Wilhelmsburg. Mein perfekter Ferientag: Über Deiche und Schleusen, an Flüssen und Kanälen lassen sich viele Aspekte der Elbinsel erkunden.
Mein Tipp für einen perfekten Ferientag führt nicht aufs Land, sondern mitten in die Stadt – auch wenn es hier an vielen Stellen gar nicht so aussieht: Die Elbinsel Wilhelmsburg hat viele Facetten und vor allem ist sie nicht nur von Wasser umgeben, sondern auch von Wasserläufen durchzogen. Einige davon erradeln wir uns an diesem perfekten Tag.
Das Schöne an dieser Tour: Es ist eine Runde, die man an vielen Punkten beginnen und von dort durchfahren kann, je nachdem, von wo man nach Wilhelmsburg kommt. Von Süden kann man an der alten Harburger Elbbrücke einsteigen oder, wie ich, in Stillhorn am Radweg entlang der Autobahnbrücke. Von Süderelbe aus kann man über die Kattwyk und Neuhof am Reiherstieg Hauptdeich starten. Vom alten Elbtunnel her an der Fährstraße oder von der Veddel am Aßmannkanal oder schließlich mit Startpunkt S-Bahn Wilhelmsburg am Inselpark.
Mehrere Ausgangspunkte bieten sich für die Rundtour an
Ich starte, wie gesagt, an der Autobahn. Dieser Weg über die Elbe ist nicht schön, aber die Anfahrt über Neuland oder Over schon. Kaum über die Autobahnbrücke am Deich angekommen, geht es nach links auf den Stillhorner Hauptdeich, der bald Moorwerder Hauptdeich heißt. Ungefähr an der Stelle, wo die Namen wechseln, gibt es den ersten Grund, gleich wieder anzuhalten und zu Fuß abzuschweifen: Auf der anderen Seite des Deiches liegt ein verwunschener Tide-Auenwald, das Heuckenlock. Ein kleiner Rundweg führt hindurch.
Zurück im Sattel, geht es weiter ostwärts – bis es nicht mehr geht. Am Leuchtturm an der Bunthäuser Spitze endet die Insel. Hier teilen sich Norderelbe und Süderelbe. Die letzten paar hundert Meter zum Leuchtturm sollte man besser schieben. Der Weg ist schmal und auch bei Fußgängern beliebt.
An der Bunthäuser Spitze teilen sich Norder- und Süderelbe
Danach geht es auf dem Moorwerder Hauptdeich entlang der Norderelbe westwärts, bis wir links in den Moorwerder Norderdeich einbiegen können. Dem folgen wir zum Stillhorner Weg und zum Einlagedeich. Diese alten Deiche, die heute nur noch die zweite Hochwasser-Schutzlinie bilden, sind interessanter als die neuen Hauptdeiche, da sie besiedelt sind und man hier die dörflichen Strukturen erkennt. Am Ende des Einlagedeichs geht es kurz links auf den Hauptdeich und gleich wieder links auf den Goetjensorter Deich. Zwischen den Gemüseäckern sieht man relativ viele Pferdekoppeln. Die Landwirte in Wilhelmsburg waren einst berühmte Traberzüchter.
Auf dem Goetjensorter Deich und dem Jenerseitedeich geht es über die Autobahn zur Kirchdorfer Straße. Auf der wird kurz nach links gefahren und dann rechts in die Schönenfelder Straße – wenn man nicht vorher beim Griechen an dieser Ecke einkehrt. Auf der Schönenfelder Straße gelangen wir zur Wilhelmsburger Windmühle Johanna, einem prachtvollen und gut restaurierten Galerie-Holländer, der auch für sich schon einen Ausflug wert ist.
Die Wilhelmsburger Windmühle Johanna ist Pflichtprogramm
Etwas weiter an der Schönenfelder Straße, gegenüber der Hausnummer 51, führt eine Brücke über die Wilhelmsburger Dove-Elbe. Darüber werden die Fahrräder geschoben und auf der anderen Seite wird nach links weitergeradelt, entlang der „Hövelpromenade“, mit Blick auf schicke Ufergärten und den Wilhelmsburger Jachtclub. Nach einem kleinen Schlenker am Sportplatz – Vorwärts 93 Ost, „Festung Rahmwerder Straße“ – wird es anstrengend: Die Fahrräder müssen über Treppen auf die Eisenbahnbrücke und auf der anderen Seite wieder heruntergebracht werden. Es gibt Führungsschienen zum Schieben, aber die sind einen Tick zu nah am Geländer.
Wieder unten, geht es rechts weiter unter der Bahn hindurch auf den Vogelhüttendeich. Wir kommen vom ländlichen ins urbane Wilhelmsburg. Hier kommt alsbald die nächste Einkehr-Versuchung: Der Biergarten „Zum Anleger“ mit Bratwurst, Bier und Bootsverleih. Von dort aus radeln wir über den Aßmannkanal und biegen links ab, um durch die Kleingärten dem Kanal zu folgen, einer von drei parallelen Wasserstraßen, mit denen die Insel einst für Industrie und Gewerbe erschlossen wurde.
Heute ist der Aßmannkanal ein beliebtes Paddel- und Ruder-Revier. Nach den Kleingärten geht es weiter am Kanal entlang bis zur Rotenhäuser Straße. Auf der Rotenhäuser Straße geht es westwärts, die Georg-Wilhelm-Straße querend, zur Weimarer Straße. In die wird rechts abgebogen. Wenig später weitet sie sich zu einem kleinen Platz. Wir haben uns ein Eis verdient, und zum Glück gibt es hier den Wilhelmsburger Eisdealer mit einer feinen Auswahl.
Neue Nutzung für alten Bunker an der Neuhöfer Straße
Auf der Ostseite des Platzes geht es in die Grünanlage und in dieser gleich links, nordwärts Richtung Energiebunker. Nach Jahrzehnten erfolglosen Nachdenkens, wie man den brachialen Betonklotz aus dem Weltkrieg wegbekommen könnte, hat sich die Stadt entschieden, ihn für die Energiewende zu nutzen. Solarpaneele auf der sonnigen Südseite, ein Fernwärmespeicher im Innern und diverse andere technische Einrichtungen sind dafür installiert. Von oben hat man einen der schönsten Blicke auf Hamburg.
Am Bunker biegen wir links auf die Neuhöfer Straße, dann rechts auf die Veringstraße ab. Dies ist der Boulevard der Elbinsel, gesäumt von Geschäften und Lokalen. Jedes Lokal für sich lohnt die Einkehr. Besonders beliebt bei den Wilhelmsburgern ist der kleine Italiener „Don Matteo“, Liebhaber des Überbackenen können im „Vollmundig“ Käse-Fäden ziehen und das portugiesische „O Atlantico“ ist ebenfalls ein beliebter Anlaufpunkt. Kebab, Shawarma, Falafel und Burger gibt es in einem Dutzend weiterer hervorragender Lokale.
Über den Vogelhüttendeich geht es in das Reiherstiegviertel
Mit wässrigem Mund radeln wir auf der Veringstraße nordwärts bis zur Fährstraße und biegen rechts in diese ein. Gleich hinter der Buch- und Weinhandlung liegt die Kismet-Bäckerei. Durch eine Fensterluke kann man hier die besten Simit – krosse Sesamkringel – weit und breit erwerben und sollte dies nicht verpassen. Zusammen mit Wein und Pausenliteratur aus der Handlung nebenan, kann man sich hier Picknickproviant, beispielsweise für einen romantischen Sonnenuntergang am Reiherstiegknie zusammenstellen.
Über die Dierksstraße geht es auf den Vogelhüttendeich und auf diesem westwärts bis zur Mokrystraße. Wir befinden uns in „dem“ Reiherstiegviertel, von dem geredet wird, wenn man von der „Aufwertung“ Wilhelmsburgs durch akademischen Zuzug spricht. Hier gibt’s sogar Craft Beer im Eckladen.
Das Kulturzentrum Honigfabrik liegt an der Industriestraße
Links über die Mokrystraße geht es zur Industriestraße, Heimat des Kulturzentrums „Honigfabrik“. Kurz vor der „Hofa“ wird links abgebogen. Wir blicken den Veringkanal entlang. Einst eine Industrie-Arterie wird er seit Jahrzehnten zum „Kulturkanal“ gewandelt. Anlieger, wie die Honigfabrik, die Puhst-Höfe, die Zinnwerke oder das Pizzaclubtechnorestaurant „TurTur“ tragen dazu bei. Am Veringkanal verfällt auch die Halle, die Regisseur Fatih Akin einst als Drehort für „Soul Kitchen“ diente.
Wir folgen dem Kanal bis zum Gert-Schwämmle-Weg und queren ihn hier. Danach queren wir die Industriestraße und folgen dem Weg bis zur Straße „Bei der Wollkämmerei“. Dieser Lkw-Rennstrecke müssen wir leider ein paar hundert Meter nach rechts folgen, bis wir links in den Reiherstieg-Hauptdeich einbiegen können. Über den geht es zum „Reiherstieg-Knie“ mit Blick in den Rethe-Hafen. Ein exzellenter Picknick-Ort. Weiter geht es von dort über die neue Brücke an der Alten Schleuse und in Richtung Georg-Wilhelm-Straße. Auf der anderen Seite der Georg-Wilhelm-Straße nutzen wir den breiten Eingang in den Inselpark und radeln bis zum Rathaus.
Über das ehemalige IBA- und Gartenschau-Gelände
Vor dem Rathaus fahren wir auf die Mengestraße, bewundern das Bürgerhaus und die Ursula-Falke-Terrassen, und biegen gleich wieder in die Straße am Inselpark ein. Dem Hauptweg durch den Park, vor den Sport- und Schwimmhallen, folgen wir über das ehemalige IBA- und Gartenschau-Gelände bis zum Hauland. Dort überqueren wir die ehemalige Wilhelmsburger Reichsstraße, die an dieser Stelle schon massiv begrünt wird. Wir folgen der Trasse am Kükenbracksweg bis zur Kornweide, die wir parallel zur Wettern – für Zugereiste: Haupt-Entwässerungsgraben – unterqueren.
Heraus kommt der Radweg am König-Georg-Deich, wo man die Elbinsel über die Harburger Elbbrücke verlassen kann. Das ist eine sehr schöne Brücke, aber wer den Kreis der Runde schließen möchte, muss noch etwas weiter: Über den König-Georg-Deich und den König-Georg-Weg zum Finkenrieker Hauptdeich. Schon durch die Kombination aus Elbbadestrand außendeichs und Großfriedhof binnendeichs ist Finkenriek ein sehenswerter Ort. Am Ende sind wir wieder an der Autobahn. Wenn wir die auf der Wasserseite unterqueren, sind wir auch wieder am Ausgangspunkt.
Tipps für sehenswerte Abstecher und Kulturveranstaltungen
Die Runde ist knapp 30 Kilometer lang, für Erwachsene also eigentlich eine Halb-Tages-Tour. Mit Genießerstopps für Gegend und Gastronomie oder Abstechern zu Zielen abseits der Runde – etwa zur Kirchdorfer Dorfkirche, zum Kinderbauernhof, auf die Veddel oder zum Wasserturm – wird ein super Tag daraus.
Kombinieren kann man die Runde auch mit Kulturereignissen: Am kommenden Wochenende zum Beispiel steigt das Honig-Fabrik-Jazz-Festival und gleichzeitig am Reiherstieg das Dockville-Festival. An jedem ersten Sonntag im Monat findet der Kulturflohmarkt „FlohZinn“ in den Zinnwerken am Veringhof statt. Ebenfalls am ersten Sonntag im Monat soll an der Windmühle ein Backtag mit Mühlenführungen stattfinden. Abweichungen sind allerdings möglich.