Heimfeld. Faezeh Najafi lebte zwei Jahre in dem Camp in Griechenland. In der Zeit, die sie auf Lesbos verbrachte, gelangen ihr bemerkenswerte Aufnahmen
In der Ukraine-Krise geht manchmal der Blick dafür verloren, dass es alle anderen Krisenherde der Welt weiterhin gibt, dass auch von dort Flüchtlinge gekommen sind und immer noch kommen. Im Kunstverein „Alles wird schön“ in der Friedrich-Naumann-Straße in Heimfeld widmet sich eine Fotoausstellung den Zuständen im griechischen Flüchtlingscamp Moria. Die Ausstellung hat den Titel „Nach unseren Wünschen suchend“ und zeigt Fotografien, die die junge Faezeh Najafi aus Betroffenenperspektive gemacht hat.
Was man auf den ersten Blick für Wände hält, sind Planen aus Plastikgewebe. Sie dominieren die Architektur auf den Bildern. Hauptsächlich zeigen Faezeh Najafis Bilder aber Menschen. Männer hacken Holz, backen Fladenbrote auf Steinen im offenen Feuer. Auf anderen Bildern verkaufen sie diese. Erwachsene stehen an, um Versorgungsgüter zu ergattern. Kinder spielen. Sehr viele Bilder zeigen Kinder. Zu ihnen hatte Faezeh Najafi sofort einen guten Zugang. Sie war selbst erst 14, als sie mit ihrer Familie auf der Insel Lesbos ankam, wo sie zwei Jahre lang in Moria blieben.
„Willkommen in der Hölle“
„Am ersten Tag, als wir in Camp Moria ankamen, versammelten sich die Menschen um uns, weil wir neu waren, und begrüßten uns mit dem Satz „Willkommen in der Hölle“, sagt Faezeh. „Das ist eine unvergessliche Erinnerung, weil wir es erst für einen Scherz hielten und dann merkten, dass es dort wirklich so war. Wir waren mit aller Sehnsucht nach einem besseren Morgen diesen gefährlichen und schwierigen Weg gegangen und hatten einen Ort erreicht, von dem wir nicht geglaubt hätten, dass er existiert und dass uns eine so beschämende Situation überhaupt passieren könnte. Wir verloren am ersten Tag all unsere Hoffnung.“
Faezeh Najafi wurde im Iran geboren. Ihre Eltern stammen aus Afghanistan, doch auch der Iran war kein Land, in dem sie bleiben konnten. Seit zwei Jahren lebt die Familie in Deutschland. Zuvor haben sie zwei Jahre in Moria verbracht.
Lager mit kleinen Plastikzelten, ohne sanitäre Einrichtungen
„Das war ein Lager mit kleinen, hellhörigen Plastikzelten, ohne sanitäre Einrichtungen, ohne Arzt, ohne ausreichende Bäder und Toiletten, insgesamt vielleicht dreißig für die Tausende Einwanderer, die immer in langen Schlangen für einen Toilettengang warten mussten“, schildert die Schülerin die Zustände. „Duschen war nur für zwei oder drei Minuten erlaubt und oft mussten die Leute sogar eigenes Wasser mitbringen. Es gab keinen Strom, keine Heizung im Winter und keine Belüftung im Sommer. Es war eine von Abwasser durchflossene Zementfläche, auf der kleine Kinder in Gruppen durch das Lager rannten und mit Plastik und Müll spielten, den sie für nützlich hielten, neben schmutzigen Mülleimern, die voller Abwasser waren.“
Faezeh Najafi hat sich schon früh für Fotografie interessiert. Sie besitzt eine Spiegelreflexkamera, die sie auf die Flucht aus dem Iran mitnahm. „Ich habe auch schon unseren Weg durch die Türkei dokumentiert, aber die Speicherkarte ging unterwegs verloren, das ist sehr ärgerlich“, sagt sie. „Eines Tages möchte ich Grafik-Design und Fotografie studieren. Erst einmal muss ich besser Deutsch lernen und Schulabschlüsse machen.“
Derzeit besucht die 18-jährige eine Berufsvorbereitungsklasse
Derzeit besucht die 18-jährige eine Berufsvorbereitungsklasse. Formal ist es also ein weiter Weg zum Fotografiestudium. In der Praxis ist sie allerdings schon sehr weit gekommen. Ihre Arbeiten in der Heimfelder Galerie zeigen ein ausgereiftes Gespür für Bildkomposition, Dynamik, Perspektive, sowie Licht und Schatten. Der Weg zur Ausstellung im Kunstverein „Alles wird schön“ führte über das Habibi-Atelier in den Harburg-Arcaden. In dieser offenen Kunstwerkstatt absolvierte Faezeh ein Schülerpraktikum. Dort wurde die Harburger Künstlerin und Kunsttherapeutin Inge Förtsch auf Faezeh aufmerksam. Sie vermittelte den Kontakt zu „Alles wird schön!“
In den zwei Jahren in Moria erlebten Faezeh und ihre Familie viel Belastendes, inklusive des großen Feuers im Lager. Ungeziefer, Hitze, Kälte, Hunger, Krankheiten. Tagsüber waren die Kinder oft sich selbst überlassen, weil die Eltern irgendwie – und oft vergeblich – versuchen mussten, das Notwendigste zu organisieren. Das materielle Elend stellt den äußeren Rahmen ihrer Fotografien. Im Mittelpunkt aber stehen Menschen. Menschen, die jeden Tag versuchen, auch aus dieser Situation noch das Beste zu machen. Die deshalb auch mal fröhlich oder stolz sind und sich an kleinen Dingen freuen – und sei es ein kleines Fladenbrot, das auf einem Stein im Feuer entsteht.
„Ich möchte meine Fotos verwenden, um einen Einblick in das tägliche Leben von Flüchtenden zu geben und einen Eindruck von ihrer Fähigkeit, Dinge zu ertragen, stark zu bleiben und weiterhin an das Leben zu glauben“, sagt die Fotografin.