Harburg. Autorin Carolin George stellt außergewöhnliche, romantische und interessante Wege vor. Heute: In den Harburger Bergen
Schon am Telefon hat Michael Jansen Lust auf Tapetenwechsel gemacht. „Wo wir wandern werden, ist es eigentlich nicht anders als in Garmisch“, hatte er bei unserer Verabredung für die gemeinsame Tour gesagt. Er muss es wissen, schließlich ist Jansen Geschäftsführer der Sektion Hamburg und Niederelbe des Deutschen Alpenvereins. Klar, dass wir nicht gemeinsam durch die Fischbeker Heide laufen – so schön Jansen sie auch findet – sondern uns zum kleinen, aber durchaus etwas sportlichen bergauf-bergab-Trip durch die Harburger Berge treffen.
Startpunkt ist Hundewiese am Ende des Falkenbergswegs
Startpunkt ist die Hundewiese am Ende des Falkenbergswegs hinter dem Heidefriedhof in Fischbek. Am Ende der offenen Fläche geht es in den Wald, und gleich wird es nicht nur dunkler, sondern auch kühler. Links könnten wir zum Wildpark Schwarze Berge oder zum Freilichtmuseum am Kiekeberg laufen, beides ist zu Fuß zu erreichen. Wir aber entscheiden uns für rechts.
Und stoppen unvermittelt. Denn daran kann Michael Jansen nicht vorbeigehen, was er gerade auf dem Boden erblickt hat. Jansen bückt sich, hebt eine weggeworfene Schachtel auf, schüttelt kurz den Kopf, sagt so etwas wie „Leute gibt’s“ und stopft den Müll kurzerhand in seinen Rucksack. Weiter geht’s, wir folgen dem Weg, und Jansen erzählt beinahe nebenbei, dass er hier normalerweise gar nicht geht, sondern läuft. Jedes Wochenende und ab Frühjahr durchaus zusätzlich auch unter der Woche. Trailrunning heißt die Sportart, und die Harburger Berge sind für Trailrunner ein Eldorado.
Die Harburger Berge sind für Trailrunner ein Eldorado
Trail heißt Pfad, und wer Trailrunning betreibt, läuft nicht auf flachen Wegen oder gar entlang einer Straße, sondern durchs Gelände. „Ich mag, dass es so technisch ist“, erklärt der Freizeitsportler. Das heißt: Besonders bergab und an sehr wurzeligen Stellen heißt es, sehr aufzupassen, wo man seinen Fuß hinsetzt. Das macht den Kopf frei und schaltet die Gedanken aus. „Nach einer bestimmten Distanz hat das sogar etwas Meditatives“, sagt Jansen. „Wenn ich hier eine Weile nicht laufen war, merke ich das.“
Wir kommen am Moisburger Stein vorbei; er liegt rechts an einer Waldkreuzung, und eine Informationstafel des Nationalparks Rosengarten klärt uns über Alter und Bedeutung des Zeitzeugen auf: Seit dem Jahr 1750 markiert der Stein die Grenze zwischen Harburg und Moisburg – als einer von einst 900 Grenzsteinen, die den königlichen Forst vom Bauernwald trennten. Wir gehen geradeaus weiter, und Achtung: Wenn uns hier ein Pferd überholen sollte, darf es das. Denn dieser Weg ist auch für Reiter freigegeben. Bei einem orangefarbenen Pfeil auf einem Baum, verknüpft mit der Zahl 87, stapfen wir links den Pfad hoch. Über Sand und Nadeln geht es Stückchen für Stückchen höher im Wald.
Weg zwischen Fichten und über Zapfen und Wurzeln
Michael Jansen arbeitet zwar erst seit knapp zwei Monaten für den Alpenverein – in den Bergen unterwegs ist der 55-Jährige aber, seit er drei Jahre alt ist. Und die Harburger Berge sind für ihn, aufgewachsen am Niederrhein und wohnhaft in Groß Borstel, der schönste Teil Hamburgs. „Aaah, hier riecht es doch schon nach Allgäu“, sagt er, als wir zwischen Fichten und über Zapfen und Wurzeln steigend weitergehen. „Wir könnten jetzt auch in Garmisch sein. Man darf eben bloß nicht nach oben gucken, dann würde man sehen, dass dort keine Bergspitzen sind.“
Und eines fehlt hier noch: das Gipfelkreuz. Denn schwupps, 2,5 Kilometer nach dem Startpunkt, sind wir auf einmal angekommen auf Hamburgs höchster Erhebung, dem Hasselbrack. Zugegebenermaßen haben wir hier oben auch nicht den freien Rundumblick, wie wir ihn aus den Bergen kennen. Denn der Hasselbrack liegt mit seinen 116 Metern nun einmal innerhalb der Baumgrenze – und von Bäumen sind wir hier oben tatsächlich umringt. Am Wochenende trifft man hier Familien beim Picknick, erzählt Jansen.
Erklommen wird Hamburgs höchster Erhebung, der Hasselbrack
„Schön ist, dass diese immer alles wieder mitnehmen“, sagt Jansen. „Hier oben liegt so gut wie niemals Müll herum.“ Dabei gibt es hier noch nicht einmal eine Bank, geschweige denn einen Papierkorb. Dafür aber wird hier eine gute alte Tradition aufrechterhalten: die des Gipfelbuches. Zu finden ist es, wenn man einen Stein beiseite nimmt, der auf einem Metalldeckel liegt. In einer in den Boden eingegrabenen Blechkiste stecken – wie in den echten Bergen – Notizbücher und sogar ein Kugelschreiber.
Wenn Sie sich jetzt fragen, wer diese Blöcke dort deponiert: Dann geht es Ihnen wie uns. Fest steht: Es ist weder der Deutsche Alpenverein noch sind es die Wanderfreunde Hamburg e.V., die 2013 einen Granitstein mit der Inschrift „Hasselbrack – 116 m – Höchster Punkt Hamburgs“ dort aufstellten. Auch Jansen weiß es nicht. Oder verrät es nicht. Wie oft er selbst schon etwas auf die gut gefüllten Seiten geschrieben hat, kann er gar nicht zählen. Heute jedenfalls freut er sich mit Cilli, Tina, Jörn, Theo und Anne, die es hier in den vergangenen Monaten hingezogen hat.
So viele umgestürzte Riesen wie diesmal hat Jansen noch nicht gesehen
Zurück gehen wir zunächst dieselbe Strecke, bis wir uns anstelle von rechts, wo wir herkamen, links halten. Wir queren bei den Februarstürmen umgefallene Bäume – die meisten sind bereits durchgesägt, sodass wir sie problemlos passieren können. „So habe ich das noch nie erlebt“, sagt Jansen beim Anblick der umgestürzten Riesen. „Und wenn wir uns den Boden ansehen, ahnen wir, wie viel Regen wir eigentlich noch bräuchten.“
Wir folgen dem Pfad, bis wir auf einen breiten sandigen Weg kommen. Rechts würde er uns zurück zum Moisburger Stein führen, wir aber entscheiden uns für einen kleinen Umweg: Schräg rechts gegenüber führt ein schmaler Trail noch einmal ein Stück hinauf, „diesen Abschnitt mag ich besonders“, sagt Jansen und läuft voraus.
Vorbei am Moisburger Stein zurück zum Ausgangspunkt
Noch ein wenig höher auf steinigem Grund, bei der Gabelung schräg rechts, an drei umgestürzten Bäumen vorbei und dann, wenn Sie einen gelben Pfeil auf einer Rinde sehen, rechts: Dann kommen Sie nach ein paar Minuten zurück zum Moisburger Stein, von dort laufen wir den breiten Sandweg zurück zum Ausgangspunkt und kommen nach gut fünf Kilometern und bummelig 1,5 Stunden zurück zu den braunen Schildern Richtung Schwarze Berge und Kiekeberg.
Beim Studieren der Ausschilderung, müssen wir beide unsere Stirn runzeln: Auf dunkelgrünen Wanderschildern stehen Ziele wie Paul-Roth-Stein und Großmoddereiche mit Angaben zu den jeweiligen Entfernungen. Nur Hamburgs höchste Erhebung, der Hasselbrack, wird nirgends erwähnt. Kein Wunder also, dass ihn so wenig Leute kennen.
Die Strecke unserer Wanderung:
Der Startpunkt ist mit der Buslinie 240 zu erreichen, die Haltestelle heißt „Waldfrieden“. An der Busschleife am Ende des Falkenbergsweges gibt es außerdem einen Parkplatz. Wer sich nicht ganz sicher fühlt auf den Beinen, sollte lieber andere Routen zum Spazieren wählen. Die Wanderung ist zwar nicht lang, führt aber über sehr unebenes Gelände, außerdem teilen sich Fußgänger, Läufer, Mountainbiker und eben teilweise auch Reiter hier die Wege.
Für die beschriebene Strecke sollte man angemessene Schuhe tragen, also keine Sandalen, Schlappen oder Flip-Flops. Der Weg weist zahlreiche Stolperfallen in Form von Wurzeln auf. Auf der Informationstafel beim Moisburger Stein werden zahlreiche Wanderrouten und Fahrradtouren durch die Harburger Berge vorgeschlagen. Zum Freilichtmuseum am Kiekeberg zum Beispiel sind es 2,6 Kilometer, zum Wildpark Schwarze Berge 1,6 Kilometer. Infos unter www.regionalpark-rosengarten.de