Harburg. Ein Neubau steht erst in drei Jahren zur Verfügung. Daher suchen die Lebensmittelretter dringend Räumlichkeiten und auch neues Personal.

Bereits morgens um halb sieben stehen die ersten Gäste der Harburger Tafel vor dem Gelände in der Buxtehuder Straße. Jetzt im Winter ist es noch dunkel, wenn die Bedürftigen mit ihren Hackenporsches auf dem Wirtschaftsweg am Ende des Helmsweges, unterhalb des Schwarzenbergparks, in einer langen Schlange anstehen. Dienstags bis freitags kommen täglich etwa 125 Menschen zwischen 9.30 und 13 Uhr zur Ausgabe von gespendeten Lebensmitteln an das Vereinshaus.

Doch damit könnte schon bald Schluss sein – für mindestens drei Jahre. Der schlichte rotgeklinkerte Funktionsbau soll einem mehrgeschossigen Sozialhaus für verschiedene Hilfsangebote weichen. So ist geplant, neben der Harburger Tafel auch Sozialwohnungen und Räume für die Drogenhilfeeinrichtung Abrigado am jetzigen Standort der Lebensmittelretter zu bauen. Das Gebäude der Harburger Tafel platzt zudem bereits jetzt aus allen Nähten. Deshalb sucht der Verein Tafel-Harburg nach passenden Räumlichkeiten für die Übergangszeit.

„Wäre Katastrophe, wenn für Dauer der Baumaßnahmen schließen müssten“

„Es wäre eine Katastrophe, vor allem für die Menschen, die täglich nach Hilfe suchen, aber auch für die Helferinnen und Helfer und den Verein selbst, wenn wir für die Dauer der Baumaßnahmen schließen müssten“, sagt Jens-Peter Polzin von der Harburger Tafel. „Wir sind kein Supermarkt, der morgens aufschließt und die Ware ins Haus geliefert bekommt. Wir leben von unserer Vernetzung und durch Spendende, die uns seit Jahren zuverlässig unterstützen.“ Seit November sucht der Verein nun öffentlich nach einer neuen Immobilie. Doch genau hier liegt das Problem. Eine durch das Bezirksamt Harburg vorgeschlagene ehemalige Spielhalle kam nicht in Frage, weil es keine Parkplätze und Ladeflächen für die Lieferfahrzeuge des Vereins gab.

Kundinnen und Kunden auf dem Weg zur Lebensmittelausgabe der Harburger Tafel.
Kundinnen und Kunden auf dem Weg zur Lebensmittelausgabe der Harburger Tafel. © HA | Andre Lenthe Fotografie

„Der nahtlose Übergang ohne längerfristige Schließung ist unser Ziel. Ein passendes, aber nicht zu teures Objekt muss her“, so Polzin aus dem Vorstand der Harburger Tafel. Der Verein finanziert sich ausschließlich durch Spenden und Mitgliedsbeiträge. Ein passender Ort müsste zentral gelegen und mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen sein, gerade die Kundinnen und Kunden hätten oftmals kein eigenes Auto. Dennoch bräuchte man unbedingt Parkplätze, denn am Dienstag ist ein gesonderter Ausgabetag für schwerbehinderte Menschen. Diese werden oftmals durch Pflegedienste versorgt oder bekommen Hilfestellungen bei ihrem „Einkauf“, wenn sie mit dem eigenen Auto kommen.

Platz für 40 Mülltonnen und zwei Überseecontainer muss vorhanden sein

Wert legt der Verein außerdem auf ausreichende Flächen für die Sortierung und Lagerung im Hintergrund der Ausgabestelle. Benötigt wird zum Beispiel Platz für vierzig Mülltonnen und zwei Überseecontainer. Hinzu kommt, dass auch die Ausgabestelle selbst viel Platz benötigt, gerade vor dem aktuellen Hintergrund müsse sie coronakonform herzurichten sein, damit genügend große Abstände zwischen den Bedürftigen und den Mitarbeitenden gewährleistet werden können.

Coronakonforme Lebensmittelausgabe – die Bedürftigen sortieren ihre Kisten draußen.
Coronakonforme Lebensmittelausgabe – die Bedürftigen sortieren ihre Kisten draußen. © HA | Andre Lenthe Fotografie

Wie wichtig die Arbeit der Tafel ist, zeigt die täglich wachsende Kundenzahl. Bereits jetzt versorgt die Harburger Tafel etwa 500 Menschen pro Woche mit frischen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse, Milchprodukten und Fleisch. „Allein am vergangenen Donnerstag habe ich fünf neue Kundenausweise ausgestellt“, erläutert Jens-Peter Polzin, der an eben diesem Donnerstag die Tagesleitung der Einrichtung übernommen hat.

Bewerbungen mit geringem Aufwand per Telefon oder E-Mail

Der Schuh drückt aber nicht nur beim fehlenden Gebäude, die Harburger Tafel hat auch Personalengpässe. „Viele Menschen wollen wegen Corona ihre Kontakte reduzieren und haben uns deshalb vorläufig verlassen“, berichtet der 57 Jahre alte Pensionär. „Aktuell fehlen uns auch Studierende oder Pfadfinder, die am Anfang der Pandemie mitgeholfen haben, den Laden am Laufen zu halten, aber dauerhaft wegen Studium und Schule nicht zur Verfügung stehen“, sagt Polzin rückblickend, „sie haben ordentlich angepackt, und das war für uns eine große Hilfe. Aber jetzt brauchen wir wieder helfende Hände, dringend.“

Gesucht werden insbesondere rüstige Menschen, die nicht mehr im Arbeitsleben stehen und dennoch richtig anpacken können. Die Aufgaben sind vielfältig. Dazu zählen das Sortieren der gelieferten Lebensmittel, die Abholung der Waren aus dem Supermarkt und natürlich auch die Ausgabe der Spenden. An fast allen Stellen wird tatkräftige Unterstützung benötigt. „Dafür bieten wir jede Menge Dankbarkeit und ein tolles Team“, sagt Jens-Peter Polzin abschließend. Eine Bewerbung sei nur mit geringem Aufwand verbunden, ein kurzer Anruf unter 040/77 11 08 97 oder E-Mail an post@tafel-harburg.de genüge.