Neugraben-Fischbek. Baugebiet Königswiesen soll besonders nachhaltig geplant werden. Kritik der Linken: Das verhindert Sozialwohnungen.
Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hat es am Mittwoch in ein Sofortprogramm gegossen: Der Gebäudesektor muss nachhaltiger, vor allem klimafreundlicher werden. Vorab hatte es die Bezirksversammlung Harburg längst beschlossen, zumindest für ein kleines Fleckchen Fischbek: Das Baugebiet Königswiesen, letzter Abschnitt des Neubaugebietes Vogelkamp, soll möglichst ökologisch gestaltet werden.
45.000 Quadratmeter nördlich von Bahnhof und S-Bahn-Gleisen
Für das gut 45.000 Quadratmeter große Stück an der Nordseite von Bahnhof und S-Bahn-Gleisen wird ein eigener Bebauungsplan aufgestellt und für diesen ein städtebaulicher Wettbewerb veranstaltet. Auf Antrag der Grünen und mit der Mehrheit der Abgeordneten beschloss die Bezirksversammlung, dass ökologisches Bauen darin eine wichtige Wettbewerbsbedingung ist. Kritik kam nur von den Linken: Durch teures Öko-Bauen verhindere man, dass Sozialwohnungen entstehen, protestierte der Linken-Fraktionsvorsitzende Jörn Lohmann.
„NF 75“ ist die noch nicht einmal offiziell vergebene Bebauungsplannummer für die Königswiesen. Das Gebiet besteht aus einem 50 Meter breiten Pfeifenstiel, der sich vom Bahnhof Neugraben etwa 600 Meter in Richtung Westen zieht, und dann auf das Gelände der ehemaligen Wohnunterkunft „Aschenland 1“ trifft. Sie wurde bürgervertragsgemäß abgebaut und wirkt im Grundstücksbild wie besagter Pfeifenkopf.
Wegen der Nähe zur Bahn gibt es im Süden eher Gewerbeobjekte
Gewerbe und Wohnen sollen sich in NF 75 mischen – zu welchen Anteilen, ist noch offen. Wegen der Schallemissionen der Bahn ist es wahrscheinlich, dass an der Südgrenze des Gebiets eher Gewerbe als Wohnen verwirklicht wird; und wegen der angrenzenden Vogelkamp-Baufelder ist es wahrscheinlich, dass auf dem ehemaligen Unterkunftsgelände lockere Wohnbebauung entsteht. Dagegen spräche allerdings der Ökologie-Gedanke, der auch den Flächenverbrauch pro Wohneinheit im Hinterkopf hat.
Laut Beschluss der Bezirksversammlung sollen die Wettbewerbsteilnehmer darauf achten, dass der Energiebedarf der Gebäude während ihrer Lebenszeit ebenso minimiert wird wie der Verbrauch der „grauen Energie“ – also der Energie, die zum Bauen selbst oder zum Herstellen der Materialien benötigt wird. „Ebenso ist im Wettbewerb auf umweltschonende und nachhaltige Bau-, Dämm- und Verblendmaterialien sowie auf den Aspekt der Klimaanpassung beispielsweise durch Gebäudebegrünung Wert zu legen“, heißt es in dem Beschluss. Gebaut und gedämmt werden soll mit Holz, Zellulose, Hanf oder Pilzwurzelfilzplatten.
Steigende Gaspreise machen sich auch in der Zementherstellung bemerkbar
„Viel zu teuer“, wettert Jörn Lohmann von den Linken. „Wir haben jetzt schon einen Rückstand im Sozialwohnungsbauprogramm, da Bauherren zögern, die in ihren Projekten zugesagten Sozialwohnungen zu bauen, weil sie sich in ihren Augen nicht rechnen.“ Britta Ost von der Grünen-Fraktion war beim Verfassen des Antrags federführend. Sie glaubt nicht, dass durch Öko-Auflagen sozialer Wohnungsbau verhindert wird. „Die Mehrkosten durch ökologisches Bauen lassen sich derzeit nicht seriös errechnen, da auch die konventionellen Baukosten stark in Bewegung sind“, sagt sie.
In der Tat: Die erhöhten Gaspreise machen sich auch in der Zementherstellung bemerkbar und verteuern Mörtel und Beton. Auch Stahlbewehrungen werden teurer. Selbst Holz macht riesige Preissprünge – und das nicht erst, seit man keines mehr aus Russland importieren kann.
Wer ökologisch bauen will, muss ständig Pionierleistungen erbringen
Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der das ökologische Bauen teuer macht: Wer immer das Bestmögliche verwirklichen will, muss ständig Pionierleistungen erbringen oder teuer beauftragen, weiß Matthias Korff. Er hat bei der Bauausstellung in Wilhelmsburg den Massivholz-„Woodcube“ erstellt, in dem sich seine Wohnung und Firma befinden. Zudem saniert er unweit der Königswiesen die Röttiger-Kaserne und macht daraus die „Fischbeker Höfe“. Den alten Kasernen-Dachstuhl recycelt Korff gerade zu einem neuen Gebäude auf dem alten Kasernenhof, dazu lässt er die Balken zu Bohlen zersägen. Sie werden die Außenwand des Hauses bilden.
„Dämmwirkung von natürlichem Massivholz wird unterschätzt“
„Allein das ist schon teure Arbeit“, sagt er, „aber es ist nachhaltiger, als wenn ich weit entfernt Holz schlagen lassen und hierherbringen lassen würde. Dazu kommt, dass es Normen und Vorschriften für jeden Aspekt des Bauens gibt, aber kaum Erfahrung mit natürlichem Massivholz. Dessen Dämmwirkung wird unterschätzt, so dass noch unnötig teure Dämmung dazu verlangt wird.“
Wenn man allerdings die Faktoren Zeit und laufende Wohnkosten mit berechne, sei ökologisches Bauen gar nicht mehr so viel teurer als konventionelles. „Die meisten Investoren planen aber nicht gern langfristig, das ist das Problem“, sagt Korff.