Heimfeld. Mit Beginn des neuen Schuljahres hat das Friedrich-Ebert-Gymnasium zwei Jungen- zu Unisex-Toiletten umgebaut. Wie das bei Schülern ankommt.
Das Friedrich-Ebert-Gymnasium in Heimfeld hat zum Start des neuen Schuljahres die Geschlechtertrennung auf zwei Toiletten aufgehoben. Schon nach zwei Wochen kommt das Projekt Unisex-Toiletten auch bei jenen Schülerinnen und Schüler gut an, die vorher skeptisch waren. Der SchülerInnenrat hatte die Initiative ergriffen.
Schülerinnen und Schüler haben es zum Start in ein neues Schuljahr wirklich nicht leicht. Ein neuer Stundenplan, vielleicht ein neuer Klassenraum und neue Lehrkräfte, an die man sich gewöhnen muss – schön, wenn es zumindest eine Konstante gibt. Eine dieser Konstanten war, so seltsam es auch klingen mag, die Schultoilette. Eigentlich von allen gehasst, war sie nach den Ferien meist neu gestrichen und nach wenigen Tagen wieder ein Sehnsuchtsort, wie Schülerinnen und Schüler ihn am liebsten haben: bekritzelte Wände, Aufkleber und vor allem ein Rückzugsraum, geradezu so etwas wie das soziale Zentrum einer jeden Penne.
Neben der Tür hängt das untypische Geschlechtersymbol
Doch die Jungen am Friedrich-Ebert-Gymnasium erlebten nach den Sommerferien etwas Ungewöhnliches. Die Jungentoiletten waren mit einer neuen Schwingtür zu den Urinalen, einem Plakat und einem neuen Piktogramm eingenommen worden. „Toilette für alle“, steht jetzt an den Türen der zwei ehemaligen Jungentoiletten, und an der Wand neben der Tür hängt das untypische Geschlechtersymbol. Seit den Sommerferien ein Piktogramm, das sich nicht entscheiden kann, ob es männlich oder weiblich ist.
Dies sorgte in der Schülerschaft zunächst für Unruhe. Die Mädchen kicherten, so mancher Junge nahm minutenlange Toilettengänge in Kauf. Doch jetzt zwei Wochen nach Schulbeginn, ist die Skepsis verflogen. Die Schülerinnen und Schüler haben verstanden, dass sie etwas bewegen können und einige sogar etwas an Wohlbefinden hinzugewonnen haben. Nämlich diejenigen Schülerinnen und Schüler, die sich bisher nicht entscheiden konnten, welche Toilette für sie die Richtige ist.
Artikel in der Schülerzeitung „Die Glocke“ gab den Startschuss
Alles begann mit einem Artikel in der Schülerzeitung „Die Glocke“ im Januar 2021. Hier veröffentlichte Chefredakteurin Janne Brüggemann einen emotionalen Leitartikel zum Thema: „Geschlechterneutrale Toiletten – einfach und notwendig“. Sie habe gelesen, dass es in Berlin eine erste Schule mit geschlechterneutralen Toiletten gebe, in vielen Ämtern und anderen Bereichen gebe es gar keine geschlechtergetrennten Toiletten mehr. Dies sei doch eine gute Idee auch für das Friedrich-Ebert-Gymnasium und dazu noch einfach umzusetzen.
„Ich hasse es, in der Schule auf Toilette zu gehen. Werde ich komisch angeguckt, fühle ich mich unwohl, werde ich nicht komisch angeguckt, fühle ich mich ebenfalls unwohl, da die Menschen dann wohl denken, ich sei ein Mädchen. Ich würde mich deutlich wohler fühlen, wenn wir Toiletten hätten, die nicht gleich dein Geschlecht aussagen. Und ich bin mir sehr sicher, dass es vielen anderen auch so geht“, schreib die mittlerweile 17-Jährige weiter.
SchülerInnen-Rat erarbeitete einen Antrag für die Schulkonferenz
Ein Artikel, der auch Schulleiter Jörg Isenbeck bewegte und von vielen Lehrern gelesen wurde. Er sorgte für Diskussionen an der Schule und schließlich zeigte der Schulleiter seiner Schülerschaft einen demokratischen Weg auf, wie auf dem FEG eine solche Toilette umgesetzt werden könne. Der SchülerInnen-Rat des Friedrich-Ebert-Gymnasiums übernahm die Initiative, erarbeitete einen Antrag für die Schulkonferenz. „Auf Toilette zu gehen, ist ein Grundbedürfnis der Menschen. Doch auf welche Toiletten gehen Menschen mit einer nicht-binären Geschlechtsidentität, also Menschen, die weder männlich noch weiblich sind?“, heißt es in dem Antrag. Die Forderung: „Wir wollen bei uns an der Schule offene Toiletten für alle, Unisextoiletten.“
Zweimal wurde der Antrag im Kreise der Schülerinnen und Schüler diskutiert und schließlich mit überzeugender Mehrheit verabschiedet. In der Schulkonferenz kam es im April 2021 zum Show-down. Schülerinnen, Schüler und Elternrat diskutierten und räumten Vorurteile aus, auch hier wurde der Antrag positiv beschieden. „Wir haben mehr als 850 Schülerinnen und Schüler am Ebert, mit unterschiedlichsten sozialen, kulturellen und religiösen Erfahrungen – das nötigt uns Toleranz ab“, sagt Schulleiter Jörg Isenbeck im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt. „Die gleiche Toleranz haben auch die Lernenden verdient, die sich in ihrem biologisch oder soziologisch zugeschriebenen Geschlecht nicht wohl fühlen“, erklärt er eine Unterstützung für die Initiative aus der Schülerschaft.
Mit der Umsetzung habe es gedauert, weil die Handwerker die nötigen Umbauten nicht früher hätten umsetzen können. In den Sommerferien 2022 wurden auch die kleineren baulichen Hürden überwunden und neue Kabinenwände eingezogen, sowie eine Tür als Abgrenzung zu den Pinkelbecken eingebaut. Das Ganze war ein Aufwand von wenigen hundert Euro, der aus dem pädagogischen Etat bezahlt wurde. „Wir mussten ja bereits bestehende Toiletten lediglich etwas umbauen und nicht neu bauen“, so Isenbeck.
Auch weiterhin gibt es ausreichend geschlechterspezifische Toiletten
Man habe sich vorher mit den Schülern und Schülerinnen verständigt, welche Toiletten umgebaut werden sollten und welche die besten Voraussetzungen haben. Dass es jetzt zwei ehemalige Jungentoiletten getroffen habe, sei Zufall. „Wir haben aber auch noch ausreichend geschlechterspezifische Toiletten“, versichert der Schulleiter. Jeder könne ohne blöde Fragen die Unisextoiletten nutzen und alle hätten durch die Umwidmung gewonnen.
Bei den Schülerinnen und Schülern des Friedrich-Ebert-Gymnasiums kommen die Toiletten mittlerweile gut an. „Manchmal war es in den Pausen auf den Mädchentoiletten total voll, während auf den Jungs-Klos die Kabinen nicht genutzt wurden“, sagt etwa die 15-jährige Luisa. Dies habe sich gebessert. Auch die Jungs zeigen sich zufrieden. Das Ebert-Gymnasium ist damit zu einem Trendsetter geworden, denn auch die Schulbehörde unterstützt diesen Ansatz vor allem bei Neubauten.
Ebert-Gymnasium ist damit zu einem Trendsetter geworden
„Schulen, die sogenannte Hamburger Klassenhäuser bekommen, entscheiden sich in der Regel für die Unisex-Variante. Daher wird die Unisex-Toilette inzwischen bei Neu- und Erweiterungsbauten auch als Architektur-Standard angeboten. Seit 2021 sind sie explizit Bestandteil der Leistungsbeschreibung Bau für staatliche Schulen der Stadt. Alle Anlagen haben getrennte Kabinen, auf Pissoirs wird dabei verzichtet“, teilte Peter Albrecht, Pressesprecher der Schulbehörde auf Abendblatt-Anfrage mit.
Janna Brüggemann und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler sind jedenfalls zufrieden. „Der Erfolg habe gezeigt, dass man binnendemokratisch in der Schule einiges umsetzen kann und Vorurteilen mit Argumenten erfolgreich entgegentreten kann“, sagt die Schülerin der zwölften Jahrgangsstufe.
Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass auf dem Ebert-Gymnasium Unisex-Toiletten entstanden sind. Bereits Anfang 2020, wenn auch nur für einige Tage in den Ferien, nutze „Fridays for Future“ einen Flügel der Schule als Schlafraum. Dafür wurden die Toiletten im 1. Stock für alle geöffnet. Im Erdgeschoss gab es eine FINTA* (Female, Inter, Non-binary, Trans, Agender)- und eine MINTA* (Male, Inter, Non-Binary, Trans, Agender)-Toilette.