Finkenwerder. „Mein perfekter Ferientag“ – Segler und Autor Axel Tiedemann entführt die Leser auf die Elbe. Auch Nichtsegler können das erleben.

Zugegeben, der Anspruch erscheint etwas hoch: Um schönster Ferientag zu werden, braucht es eben ein paar Zutaten, die perfekt aufeinander abgestimmt sind: Der Wind muss wehen; aber nicht zu doll und dann noch aus der richtigen Richtung. Der Tidenstrom muss auch passen, die ersten Stunden soll die Ebbe ziehen, danach die Flut zurückschieben. Und das Wetter muss sich natürlich schönsterferientagsmäßig zeigen: Sonne? Ja klar! Aber auch nicht zu doll. Und ein paar weiße Wolken muss es geben, die sich so schon schön vom blauen Himmel über der Elbe abzeichnen.

Ist alles so angerichtet, könnte es auch schon losgehen: In meinem ganz persönlichen Fall im Yachthafen Finkenwerder. Die Segel sind dann klar, der Bootsdiesel blubbert vertraulich. Leinen los, Fender eingeholt und schon tuckern wir durch das Hafenbecken, vorbei an der Airbus-Landebahn und den Resten eines alten U-Boot-Bunkers. Auf der Elbe schließlich ein schneller Rundumblick, um Platz fürs Segelsetzen zu haben. Große Schiffe in der Nähe? Wo fahren gerade die Fähren? Rechts breitet sich nun die Hamburger Skyline aus, die Elbphilharmonie glitzert in der Sonne. Gegenüber spazieren die Menschen am Elbufer. Jetzt rasch Großsegel hoch, Fock ausrollen und Motor aus.

Plötzliche Stille, die Segel ziehen, das Wasser gluckst. Der perfekte Moment

Plötzliche Stille, die Segel ziehen, das Wasser gluckst. Der perfekte Moment eines perfekten Tages. Nun noch das Fahrwasser kreuzen und dann parallel zum Ufer Kurs auf Blankenese nehmen, das sich vor der großen Elbebucht Mühlenberger Loch als eine Art Tessin des Nordens präsentiert. Hamburg ist schön, man weiß es, liest es immer wieder und hat sich wohl auch daran gewöhnt. Aber hier mitten auf der Elbe und mit diesem Blick ist es immer wieder etwas Besonderes: Jedes Mal auf Neue versichern wir uns an Bord, dass es kaum eine schönere Seite der Stadt gibt.

Seehunde in der Hahnöfer Binnenelbe  
Seehunde in der Hahnöfer Binnenelbe   © HA | Axel Tiedemann

Mit dem strammen Ebbstrom und Wind von der Seite (halber Wind für Segler) rauschen wir im gemächlichen Joggertempo mit 5 Knoten elbabwärts und passieren bald die weißen Häuser. Hin und wieder zieht ein Dampfer vorbei, sanft schaukeln wir in den Bugwellen. Dicht rauschen wir schließlich am Blankeneser Fähranleger vorbei, von den beiden Restaurants grüßen die Menschen, die dort draußen ebenfalls Wetter und Ausblick genießen. Fast so wie auf einem Boot.

Meeresfeeling kommt auf, wenn wir nun an den Elbstränden vorbeisegeln

Ein wenig Meeresfeeling kommt auf, wenn wir nun an den Elbstränden vorbeisegeln. Hundegebell, Kinderlachen, Rufe schallen herüber. Man sonnt sich dort, spielt Federball, Kinder buddeln im Sand, mancher geht trotz Strömung auch ins Wasser. Für viele dort dürfte es jetzt auch so etwas wie einer der schönsten Ferientage sein. Vergiss den Stau zur Ostsee, wir haben doch die Elbe!

Ganz anders sehen aber die Strände auf der fast vier Kilometer langen Inselkette gegenüber aus, dort ist es menschenleer: Schweinesand, Neßsand und Hanskalbsand sind im Wesentlichen seit 1904 durch Ausbaggerungen von Fahrrinne und Hafenbecken entstanden, immer wieder verändern sie ihr Bild, wuchsen zusammen, formten sich neu oder spalten sich wieder teils ab. Schwarz-Weiß-Fotos aus dem Familienalbum zeigen, wie in den 50er und 60er Jahren Ausflügler mit Faltbooten dorthin paddelten und zelteten. Auch Kindheitserinnerungen aus den 70ern lassen nun Bilder aufkommen, wie wir dort mit Eltern und Freunden hinfuhren und in einer Bucht mit wuchtigen Weidenbäumen Huckleberry-Finn-Abenteuer erlebten. Und das am Rand der Großstadt! Doch damit ist es spätestens seit 2005 vorbei, seitdem gilt auf dem Hamburger Abschnitt strenger Naturschutz; seit 2021 auch auf dem niedersächsischen Teil von Hanskalbsand, wo das Betreten lange wenigstens geduldet war.

An einem kleinen Strandabschnitt im Osten der Inseln darf man noch anlanden

Nur an einem kleinen Strandabschnitt im Osten der Inseln darf man noch anlanden. Merkwürdig, da wird die Elbe immer tiefer gegraben für gigantische Schiffe, die Ströme verändern sich, den Fischen fehlt der Sauerstoff -- aber Segler und Paddler dürfen dieses tolle Eiland vor der eigenen Haustür nicht mehr entdecken. Bevor solche Gedanken aber wie eine aufziehende Gewitterfront im Sommer den Tag versauen, segeln wir weiter und freuen uns eben über die Zeit auf dem Wasser, die noch erlaubt ist. Man braucht dafür im Übrigen gar kein eigenes Boot: Mit seiner Elbsegelei hat Holger Brauns vor einigen Jahren eine Marktlücke entdeckt und bietet vierstündige Mitsegel-Möglichkeiten für Gruppen oder Einzelkunden auf seiner Yacht genau hier in diesem Revier zwischen Hafen und Wedel an. Oder man steigt am Fischmarkt Altona in die kleine Fähre Liinsand und tuckert mit ihr mit Zwischenstopp in Wedel bis Stade und zurück.

Wedel ist bei solchen Törns auch gelegentlich unser Ziel, man macht dann im Yachthafen fest und lässt den Tag im Beachclub (www.28grad.com) ausklingen, der wirklich ein Beachclub ist und nicht nur eine aufgeschüttete Sandfläche im Gewerbegebiet.

Wir ankern hier eine Weile, trinken Kaffee und dösen, während die Tide kippt

Häufiger aber noch, wie eben an diesem schönsten Ferientag, segeln wir um die Inselkette herum in die Hahnöfer Binnenelbe. Nur kleine Boote fahren dort, weil es schnell mal flach werden kann. Oft sieht man hier Seehunde, die sich auf trockengefallenen Wattflächen sonnen. Mit Neuenschleuse gibt es dort auch einen kleinen Yachthafen und mit dem Möwennest (www.café-altes-land.de) auf dem Deich direkt daneben ein wundervolles Café, das auch ohne Boot ein lohnendes Ziel ist, um diesen beschaulichen Abschnitt der Elbe zu entdecken.

Wir aber ankern hier eine Weile, trinken Kaffee und dösen ein wenig, während die Tide kippt. Das Boot dreht sich nun um den Anker, weil die Flut einsetzt. Erst wenig, dann mit mächtigem Zug, der seit der letzten Elbvertiefung noch heftiger geworden ist, wie alle hier sagen, die auf dem Wasser unterwegs sind. Rasch steigt nun in der Hahnöfer Binnenelbe der Pegel, bald schon reicht die Tiefe wieder, um zwischen Inseln und dem Alten Land zurück zu segeln. An Steuerbordseite, also rechts, passieren wir schließlich die Gefängnisinsel Hahnöfersand. Bei der zerstörerischen Cäcillienflut 1412 ist sie vermutlich entstanden, wurde lange vor dem Klimawandel regelrecht vom Land abgetrennt. Ab 1903 wurde sie dann mit Baggergut aus dem Hafen aufgeschüttet, seit 1911 ist sie Hamburger Gefängnisinsel, die meisten Jahre für jugendliche Straftäter. 2026 will Hamburg die Strafanstalt nach Billwerder verlagern. Die Gemeinde Jork würde dann daraus am liebsten ein „touristisches Leuchtturmprojekt“ samt Hotel und kleinem Yachthafen machen. Doch daraus wird wohl nix, weil Hamburg als Eigentümerin auf der heutigen Halbinsel lieber auch Naturausgleichsflächen schaffen will. Sei`s drum. Wir müssen heute im engen Fahrwasser aufpassen, dass wir nicht auflaufen.

Bei ablaufendem Wasser und Ebbe eine fatale Sache

Bei ablaufendem Wasser und Ebbe eine fatale Sache, weil man dann Gefahr läuft, hoch und schräg ein paar Stunden auf dem Schlick trockenzufallen. Heute aber ist ja der schönste Ferientag und damit herrschen perfekte Bedingungen und wir können mit Flut und Wind durchs Mühlenberger Loch zurück zum Hauptfahrwasser und wieder nach Finkenwerder segeln. An einem solchen Tag gelingt dann das Anlegemanöver auch noch ohne Schrammen.

Bald sind die Segel geborgen, alles ist aufgeklart und nun Zeit für einen Weißwein als Sundowner, der aus dem tatsächlich funktionierenden Bordkühlschrank kommt. Diesmal stimmt eben alles für den schönsten Ferientag. Aber eigentlich muss es gar nicht immer so perfekt sein. Lass den Wind doch wehen, wie er will. Lass es auch mal wolkenverhangenen sein oder falsch strömen. Wir haben zum Glück ja hier noch viele andere Sommertage, um dieses Paradies vor der Haustür erleben zu können.

Jeder Tag ist dann anders – aber eben auf seine Art auch schön.

Die „Elbsegelei“ bietet „maritime Abenteuer“ auf der Elbe und legt in der Regel zu Törns zwischen Hamburg und Wedel ab. Für Einzelpersonen oder auch für Gruppen, Segelerfahrung ist nicht notwendig. Vier Stunden dauert der klassische Trip dabei, der sich natürlich wie immer auf der Elbe auch nach der Tide richtet. Termine und Preise: www.elbsegelei.de

Boots-Charter: Wer zwar einen Sportbootführerschein See besitzt, aber kein eigenes Boot, kann sich bei der Firma Thalmann Motorboote leihen, ab 170 Euro pro Tag. Vom Firmensitz am Moorfleeter Deich zu den hier beschriebenen Elbinseln muss man durch den Hafen fahren und hat damit eine private Hafenrundfahrt gleich mitgebucht. Infos: www.thalmann-boote.de

Elbetörn mit der Liinsand: 50 Passagiere und 15 Fahrräder passen auf die kleine Katamaran-Fähre Liinsand, die zwischen Stade, Twielenfleth, Wedel-Schulau und Altona pendelt und damit auch ohne eigenes Boot die Möglichkeit bietet, Strände und Inseln der Elbe zu erleben. Infos, Preise und Abfahrtzeiten: www.elblinien.com

Bootsfeeling ohne Boot: Hier hat man wenigstens das Gefühl mitten auf der Elbe zu sein: „Ponton Op’n Bulln“ (www. Pontonopnbulln.de) heißt das legendäre Bistro am Fähranleger Blankenese. Man sitzt praktisch neben dem Schiffsverkehr und hat fantastische Sicht auf Inseln, Strände und die Mühlenberger Bucht. Geöffnet ist Montag bis Sonntag von 10 bis 21 Uhr. Vom südlichen Elbufer ist der Ponton per Fähre von Cranz zu erreichen, allein das ist ein Ausflug wert. (www.hadag.de)