Marmstorf. Im Appelbütteler Tal trainiert die Rettungshundestaffel Hamburg jedes Wochenende das Aufspüren von Vermissten

Sonntagmorgen im Appelbütteler Tal: Während weiter unten in Marmstorf die Kirche ihre Gemeindemitglieder mit sonorem Glockenklang zum Gottesdienst hereinholt, hört man im Wald abseits des Appelbütteler Weges aufgeregtes Hundegebell: Gleich geht es los. Das wissen die Tiere. Das sonntägliche Training ist ihr Wochenhöhepunkt. Sie sind – oder werden – Rettungshunde. Hier in Appelbüttel übt die Rettungshundestaffel Hamburg die Suche nach vermissten Personen, im Fachjargon „VP“. Die Staffel ist auf Flächensuche spezialisiert. Das heißt: Ihre Hunde haben zunächst keine Spur des gesuchten Menschen, der sie folgen könnten, sondern müssen sich kreuz und quer durch den Wald schnüffeln, bis sie eine Witterung aufnehmen.

Lana ist als nächstes dran. Einst haben ihre Besitzer die ehemalige bulgarische Straßenhündin davor bewahrt, vom Hundefänger getötet zu werden und sie nach Deutschland geholt. Dass sie mit Menschen nicht nur gute Erfahrungen gemacht hat, ist ihr anzumerken, denn dass heute besonders viele Zweibeiner dabei sind, macht sie sichtlich nervös.

Metin Hakverdi informiert sich über die Arbeit der Staffel

Die Trainingsgruppe hat Besuch: Metin Hakverdi, Bundestagsabgeordneter und selbst ehrenamtlich aktiver Katastrophenschützer, informiert sich über die Arbeit der Staffel.

Jadoo prescht voraus ins Suchgebiet. Frauchen Martina kommt nach, so schnell sie kann.
Jadoo prescht voraus ins Suchgebiet. Frauchen Martina kommt nach, so schnell sie kann. © xl | Lars Hansen

Das tangiert Lana nicht. Sie will los. Erst einmal legt ihr ihr Herrchen und Hundeführer Karsten Füllgrapp allerdings den GPS-Sender an. So einen hat nicht jeder Hund, denn die Ausrüstung müssen die Hundeführerinnen und Hundeführer selbst kaufen – und das Hunde-GPS ist eine teure Angelegenheit. Jetzt kann es losgehen. Lana trottet in die Richtung, in die Füllgrapp gezeigt hat. Das Herrchen folgt in einigem Abstand. Das ist nicht immer einfach, denn Lana ist schon etwas älter und sucht zwar mit Engagement aber nicht in Hochgeschwindigkeit. Immer wieder muss Füllgrapp stehenbleiben, damit er die Suche nicht stört. „Jeder Hund ist anders“, sagt die Staffel-Vorsitzende Barbara Weiß, „bei einigen kommen die Besitzer kaum hinterher. Aber letztlich kommt es drauf an, die VPs zu finden, und das schaffen alle unsere geprüften Hunde.“ Das gilt auch für Lana. Als erstes spürt sie Barbara Weiß‘ Ehemann Wolfgang auf, etwas später auch den zweiten Vermisstendarsteller. Der hatte sich in einer Senke unter Farnkraut versteckt. Das ist für die Hunde besonders schwierig, vor allem heute. Kein Wind treibt ihnen die Witterung in die Nase, die hohe Luftfeuchtigkeit drückt die Gerüche nach unten, so dass sie aus einer Senke kaum aufsteigen. „Am schlimmsten ist Schnee“, sagt Barbara Weiß.

Hündin läuft auf Frauchen zu und holt sie ab

Die „Vermissten“ können sich kurz strecken, dann müssen sie vorerst ein letztes Mal in ihre Verstecke. Jetzt kommt Jadoo, gefolgt von Frauchen Martina Füllgrapp. Karsten und Martina sind nicht nur Herrchen und Frauchen im selben Rettungshundeverein, sondern auch Mann und Frau in der selben Ehe. Jadoo ist die zweite Hündin der Füllgrapps. Und sie ist ein echter Beweis dafür, dass die Hunde verschieden sind: Jadoo flitzt und prescht vor, Martina Füllgrapp folgt, so gut sie kann. Am Startpunkt gibt sie ihrer Hündin noch einmal die Suchrichtung vor, dann zischt Jadoo ab.

Wenig später hat sie Wolfgang Weiß gefunden. Die Hündin läuft auf Frauchen zu und holt sie ab. Jetzt wird die Hundeführerin vom Hund geführt, und zwar zum Objekt der Suche.

Karsten Füllgrapp legt Hündin Lana den GPS-Sender an
Karsten Füllgrapp legt Hündin Lana den GPS-Sender an © xl | Lars Hansen

„Im Einsatz ist neben dem Hundeführer noch ein Helfer mit im Gelände, der Teile der Ausrüstung trägt. Der Helfer kümmert sich vorrangig um die aufgefundene Person, der Hundeführer vorrangig um den Hund, der nach einer längeren Suche auch mal erschöpft sein kann und mindestens Wasser braucht.“

Vermisster musste von einem anderen Hund noch einmal gesucht werden

Karsten Füllgrapp hat es einmal im Einsatz erlebt, dass ein Hund so erschöpft von der Suche zurückkam, dass er den Hundeführer nicht mehr zur Fundstelle führen konnte. Der Vermisste musste von einem anderen Hund noch einmal gesucht werden, wenn auch in einem kleineren Gebiet. Seitdem haben Füllgrapps für Lana und Jadoo die GPS-Halsbänder besorgt. „Dann kann man den Laufweg nachvollziehen und findet die Person in so einem Fall schneller“, sagt Karsten Füllgrapp.

Die meisten Hunde hier trainieren in den kommenden Wochen für ihre Prüfung Mitte September. Alle zwei Jahre müssen Flächensuchhunde und ihre Führer erneut ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen. Es gilt dabei, in einer vorgegebenen Zeit drei „VPs“ in einem 50.000 Quadratmeter großen Areal zu finden. Das Prüfungsgelände in diesem Jahr liegt direkt vor den Hamburgern. Sie sind die Gastgeber. Aus ganz Norddeutschland reisen Rettungshundestaffeln an, die im gleichen Dachverband organisiert sind. Der Wald gehört einem Marmstorfer Landwirt. Er stellt ihn gerne zur Verfügung.

Oft muss die Staffel nicht zu Einsätzen ausrücken

Oft muss die Staffel nicht zu Einsätzen ausrücken. Da gibt es andere Vereine und Verbände, deren Hunde mehr zu tun haben. „Uns geht es mehr darum, mit unseren Hunden etwas Sinnvolles einzuüben“, sagt Barbara Weiss. „Aber aus dieser Fähigkeit erwächst natürlich auch die Verpflichtung, zu helfen, wenn die Fähigkeit gebraucht wird“

Ungefähr zweimal pro Jahr rücken die Hunde der Staffel aus und helfen, Vermisste zu suchen. „Diese Manpower und das Training kann eine staatliche Institution gar nicht hauptamtlich vorhalten“, sagt der Bundestagsabgeordnete und THW-Funktionär Metin Hakverdi (SPD), „dazu braucht man das ehrenamtliche Engagement solcher Menschen. Ich finde das sehr wichtig!“

Die erste Suchrunde ist beendet. Die Hunde haben Leckerlis bekommen, ihre Herrchen stärken sich an Kuchen und Getränken. Gleich geht es noch einmal ins Gelände – aber nur für die Anfänger-Hunde, die jetzt noch nicht prüfungsreif sind. Sie werden mit leichten Übungen an ihre zukünftige Aufgabe herangeführt. Es wird warm. Bald ist Mittag.