Harburg. Die „Avontuur“ liegt am Kanalplatz. Anfang September wird sie zur nächsten Reise in die Karibik aufbrechen. Der Eigner hat eine Mission

Am 8. Juli entlud der historische Frachtsegler „Avontuur“ tonnenweise Kaffee am gelben Museumskran im Harburger Binnenhafen – und verschwand wieder. Nach einem Zwischenstopp auf der Behrens-Werft in Finkenwerder ist der Zweimaster zurückgekehrt und wird bis Anfang September am Kanalplatz von Ehrenamtlichen überholt. „Hier ist eine Menge zu tun“, sagt Cornelius Bockermann. Der Kapitän auf großer Fahrt ist Schiffschef und Frachtunternehmer zugleich. Mit seinem Projekt Timbercoast demonstrieren er und sein Team, dass auch heute noch Fracht unter Segeln klimaschonend, ohne Einsatz von fossilen Brennstoffen über die Weltmeere transportiert werden kann.

Mit dem gut 100 Jahre alten Großsegler wird Ware aus Europa über die Kanaren in die Karibik geschippert. Dort wird vor allem Kaffee geladen. 65 bis 70 Tonnen dürfen es sein, dann ist die Luke voll. Eher nebenbei reisen Kakao und Rum nach Hamburg. „Auf der Rückreise sind wir voll bis oben hin. Aber auf der Hinreise können wir noch mehr aufnehmen“, sagt Bockermann.

Freiwillige werkeln im Rumpf und an Deck des Schiffes

Vorerst bleibt die „Avontuur“ in Harburg. Freiwillige werkeln im Rumpf und an Deck des Schiffes, mühen sich gerade am Ankerkasten ab. Dort hat sich die Winde festgesetzt. Bockermann greift zum schweren Hammer und schafft Abhilfe. Zum Gespräch mit dem Abendblatt habe er eigentlich gar keine Zeit, sagt er, nimmt sie sich dann doch und bittet auf einen Kaffee in die Kajüte. „Auch hier wird viel renoviert. Wir bekommen zum Beispiel eine Waschmaschine und neue Kühlschränke.“ Bis zum 22. August soll das Schiff wieder bewohnbar werden. „Dann kommt die Besatzung an Bord und hat eine Woche Zeit für Restarbeiten, bis die Shipmates kommen.“

Eigner und Kapitän Cornelius Bockermann am Ankerkasten des Frachtseglers.
Eigner und Kapitän Cornelius Bockermann am Ankerkasten des Frachtseglers. © Hillmer/HA | Angelika Hillmer

Shipmates sind Helfer, die dafür bezahlen, auf der „Avontuur“ während der Passagen harte Arbeit zu leisten. Wer nur segeln wolle, sei bei ihm nicht richtig, sagt Bockermann. „Die Bewerber müssen körperlich fit sein. Vor allem aber müssen sie unsere Philosophie unterstützen, Fracht unter Segeln klimaschonend von Kontinent zu Kontinent transportieren zu wollen.“ Sie unterstützen nicht nur ideell, sondern auch finanziell. Die komplette Seereise von Hamburg in die Karibik und zurück nach Le Havre kostet 8990 Euro und dauert fast fünf Monate. Das eingenommene Geld ist neben dem Frachtgeschäft das zweite finanzielle Standbein des Projekts Timbercoast. Nachdem sie in Harburg aufgefrischt wurde, wird die „Avontuur“ planmäßig am 5. September auslaufen und dann noch eine Nacht in Hamburg bleiben. Längsseits eines berühmten ehemaligen Frachtseglers: der „Peking“ am Deutschen Hafenmuseum.

Entladen wird auf der Insel Marie-Galante, die zu Guadeloupe gehört

„Ich werde auf der großen Schifffahrtsmesse SMM am 6. September um 10 Uhr einen Vortrag halten. Gleich danach geht’s los auf unsere zehnte Reise“, sagt Bockermann, der seit 2016 mit seinem Schiff im Dienst der Umwelt Waren unter Segeln transportiert. Nach einem kurzen Stopp auf den Nordfriesischen Inseln wird an der bretonischen Küste Wein für die Französischen Antillen geladen – auch die Landsleute in der Ferne genießen gern Wein aus dem Heimatland. Entladen wird auf der Insel Marie-Galante, die zu Guadeloupe gehört. Dort kommt Rum an Bord. Ebenso an der nächsten Station, der Dominikanischen Republik. Und zusätzlich noch Kakao. In Santa Martha (Kolumbien) wird Ende November/Anfang Dezember die Hauptladung an Bord gehievt, zwischen 25 und 40 Tonnen Kaffee. Von dort geht’s weiter nach Miami, um den dominikanischen Rum abzuliefern. Und anschließend über Horta (Azoren) nach Le Havre (Frankreich).

Dort könnte das Schiff um den 24. Januar 2023 herum eintreffen. Hamburg ist in dieser Jahreszeit keine Alternative: „Die Witterung macht es uns schwer, die Nordsee zu befahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass ungünstige Winde wehen, wenn wir am 28. Januar zu unserer elften Reise aufbrechen wollen, ist groß. Anders als die Frachtsegler vor 100 Jahren können wir nicht einfach in der Nordsee kreuzen, sondern müssen zwischen Windparks, Öl- und Gasförderfeldern herumnavigieren“, sagt Bockermann. Erst im Sommer 2023 soll die „Avontuur“ dann wieder Harburg anlaufen.

Leuchtturm, der die Idee von Null-Emissions-Transporten in der Schifffahrt verbreitet

Sein Schiff sei ein Leuchtturm, der die Idee von Null-Emissions-Transporten in der Schifffahrt verbreite, sagt Bockermann. Er hatte gehofft, dass die eine oder andere große Reederei das Thema aufgreift und probeweise einen Linienverkehr mit modernen Frachtseglern bestückt. Da bislang in der Branche niemand so richtig mitmacht, will Bockermann nun in die Offensive gehen: Er plant einen Neubau mit einer Nutzlast von 1100 Tonnen, verpackt in Containern. Bis zu 48 TEU (20-Fuß-Standard-Container) soll der moderne Segler laden können.

„In den Häfen wird mit Containern gearbeitet, da können wir nicht mit unseren Kaffeesäcken kommen, wenn mehr Fracht unter Segeln transportiert werden soll“, sagt der Kapitän. „Der Bedarf an sauberem Seetransport ist riesengroß. Wir haben mehrere Anfragen von Firmen. Aber für größere Chargen, als wir aktuell transportieren können.“ Noch wird an den Plänen für das neue Schiff gefeilt; anschließend muss die Finanzierung stehen. Dazu strebt Bockermann einen oder mehrere Frachtverträge über Transportleistungen für mehrere Jahre an. „Und zwei Firmen haben schon angefragt, ob sie sich an dem Schiff beteiligen können.“