Harburg. Sascha Thon vom DRK-Willkommensbüro Süderelbe berät Menschen, die Geflüchtete beherbergen und Ukrainer, die ihre Heimat verlassen mussten

Es gibt keine Pause. Ununterbrochen klingelt das Handy. Eine deutsche Anruferin will wissen, wie sie vorgehen muss, um ihre ukrainischen Mitbewohner in Deutschland zu registrieren. Ein Ukrainer, wo man sich hinwenden kann, um Deutsch zu lernen. Und wie man vorgehen sollte, um an eine Wohnung zu kommen. Ein dritter Anrufer hat eine Frage zur psychologischen Beratung und wo es Hilfe gibt, wenn Kriegstraumata aufbrechen. Sascha Thon hört zu, beantwortet geduldig alle Fragen, verweist auf Anlaufstellen und Ansprechpartner in Hamburg und im Landkreis Harburg. Kaum aufgelegt, nimmt er den nächsten Anruf entgegen. Den ganzen Tag geht das so.

Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine steht das Telefon im DRK-Willkommensbüro Süderelbe nicht mehr still. Der Bedarf an Informationen – sowohl von Geflüchteten als auch von jenen, die Menschen aus der Ukraine bei sich aufgenommen haben – ist groß.

„Es gibt viele Fragen, die die Menschen derzeit bewegen“

Mehr als 17.000 Menschen, die vor dem Konflikt in der Ukraine Schutz suchen, leben derzeit in Hamburg. Viele von ihnen sind in privaten Wohnungen untergebracht. Für alle, die geflüchtete Menschen beherbergen und all diejenigen, die ihre Heimat verlassen mussten, bietet das DRK Harburg zweimal pro Woche nun eine neue Info-Sprechstunde unter Leitung von Sascha Thon an. „Es gibt viele Fragen, die die Menschen derzeit bewegen“, sagt der 42-Jährige. „Wo muss ich mich melden, wenn ich Wohnraum für Geflüchtete biete? Wie kann ich die Menschen im Alltag am besten begleiten? Welche Fragen müssen vorher geklärt werden, welche können beim Zusammenleben unter einem Dach auftauchen?“ Und: „Wie gehe ich mit Menschen um, die gerade eine Fluchterfahrung gemacht haben und vielleicht psychologische Hilfe brauchen?“

Unterstützung im Alltag

Auf all diese Fragen hat Sascha Thon die passende Antwort. Oder er weiß, wo er diese kriegen kann: beim Norddeutschen Ukrainischen Hilfsstab, im Hamburg Welcome Center, beim Bundesinnenministerium oder direkt im eigenen Haus, beim DRK Kreisverband Hamburg-Harburg e.V. Dieser hat im Zuge des Ukrainekrieges seine etablierten Angebote für Geflüchtete weiter ausgeweitet. So gibt es neben der Kleiderkammer und den Alltagsbegleitern ein breites Angebot an Migrationsberatung, die Sprechstunde zum Deutschlernen per Telefon, Unterstützung für Familien im Alltag, eine Sprechstunde zum Thema Familie, Bildung und Kinderbetreuung und die neue Info-Sprechstunde im Willkommensbüro Süderelbe, in welcher Sascha Thon dienstags und donnerstags sowohl telefonisch, per Mail, digital oder persönlich Fragen beantwortet.

„Wir tauschen uns mit anderen Initiativen aus, geben Informationen weiter und beraten direkt, damit das Ankommen gelingen kann“, sagt der studierte Islamwissenschaftler und Sozial- und Gesundheitsfachmann. Der Bedarf sei enorm. „Zu Beginn des Ukraine-Krieges haben viele Menschen in Deutschland diese Ohnmacht verspürt und wollten unbedingt schnell und unbürokratisch helfen“, sagt Thon. „Viele haben private Unterkünfte für Geflüchtete angeboten, ohne darüber nachzudenken, was das tatsächlich bedeutet.“ Jetzt, sechs, acht Wochen später kämen die Alltagsprobleme im täglichen Zusammenleben und die Frage, wie es weitergehen kann.

Konkrete und ganz praktische Unterstützung

„Ich sehe mich als Brückenbauer“, sagt Thon. „Als Mensch, der anderen in akuten Problemlagen hilft.“ Gemeinsam mit professionellen Fachkräften, Mitarbeitern der Jugendberatung und Psychologen kümmert er sich seit mehr als fünf Jahren um Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund. Seine im Studium erworbenen Sprachkenntnisse in Arabisch und Farsi helfen ihm dabei. 2015, als im Zuge der europaweiten Flüchtlingskrise über eine Million Menschen in Deutschland Schutz suchen, übernahm er die Leitung der Erstaufnahme in Neugraben Fischbek.

2018 wechselte er in das neu gegründete DRK-Willkommensbüro Süderelbe auf dem Gelände der DRK-Folgeunterkunft Am Röhricht. „Wir bieten hier konkrete und ganz praktische Unterstützung für alle Bewohner des Quartiers. Für diejenigen, die schon länger hier leben und für diejenigen, die als Flüchtlinge gekommen sind“, sagt Thon. Mit einem offenen Beratungs- und Vermittlungsangebot wolle man dazu beitragen, dass Integration gelinge und die Nachbarn sich begegnen, kennenlernen und miteinander vernetzen könnten. Während der Pandemie kam mit der Impfberatung eine weitere Aufgabe hinzu. „Wir haben die Menschen hier in acht Sprachen informieren können“, sagt Thon. Innerhalb von sechs Monaten konnten wir erfolgreich 750 Menschen beraten.“

Die Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft ist enorm

Seit Februar bestimmt der Krieg in der Ukraine den Alltag im DRK-Willkommensbüro Süderelbe. „Als die ersten Menschen aus den Kriegsgebieten am Hauptbahnhof ankamen, waren wir mit einem Team von rund 70 russisch- und ukrainisch-sprachigen Helfen vor Ort“, so Thon. Zeitgleich habe sich das DRK-Team um die Unterbringung der Geflüchteten in den Unterkünften Eichenhöhe und in der Notaufnahme im ehemaligen Fegro-Markt in Harburg gekümmert.

„Jetzt geht es primär darum, Fragen von Betroffenen – sowohl von Geflüchteten als auch von jenen, die Hilfe und Unterkunft anbieten – zu beantworten.“ Die Hilfsbereitschaft in der Gesellschaft sei enorm, hat Thon festgestellt. „Jeder möchte etwas tun“, sagt er. „Aber viele stoßen dabei an ihre Grenzen. Unsere Aufgabe muss es jetzt sein, dafür zu sorgen, dass auch den Helfen geholfen wird.“

Beim Norddeutschen Ukrainischen Hilfsstab engagieren sich jeden Tag mehr als 30 Freiwillige, damit sich vorübergehend umgesiedelte Ukrainer wie zu Hause fühlen. Sie leisten neben Informationsarbeit auch humanitäre Hilfe in der Ukraine, sammeln Geld, Sachen und Medikamente und kümmern sich um ukrainische Kinder. Infos: www.germany4ukraine.de

Das Hamburg Welcome Center in der Süderstraße 32b unterstützt bei Fragen zu den Themen praktisches rund um das Leben in Hamburg, Deutsch lernen, Anerkennung ausländischer Abschlüsse, Suche nach Arbeit oder Ausbildung und Arbeitsbedingungen. Ein Termin für eine Beratung ist nicht erforderlich, kann aber vereinbart werden unter Tel. 040-42839-5555 oder per Mail: info@welcome.hamburg.de.
Infos:
www.welcome.hamburg.de

Das Hilfeportal des Bundesinnenministeriums informiert in deutscher, russischer und ukrainischer Sprache über Arbeit, Sozialleistungen, Unterkunft, Schul- und Ausbildungssystem, Sprachkurse und medizinische Versorgung. Infos: www.handbookgermany.de

Die Info-Sprechstunde für Gastgeberinnen und Gastgeber des DRK Kreisverbandes Hamburg-Harburg ist dienstags und donnerstags von 10-12 Uhr und 15-17 Uhr erreichbar unter Tel. 0163-5696415 oder per Mail an: ukr@drk-harburg.hamburg. Infos: www.drk-harburg.hamburg.de