Harburg. Drei von zehn Nominierten für den Hamburger Buchhandlungspreis liegen südlich der Elbe. Hier gibt es aber nicht nur gute Literatur

Ist der Hamburger Süden kulturelles Ödland? Keineswegs, weiß jeder, der sich etwas damit auskennt. Auch bei der Kulturbehörde ist das angekommen: Drei der zehn inhabergeführten Buchhandlungen, die die Behörde jetzt in die engere Auswahl – neudeutsch: Shortlist – für den Hamburger Buchhandlungspreis genommen hat, kommen aus dem Hamburger Süden.

Und weil es in Finkenwerder, Harburg, Heimfeld, Neugraben und Wilhelmsburg überhaupt nur noch fünf solch kleiner Buchhandlungen gibt, heißt das: 60 Prozent der Buchhandlungen aus der Region sind nominiert. Von den gut 55 Buchhandlungen nördlich der Elbe haben es sieben auf die Liste geschafft. Dort liegt die Exzellenzquote selbst aufgerundet bei nur 13 Prozent.

Nominierten sind in Harburg, Neugraben und Wilhelmsburg ansässig

Beim Buchladen Bettina Meyer in Neugraben, der Buchhandlung Lüdemann in Wilhelmsburg und der Harburger Buchhandlung am Sand ist man stolz – nicht nur auf sich, sondern auch auf die Kolleginnen und Kollegen. „Das lenkt hoffentlich mal den Hamburger Blick auf die Qualitäten im Süden“, sagt Katja Cebulla vom Team der Buchhandlung am Sand.

Für keine der drei Buchhandlungen ist dies die erste Nominierung für den erst sein 2014 im Zwei-Jahres-Rhythmus vergebenen Preis der Kulturbehörde, gemeinsam standen sie aber noch nie auf der Shortlist. „Eigentlich haben es alle inhabergeführten Buchhandlungen verdient, nominiert zu werden“, sagt Bettina Meyer vom Buchladen in Neugraben, „weil wir alle ähnlich arbeiten: Die Kunden, die ins Geschäft kommen, wollen Beratung. Und darauf verstehen wir uns in den kleinen Buchhandlungen. Wir haben es oft gut im Gefühl, welches Buch zu wem passt.“

Bettina Meyer kam als Kundin, heute leitet sie die Buchhandlung

Bettina Meyer kam vor Jahrzehnten als Kundin in die Neugrabener Buchhandlung. Die damalige Inhaberin erkannte ihre Lesewut und ihr Talent und überredete sie, bei ihr anzufangen. Mittlerweile hat Bettina Meyer das Geschäft übernommen. „Es ist hier auch sehr einfach, nett zu den Menschen zu sein, weil wir hier so tolle Kunden haben“, sagt sie. „Das sorgt immer für eine schöne Stimmung im Geschäft.“

Bettina Meyer hat vor ihrem kleinen Neugrabener Buchladen Tisch und Stühle aufgestellt, damit man vor der Tür gemütlich warten und lesen kann.
Bettina Meyer hat vor ihrem kleinen Neugrabener Buchladen Tisch und Stühle aufgestellt, damit man vor der Tür gemütlich warten und lesen kann. © AT | Axel Tiedemann

In Harburg, am Sand, hat sich die Buchhandlung noch etwas ganz anderes einfallen lassen, damit sich die Kundinnen und Kunden entspannen und wohlfühlen können: „Wir haben seit kurzem einen kleinen Café-Bereich im Verkaufsraum“, sagt Katja Cebulla. „Das hat die Stimmung im Geschäft merklich geändert. Die, die vor oder nach dem Kauf hier Kaffee trinken, nehmen sich mehr Zeit für ihren Besuch und vergessen die Hektik.“

In Wilhelmsburg kann man parallel Wein verkosten und kaufen

Auch in der Wilhelmsburger Buchhandlung Lüdemann geht es nicht nur um den Lesegenuss: Schon immer hat Inhaber Detlef „Bede“ Lüdemann hier auch Wein verkauft und verkosten lassen. Lüdemann beobachtet mit Freude, dass wieder mehr gelesen wird und dass man merkt, dass Menschen über Dinge, die sie im Inneren bewegen, lesen wollen.

„Derzeit ist es viel über die Ukraine und Russland“, sagt er, „aber bis zum Krieg waren es viele Bücher, die sich – ob nun literarisch oder als Sachbuch – mit feministischen Fragen oder mit rassistischer Ausgrenzung beschäftigt haben. Vor allem die jüngeren Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburger lesen wieder mehr.“

Preisvergabe am 3. September am Ende der „Langen Nacht der Literatur“

Theoretisch ist es sogar möglich, dass alle Nominierten aus dem Süden Hamburgs den Preis erhalten: 2022 werden erstmals gleich drei Buchhandlungen geehrt. Welche drei das sind, wird zum Ausklang der „Langen Nacht der Literatur“ am 3. September in der Hamburger Kunsthalle verkündet. Das Preisgeld gebrauchen können sie alle: „Reich wird man als Buchhändler nicht“, sagt Bettina Meyer, „es gehört viel Idealismus zum Beruf.“