen diese dieser Personengruppe nicht mehr zur Verfügung. Damit werden diese Menschen in die Center verdrängt und ein gesellschaftliches Problem auf die Schultern privater Unternehmen abgeladen“, empört sich der CDU-Mann. „Dass Frauen bezahlen müssen, um ihr kleines Geschäft zu erledigen und Männer nicht, geht überhaupt nicht.“

Toiletten in Harburg: Zugang nur mit Kreditkarte?

In die gleiche Kerbe hauen auch die Grünen. „Die Geschlechtergerechtigkeit muss auch auf öffentlichen Toiletten hergestellt werden“, sagt die Grünen Fraktionsvorsitzende Bianca Blomenkamp, am Rand des Harburg Empfangs. „Wir werden die kostenlose Toilettennutzung in Harburg beschließen, über die Fraktionsgrenzen hinweg“, sagt Frank Richter, Vorsitzender der SPD-Fraktion. „Dies habe aber nur einen empfehlenden Charakter, deshalb werden wir das Thema auch unserer Hamburger Bürgerschaftsfraktion zutragen“.

Die Fraktionen waren durch die Abendblatt-Recherchen überrascht worden. „Dass öffentliche Toiletten in Harburg nur mit Kreditkarte benutzbar sind, war uns bisher nicht bekannt,“ fasst Jörn Lohmann, Fraktionsvorsitzender der Linken, zusammen. Dieser Zustand sei unhaltbar und müsse dringend geändert werden. Es sei absolut unverständlich, dass die Stadtreinigung eine derartige Maßnahme überhaupt eingeführt habe, die besonders Kinder und Empfänger von Sozialleistungen diskriminieren würde und einen Toilettenbesuch für sie unmöglich mache.

„Nur ein kleiner Teil der Menschen besitzt nämlich eine Kreditkarte, und nicht alle können sich überhaupt eine zulegen“ so Lohmann. „Und Frauen werden noch besonders benachteiligt, da das Pissoir für Männer kostenfrei ist“, so Lohmann abschließend. Der gemeinsame Dringlichkeitsantrag zur kostenlosen Nutzung der öffentlichen Toiletten lag bis zum Redaktionsschluss am Sonntagabend noch nicht vor, er wird aber Dienstag in die Sitzung der Bezirksversammlung eingebracht und erhält aller Voraussicht nach, eine große Zustimmung.

Die Hoffnung der Bezirkspolitik sei ebenfalls, das Problem mit dem Wildpinkeln am Rathausplatz in den Griff zu bekommen und so die Hygienesituation zu verbessern. Denn bereits jetzt ist die Toilette am Harburger Rathaus nach Auskunft der Stadtreinigung die am dritthäufigsten genutzte Container-Toilette, mit rund 340.000 Toilettengängen seit Errichtung im April 2017.