Harburg. Klimawandel setzt den Fichten zu. Buche bleibt die beste Wahl und lässt den Erholungswald weiter gut aussehen.
Der trockene Sommer hat Pflanzen und Flüssen stark zugesetzt. Doch dem Harburger Wald ist wenig anzumerken. Er habe die Trockenheit recht gut überstanden, sagen die beiden Förster Gido Hollmichel (Revierförsterei Hausbruch) undArne Schulz (Revierförsterei Eißendorf). Dennoch hinterlässt der Klimawandel mit seinen Wetterextremen auch in den Waldgebieten im Bezirk Harburg Spuren. Die diesjährigen Frühjahrsstürme fällten massenhaft Fichten und rüttelten an den Kronen der noch stehenden Bäume. Wenige Monate später leidet der Wald monatelang unter Trockenstress.
„Schauen Sie sich diesen Fichtenstumpf an: Der Sturm hat den Stamm verdreht, der dann zerborsten ist“, sagt Hollmichel auf einer Rundfahrt durch seinen Wald. Die Fichte sei durch die Stürme im Februar am meisten betroffen gewesen, generell das Nadelholz. Denn die Laubhölzer trugen noch keine Blätter und leisteten weniger Windwiderstand. Seit 1990 betreut Hamburgs dienstältester Förster den Staatsforst südlich der B 73 zwischen Bostelbek und Neugraben. „Als ich 1990 hier angefangen habe, hatten wir noch einen Nadelholzanteil von mehr 80 Prozent. Heute wachsen auf mehr als 50 Prozent der Waldfläche Buchen.“
Wenn der Sturm erst einmal ein Loch gerissen hat, ist dies ein Einfallstor für Borkenkäfer
Auch 1990 habe er mit Stürmen zu tun gehabt, damals sorgten die Orkane Vivian und Wiebke für reichlich Schadholz. 1992 habe es noch einmal einen sehr stürmischen Februar gegeben. Aber seitdem seien erst in diesem Jahr wieder große Sturmschäden aufgetreten, sagt der Förster. Wenn der Sturm in einen Fichtenbestand erst einmal ein Loch gerissen hat, ist dies ein Einfallstor für Borkenkäfer. Sie schädigen weitere Bäume, die dann kränkeln und dem nächsten Sturm zum Opfer fallen. Wind und Käfer schaukeln sich gegenseitig auf, sagt Hollmichel. Deshalb müsse das Fichtenholz möglichst schnell aus den Flächen geholt werden.
Die größte Harburger Schadfläche liegt im Eißendorfer Forst. Dort wächst ein monotoner Fichtenbestand auf einer einstigen Bundeswehrfläche. Sie diente als Übungsgebiet für die ehemalige Heimfelder Kaserne und wurde forstlich nicht genutzt. Vor rund 20 Jahren kaufte die Stadt dem Bund das Areal ab. Da nie ausgelichtet wurde, stehen die Fichten viel zu dicht und werden instabil, wenn Wind und Käfer erste Lücken gerissen haben.
Im Frühjahr schlugen die Stürme eine große Schneise in den Wald. Es entstand ein Kahlschlag mit nun mehr nacktem Boden – „das ist kein Waldbau, den man will“, sagt Schulz. Noch stehenden Fichten geht es augenscheinlich ebenfalls nicht gut. Zudem mag die Baumart keine hohen Temperaturen und Sonne am Stamm. Hollmichel geht davon aus, dass sich die Fichte allmählich aus den Harburger Bergen verabschieden wird.
„Die Baumart, auf die wir am stärksten setzen, ist nach wie vor die Buche“
„Die Baumart, auf die wir am stärksten setzen, ist nach wie vor die Buche“, sagt Hollmichel. Anders als die Fichte ist sie hier heimisch und sollte deshalb besonders robust sein. Allerdings verschiebt die Erderwärmung die natürlichen, an das örtliche Klima angepassten Lebensräume der einzelnen Baumarten nach Norden. Die Förster hoffen, dass die Buchen den Wandel ertragen werden. Zumindest die nächsten 30, 40 Jahre – „was in 100 Jahren sein wird“, weiß kein Mensch, sagt Hollmichel. Das bringt die Forstwirtschaft in ein Dilemma. Denn anders als in der Landwirtschaft vergehen – je nach Baumart – 60 bis 140 Jahre, bis ein Baum „geerntet“ werden kann. Bei der Stieleiche liegt die Umtriebszeit sogar bei 180 bis 300 Jahren. Von Natur aus würden in den Harburger Forsten weit überwiegend Buchen wachsen. Sie vermehren sich redlich, verstärkt durch Pflanzungen unter Nadelbäumen. Dort dienen sie als Schattenspender für Fichten, Lärchen, Kiefern und den Waldboden. Ein reiner Buchenwald sei jedoch auch nicht erstrebenswert, sagt Schulz: „Wir brauchen eine Vielfalt an Baumarten, die ihrerseits die biologische Vielfalt erhöht.“ Viele Tier- und Pflanzenarten brauchten bestimmte Bäume, so Schulz. Die aktuellen waldbaulichen Empfehlungen der Wissenschaft lauten nach wie vor, einen gesunden Mischwald aus vorwiegend einheimischen Gehölzen anzustreben, sagt Hollmichel.
Es gebe keinen Anlass, hektisch auf die Veränderungen zu reagieren, sagt er. Dennoch experimentieren die Förster behutsam mit „neuen“ Baumarten wie der Weißtanne und pflanzen weitere Douglasien. Der nordamerikanische Nadelbaum ist standfester und kann Trockenheit recht gut vertragen. Aber solche „Experimentiergehölze“ dürfen höchstens zu 20 Prozent gepflanzt werden. Das verlangt das Öko-Label FSC, das alle Hamburger Wälder tragen.
Zeichen von Trockenstress
Echte Sorgen würden die Förster bekommen, wenn die Rotbuche verstärkt anfinge zu schwächeln. So ganz perfekt stehen die Bäume nicht mehr da. Licht fällt durch die Kronen. Die Krone einer kerngesunden Buche lässt kein Licht durch. Hollmichel läuft in einen Bestand mit 100-jährigen Buchen. Eine von ihnen stirbt gerade ab, nur noch wenige Blätter sind am kahlen Geäst zu erspähen. „Wir wissen nicht, warum dieser Baum stirbt“, sagt der Förster. „Äußerlich ist keine Ursache wie Krankheit oder Pilzbefall zu erkennen. Ich hoffe, er bleibt ein Einzelfall.“
Arne Schulz hat beobachtet, dass einige Buchen bereits noch grüne Blätter abwerfen. Das sei ein Zeichen von Trockenstress, denn damit verringern die Bäume die Verdunstungsoberfläche. Am Wegesrand haben einige Ebereschen mit gelbem Laub verfrüht den Herbst eingeläutet. „Sie werden sich erholen“, sagt Hollmichel. „Die Eberesche ist kein Wirtschaftsbaum, aber eine wichtige Nahrungsquelle für die Vogelwelt.“ Auch wenn es nur vereinzelt sichtbare Trockenheitsschäden gab, habe er aufgeatmet, als es jetzt im September endlich länger geregnet hat.
„Wir laufen den Ereignissen hinterher“, sagt der Förster. Kollege Schulz will im kommenden Winter die Windwurf-Schneise im Eißendorfer Forst neu bepflanzen. Am Rand der Fläche gibt es einen kleinen Bereich, in dem der Wind bereits vor einigen Jahren zugeschlagen hatte. Hier wächst ein junger Mischwald. Eingezäunt, damit er nicht zu Rehfutter wird.
Die kahle Schadfläche sei unschön, aber „sie bietet uns jetzt die Chance, gegenzusteuern, etwas auszuprobieren“, sagt Schulz. Um die Jungbäume vor Wildverbiss zu schützen, muss er auch hier einen Zaun ziehen. „Es wird Tore geben, aber die müssen verschlossen sein. Sonst wird das hier zur Freilauffläche für Hunde, die ihren Besitzern nicht gehorchen. Die werden gern in umzäunten Flächen von der Leine gelassen.“ Nächstes Problem: Durch das Areal führt ein Weg. „Es gibt Menschen, die Zäune durchschneiden, damit sie ihre gewohnte Strecke laufen können“. Wahrscheinlich werde deshalb nur die Fläche an einer Wegseite umzäunt, so Schulz. Nicht nur der Klimawandel hält die Förster in Atem.