Harburg. Die Hamburger Innen- und Verkehrsbehörde lehnen drei Beschlüsse der Bezirksversammlung ab. Gesetzesänderung gefordert.

Heimfelder Straße, Rehrstieg, Neugrabener Bahnhofstraße. Gleich mit drei Beschlüssen, auf Hauptstraßen Tempo 30 einzurichten, ist die Bezirksversammlung Harburg und damit die rot-grüne Koalition, auf deren Anträge die Beschlüsse zurückgingen, bei den zuständigen Fachbehörden abgeblitzt. Die Innenbehörde lehnte rigoros, die Verkehrsbehörde mit Bedauern ab. Beide verwiesen auf Zwänge der Straßenverkehrsordnung. Zumindest die Grünen wollen das so nicht hinnehmen.

Leistungsfähigkeit des Verkehrsnetzes muss erhalten bleiben

Will Rot-grün etwa flächendeckend Tempo 30 im Bezirk einführen? Keineswegs, sagt der Grünen-Bezirksabgeordnete Fabian Klabunde, der immerhin als Verkehrswende-Hardliner gilt: „Die Leistungsfähigkeit des Verkehrsnetzes muss erhalten bleiben. Aber das absolute Tabu von Tempo 30 auf Hauptstraßen ist nicht mehr zeitgemäß und wird in anderen Bundesländern auch anders gehandhabt.“

Paragraf 45 der Straßenverkehrsordnung legt fest, dass Kommunen Tempo-30-Zonen und Tempo-30-Strecken anordnen können – allerdings mit Einschränkungen: Tempo-30-Zonen dürfen keine „Straßen übergeordneter Bedeutung“, sprich: Hauptstraßen, beinhalten. Innerhalb einer Tempo-30 Zone kann es keine Vorfahrtsstraßen geben. Auf Vorfahrtsstraßen oder Abschnitten davon kann eine „Tempo-30-Strecke“ angeordnet werden, allerdings nur dort, wo es „zwingend erforderlich“ ist. Das ist vor Kindertagesstätten, Schulen und Altenwohnanlagen in der Regel der Fall; an allen anderen Stellen ist das nicht so einfach. Die Hamburger Interpretation ist, dass es auf einem Straßenabschnitt eine Unfallhäufung geben muss, um Tempo 30 zu rechtfertigen.

Andere Bundesländer legen die Straßenverkehrsordnung weniger eng aus

„Wir sind selbst nicht glücklich damit“, sagt Dennis Heinert, Pressesprecher der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende. „Aber unsere rechtliche Einschätzung ist, dass wir die Straßenverkehrsordnung so eng auslegen müssen. Dass Bundesländer wie Berlin und Baden-Württemberg dies anders auslegen, ist unser Meinung nach zwar verkehrspolitisch sinnvoll, aber rechtlich nicht gedeckt. Es gibt deshalb bereits eine Initiative von Städten, die Straßenverkehrsordnung in diesem Punkt zu ändern-- und wir unterstützen das.“

Eines der Argumente für die Beibehalten von Tempo 50 auf Hauptstraßen ist die Befürchtung, dass diese dann ihre Attraktivität als Sammelstraßen verlieren und es zu Ausweichverkehren in die seit langem bestehenden Tempo-30-Zonen kommen könnte. „Es gibt eine Studie des Umwelt-Bundesamtes, die dies – und andere gegen die Ausweitung von Tempo 30 auf Hauptstraßen vorgebrachte Argumente – widerlegt“, sagt Fabian Klabunde. „Auf einer Tempo-30-Strecke kann man beispielsweise die Vorfahrtsprivilegien beibehalten. So bleibt die Straße für den Durchgangsverkehr attraktiv.“

Für die Heimfelder Straße gab es schon Vorstöße Richtung Tempo 30

Für die Heimfelder Straße ist es nicht das erste Mal, dass ein Vorstoß in Richtung Tempo 30 gescheitert ist. Es gab bereits vor sechs Jahren eine Initiative von Anwohnern im dünner besiedelten Westteil der Straße, die sich durch den Verkehr in ihrer Ruhe gestört fühlten. „Unser Beschluss hatte aber im Wesentlichen den ersten Abschnitt der Heimfelder Straße sowie den Alten Postweg im Visier“, sagt Klabunde. „Hier herrscht dichte Mietshausbebauung vor und es gibt viel Fußgängerverkehr in Richtung TUHH.“

Die Ablehnung für die Heimfelder Straße kam nicht nur von den Behörden, sondern auch von der Hamburger Hochbahn AG. Sie befürchtet, die gut eingeführte Buslinie 142 könne an Attraktivität verlieren. Zudem müsse man zusätzliche Busse kaufen und Fahrer einstellen, um bei Tempo 30 den Takt zu halten. Mehr Busse und Fahrer seien für die Mobilitätswende ohnehin nötig, argumentieren die Befürworter der Geschwindigkeitsbegrenzung.

Autofahrer müssten ihre Geschwindigkeit der Situation anpassen

An der Neugrabener Bahnhofstraße könne größtenteils ohnehin nicht mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h gefahren werden, argumentiert die Verkehrsbehörde. Im oberen Bereich lasse dies die Übersichtlichkeit meistens nicht zu, im Bereich der Marktpassage die Verkehrsdichte und die Fußgängerübergänge. Autofahrer müssten ihre Geschwindigkeit der Situation anpassen. „Genau das tun aber viele nicht. Fahrradfahren wird auf so einer Straße damit unattraktiv, weil man sich nicht sicher fühlen kann“, sagt Klabunde. „Das ist wiederum keine Werbung dafür, das Auto stehen zu lassen.“