Wilhelmsburg . Von der Mahnwache bis zum Musical: Das Erinnern an die Katastrophe vor 60 Jahren hat viele Gesichter
Der Teil Hamburgs, der in der Sturmflut von 1962 die meisten Opfer und die größten Zerstörungen zu beklagen hatte, war die Elbinsel Wilhelmsburg. Mehr als zwei Drittel der 315 Hamburger Fluttoten waren hier ums Leben gekommen. Tausende wurden über Nacht obdachlos.
Auch 60 Jahre später sind die Ereignisse der Nacht vom 16. Zum 17. Februar für die alteingesessenen Wilhelmsburger ein kollektives Trauma, das auch noch an eine Generation vererbt wird, die sie Katastrophe nicht miterlebt hat. Nach der Flut begann der Stadtteil auch, sein Gesicht radikal zu verändern. Gründe zum Gedenken gibt es also viele. Deshalb gibt es rund um das Datum der Flut auch zahlreiche und vielfältige Gedenkveranstaltungen.
200 Bilddokumente in der Bücherhalle
Bereits seit einigen Wochen zeigt die Bücherhalle Wilhelmsburg eine Fotoausstellung zur Sturmflut und ihren Auswirkungen auf Wilhelmsburg. Über 200 Fotografien von Zeitzeugen dokumentieren die Rettungsaktionen und das Ausmaß der Verwüstung. Die Fotos liegen zum Teil in digitalisierter Form vor und können von Dienstag bis Freitag von 10 bis 13 und 14 bis 16 Uhr betrachtet werden. Einen Gesamtüberblick über die Ereignisse vor und nach der Sturmnacht bietet die Veranstaltung „Das Wasser kommt!“ heute, am Sonnabend, 12. Februar um 16 Uhr. Es ist eine Lesung von Zeitzeugen-Texten mit musikalischer Begleitung. Die Musiker sind Ulrich „Kodjo“ Wendt am Knopfakkordeon und Matthias Lorenz an Gitarre und Mandoline. Die Lesung ist bereits ein Zusatztermin für die frühzeitig ausgebuchte Veranstaltung am Donnerstag.
Die eigentliche Gedenkveranstaltung findet statt am Mittwoch um 20 Uhr am Flutopfer-Mahnmal, es befindet sich an der Ecke Siedenfelder Weg/Kirchdorfer Straße. Die Feier mit Überlebenden, Freiwilligen der Rettungsdienste und Politikern findet dort jährlich statt. Zum 60. Jahrestag der Flut wird Hamburgs erster Bürgermeister Peter Tschentscher teilnehmen und eine Rede halten.
Zeitzeugenberichte in der Honigfabrik
Am Sonnabend, 19. Februar lädt die Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg zu einer Mitmach-Ausstellung in das Kulturzentrum „Honigfabrik“. Die Mitwirkenden der Geschichtswerkstatt haben Zeitzeugenberichte und Dokumente gesammelt und stellen diese aus. Allerdings ist weitere Mithilfe von Wilhelmsburgerinnen und Wilhelmsburgern erwünscht, denn viele Bilder von damals zeigen Situationen, die nicht mehr nachvollziehbar sind, weil Gebäude und ganze Straßenzüge durch die Flut oder danach spurlos verschwunden sind. Einige waren nie kartiert, weil sie in der Nachkriegszeit wild erreichtet wurden.
„Ameise“, „Brummerkaten“ oder „Berufsschule“ hießen die – oft dauerbewohnten Kleingartenkolonien damals. Welche Kolonien sind abgerissen, welche geblieben? Wo liegen Ihre Grenzen? Zeigt ein Bild ein Steinhaus aus Trümmern des Krieges oder eine einfache Holzbaracke? Die Geschichtwerker hoffen auf Hinweise, die helfen, das Puzzle zu vervollständigen. Ebenso sind sie auf Spurensuche der früher allgegenwärtigen Flutmarken. Viele der damals an Wohnhäusern und Schulen angebrachten Markierungen sind wieder verschwunden. Ein Schülerprojekt setzt sich für ihre Erneuerung ein und hofft auf Hinweise. Die Ausstellung findet von 14 bis 18.30 Uhr statt. Gegen 17 Uhr gibt es noch eine Einlage mit musikalischen Auszügen aus dem Musical „Gezeitenwende - Die Sturmflut kommt“ von Mario Stork und Dirk Schattner.
Flutkrimi in der Bücherhalle
Ebenfalls am Sonnabend, 19. Februar lädt die Bücherhalle Kirchdorf zu einer Lesung ein: Die durch ihre Heidekrimis bekannte Hamburger Autorin Kathrin Hanke, hat in ihrem aktuellen Kriminalroman „Als die Flut kam“ Zeitgeschehen und Fiktion miteinander verwoben. Aus der Recherche zur Sturmflut hat die Autorin einen Bildband zusammengestellt und veröffentlicht: „Hamburg im Sturm“ zeigt mit über 200 und vielfach bisher unveröffentlichten Fotos eindrücklich das Ausmaß der damaligen Katastrophe und wird ebenfalls präsentiert. Beginn der Lesung ist 16 Uhr.