Harburg. CDU kritisiert Häufung von Problemgruppen im geplanten Neubau für Abrigado und Sozialspeisung am Helmsweg. SPD winkt ab
Seit Jahren kämpfen sowohl die Tafel Harburg als auch die Drogenhilfeeinrichtung Abrigado darum, größere Räume zu bekommen, weil ihre Arbeit immer mehr wird. Beide Einrichtungen wollen ihr Angebot ausweiten. Seit klar ist, dass sie einen gemeinsamen Neubau erhalten – am jetzigen Standort der Tafel, der zudem auch noch um einen Block mit Sozialwohnungen für vordringlich Wohnungsbedürftige erweitert wird – stellt sich die Frage, ob dieses Vorhaben den Bedürfnissen der Einrichtungen gerecht wird. Für manche Harburger stellt sich auch die Frage, ob man durch das Zusammenlegen von Einrichtungen für Menschen in sozialen Problemlagen – Sucht, Armut, Wohnungsnot – nicht auch deren Probleme anhäuft. Vor allem die CDU-Fraktion in der Harburger Bezirksversammlung sieht die Zusammenlegung kritisch.
Die Planungen für den Dreifachneubau befinden sich auf der Zielgeraden. Ende März gab es ein Treffen der Beteiligten und Behörden, auf dem nun eine endgültige Machbarkeitsstudie beauftragt wurde, deren Ergebnisse dann schon bauantragsreif wären. Auf dem Grundstück zwischen Helmsweg und Buxtehuder Straße – es besteht aus dem jetzigen Gelände der Tafel und einem ungenutzten Nachbargrundstück – soll im Erdgeschoss das Abrigado einziehen, darüber die Tafel neue Räume erhalten und auf dem Dach der Tafel sollen 30 Wohnungen entstehen.
Zugang zur Harburger Drogenhilfeeinrichtung über die Buxtehuder Straße
Der Zugang zur Drogenhilfeeinrichtung soll über die Buxtehuder Straße erfolgen, der zur Tafel und den Wohnungen über den Helmsweg. Das Abrigado erhält zwei Außenbereiche: Einen zur Buxtehuder Straße für die Besucher und einen, der an das benachbarte Moscheegelände grenzt, als Rückzugs- und Entspannungsort für die Mitarbeiter.
Beim Verein „Freiraum e.V.“ der das „Abrigado“ bislang auf dem Schwarzenberg betreibt, ist man mit dem Bauvorschlag halbwegs zufrieden. Die seit 28 Jahren bestehende Einrichtung platzt am alten Standort aus allen Nähten, unter anderem weil sie eine von nur noch zwei übrig gebliebenen Anlaufstellen für schwerst Suchterkrankte in Hamburg ist, nachdem in den frühen 2000er-Jahren andere geschlossen wurden. Im Abrigado können Süchtige Drogen in einem geschützten und hygienischen Umfeld konsumieren und erhalten auf Wunsch sozial- und Suchtberatung sowie grundlegende medizinische und hygienische Betreuung.
Durch die bisherige Raumnot gab es zu wenig Konsum- und Beratungsräume und viele Gäste mussten vor der Tür warten, bis sie hereinkonnten. „Deswegen ist es wichtig, einen geschützten Außenbereich zu haben“, sagt Urs Köthner, Geschäftsführer des Vereins. „Das ist in der Planung gegeben. Wir werden mehr Platz erhalten und unser Angebot ausweiten können. Für uns ist das OK. Aber für die Tafel müsste wohl noch nachgebessert werden.“
Tafel Harburg wird sich räumlich nicht vergrößern
Die Tafel Harburg wird sich räumlich nämlich nicht vergrößern, sondern eine Fläche wie bisher behalten. Außen geht sogar Platz verloren. Die Lieferwagen werden noch auf das Gelände passen, aber Parkplätze für ehrenamtliche Helfer, oder Platz, die Ausgabe ins Freie zu verlagern, wie es jetzt in der Pandemie praktiziert wird, wird es nach jetzigem Stand nicht mehr geben. „Das Raumkonzept ist auf Kante genäht, aber wir werden uns damit arrangieren müssen“, sagt Ansbert Kneip, im Tafel-Vorstand unter anderem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. „Dabei hat sich unsere tägliche Kundenzahl schon während der Pandemie von 80 auf 130 erhöht und jetzt kommen die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs noch dazu.“
Bislang zahlt die Tafel für die ehemaligen Bezirksbauhofsgebäude, in denen sie arbeitet, eine eher symbolische Miete. Das soll, da sind sich alle Beteiligten einig, im Wesentlichen auch so bleiben. Dieser Umstand allerdings versetzt die Tafel höchstens noch moralisch in die Lage, Forderungen zu stellen. Eine starke Verhandlungsposition hat sie nicht.
CDU kritisiert die Pläne, die drei Einrichtungen auf einer Fläche zu bauen
Beim Landesbetrieb „Fördern und Wohnen“, (f+w) der die Sozialwohnungen verwalten soll, hält man sich mit Meinungen über den Projektstand zurück. Die 30 Wohnungen für „vorrangig Wohnungssuchende“ werden auch nicht von f+w vergeben, sondern direkt vom Harburger Wohnungsamt. Einen so genannten „Dringlichkeitsschein“ erhalten Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, beispielsweise nach einer Wohnungskündigung aber auch Trennung, oder schon wohnungslos sind, etwa Bewohner öffentlicher Unterbringungen oder Frauen aus Frauenhäusern.
Die CDU kritisiert die Pläne, die drei Einrichtungen auf einer Fläche zu bauen: „Sowohl das Abrigado als auch die Harburger Tafel sind aus dem Bezirk nicht wegzudenkende Leuchtturmprojekte“, sagt die CDU-Bezirksabgeordnete Brit-Meike Fischer-Pinz in einem Antrag. „Auch wenn der Versuch einer baulichen Trennung der unterschiedlichen Nutzergruppen unternommen wird, ist davon auszugehen, dass es zu Begegnungen und Konflikten aller Art zwischen den Besuchern des Abrigado, den Kunden und ehrenamtlichen Mitarbeitern der Tafel und den Mietern von Sozialwohnungen kommt. Daher ist es erforderlich, dass im Rahmen einer Studie die Wechselwirkungen untersucht werden, die sich ergeben, wenn vollkommen unterschiedliche Gruppen die jeweils aus anderen Gründen als sozial benachteiligt anzusehen sind, an einem Ort zusammentreffen sollen.“
Frank Richter, Fraktionsvorsitzender der SPD und Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses, winkt ab. „Wir suchen seit Jahren nach Lösungen für Tafel und Abrigado“, sagt er. „Es wird Zeit, dass wir vom Reden ins Machen kommen. Bis zu einem möglichen Baubeginn dauert es ohnehin noch mindestens eineinhalb Jahre – und das auch nur, wenn bis dahin ein Notquartier für die Tafel gefunden wurde.“