Harburg. Das Umspannwerk Harburg am Rande des Binnenhafens bekommt Hightech-Schaltanlage – ein Rundgang durchs Werk
Alt und neu als architektonischer Kontrast ist ein Merkmal des Harburger Binnenhafens. An seinem „Seiteneingang“, am Aufgang der Fußgängerunterführung von der Neuen Straße zur Harburger Schloßstraße, steht ein Gebäude, das diesen Kontrast verkörpert: das Umspannwerk Harburg, erbaut 1961 bis 1964. Das Industriedenkmal im laufendem Betrieb erhält gerade ein neues, hochmodernes Herzstück, eine neue Schaltanlage. Direkt daneben wurde das Bürogebäude (Baujahr 1999/2000) modernisiert. Seit einigen Wochen arbeiten hier die etwa 100 Mitarbeiter des Regionalstandorts Süd von Stromnetz Hamburg.
Das Umspannwerk ist 60 Jahre alt, doch der Standort hat eine noch längere Geschichte. Darauf weist ein Schild an der Backsteinwand des Gebäudes hin: Städtisches Elektrizitätswerk Harburg. Das erste Kraftwerk wurde hier 1901 erbaut und lief bis 1943. Es versorgte vor allem die florierenden Industriebetriebe im Harburger Hafen (heute Binnenhafen). 1951 ging ein neu erbautes Heizkraftwerk in Betrieb und lief bis 1995. Es hat vorwiegend Industriedampf hergestellt. Abgerissen wurde es erst 2003. „Bei Bauarbeiten sind wir beim Bodenaushub kürzlich mal wieder auf Reste des alten Kraftwerks gestoßen“, sagt Patrick Frieber, Projektleiter für die gerade laufenden Modernisierungen der Umspannwerke in Barmbek, Bahrenfeld und Harburg.
Umspannwerke werden meist mit großen, frei stehenden Anlagen verbunden
Umspannwerke werden meist mit großen, frei stehenden Anlagen verbunden, so wie an der Waltershofer Straße. Dort wird die Höchstspannung der Überlandleitungen (meist 380.000 Volt) herunter transformiert auf 110.000 Volt. Dieses Umspannungswerk Süd in Altenwerder wird vom Unternehmen 50 Hertz versorgt, einer der vier großen Betreiber der „Stromautobahnen“ in Deutschland. Von dort fließt der Strom ins Hamburger Netz, zu den verbrauchernahen Umspannwerken, die die Spannung weiter auf 10.000 Volt reduzieren. 55 von ihnen gibt es in der Stadt – eines an der Harburger Schloßstraße. Es versorgt das Kerngebiet Harburg inklusive Binnenhafen. Mehr als 35.000 Haushalte und 7000 Betriebe.
Nicht nur das Gebäude, auch die gesamte Anlagentechnik steht unter Denkmalschutz. Vier Hochspannungsstränge versorgen das Werk, zwei aus Neuland, zwei aus Neuhof. Wenn eine Zuleitung ausfällt, kann die andere übernehmen und den Betrieb sicherstellen. Der 110.000-Volt-Strom wird – farblich unterschieden – im obersten Stockwerk in einer großen Halle in acht sogenannten Sammelschienen sortiert. Rote Geländer verhindern, dass sich Mitarbeiter den spannungsgeladenen Stromleitungen nähern. Die Geländer sollten nicht berührt werden, denn sie könnten unter Spannung stehen. Hier arbeitet die Technik der 1960er Jahre. Das gilt auch für die Anlagen im darunter liegenden Stockwerk. Dort stehen hüfthohe, zwei bis drei Meter lange Schalter. Jeweils drei Schalter bilden eines von acht Schaltfeldern, die die gesamte Fläche einnehmen. Sie sind mit Öl gefüllt, das Funken löscht, die beim Ein- oder Ausschaltvorgang bei diesem Spannungsniveau entstehen.
Sammelschienen und Schalter bilden das Herzstück
Sammelschienen und Schalter bilden zusammen das Herzstück des Umspannwerks, die Schaltanlage. Die alte Technik geht demnächst in den Ruhestand, auch, weil es für Stromnetz Hamburg immer schwieriger wird, Ersatzteile zu beschaffen. Die Nachfolgerin steht im darunter liegenden Stockwerk fast schon bereit, eine sogenannte gasisolierte Hochspannungsschaltanlage. Im Vergleich zur Vorgängerin wirkt sie fast zierlich, füllt höchstens ein Drittel des Raumes. „Sie soll im kommenden Jahr in Betrieb gehen“, sagt Frieber und berührt das Gehäuse. Hier herrscht keine Gefahr, die 110.000-Volt sind sicher eingekapselt.
Der Strom fließt von dort in einen der drei Transformatoren, die die Spannung zum Weitertransport auf 10.000 Volt senken. Sie befinden sich in der Außenwand des Umspannwerks und sind vom Durchgang der Schloßstraße zur Blohmstraße zu sehen. Von hier aus geht es weiter zu sogenannten Netzstationen, die im Harburger Stadtgebiet verteilt sind. Dort wird die Spannung auf die haushaltsüblichen 400 beziehungsweise 230 Volt reduziert und landet schließlich über die Verteilerschränke bei den Hausanschlüssen.
Anders als bei den Überlandleitungen bilden sich in der Umgebung des Umspannwerks keine elektromagnetischen Felder, die eine Gesundheitsgefahr darstellen könnten. So wurde vor gut 20 Jahren auf dem Grundstück ein Bürogebäude errichtet. Bislang war es vermietet, zuletzt an Harburg-Freudenberger Maschinenbau. Seit das Unternehmen im Herbst 2020 seinen neuen Standort an der Schlachthofstraße bezog, standen die Büros leer. „Im Oktober 2020 haben wir begonnen, die Büros zu modernisieren“, sagt Tomasz Lisowski, Projektleiter für Großprojekte bei Stromnetz Hamburg. Im Frühsommer zogen die rund 100 Mitarbeiter des Regionalstandorts Süd dort ein – das alte Bürogebäude in der Hörstener Straße ist so stark modernisierungsbedürftig, dass ein Umzug an die Harburger Schloßstraße nahelag.
Räumlichkeiten vom Electrum werden derzeit modernisiert
„Unsere Regionalstandorte dienen hauptsächlich der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Netzes“, sagt Lisowski. „Hier arbeiten 25 Monteure zur Beseitigung von Störungen. Auch nachts sind immer Mitarbeiter einsatzbereit.“ Gegenüber des Bürogebäudes gibt es eine Metallwerkstatt und ein Lager mit gängigem Material und Ersatzteilen. Zwischen den Gebäuden stehen die Firmenwagen – natürlich E-Mobile. Weitere Mitarbeiter des Regionalstandorts sind an Schreibtischen im Einsatz, etwa zur Planung von eigenen Baustellen oder zur Abstimmung von fremden Erdarbeiten, die Stromleitungen berühren.
Im Untergeschoss des Gebäudes, am Aufgang der Fußgängerunterführung, wurden auch die Räumlichkeiten vom Electrum modernisiert. Das „Museum der Elektrizität“ zeigt „Hamburgs größte Ausstellung elektrischer und technischer Geräte“, so steht es auf dem Website electrum-hamburg.de. Derzeit werden die Exponate wieder aufgebaut; im Oktober wird es wieder geöffnet sein.