Harburg. Die Sanierung der alten Süderelbbrücke beschränkt sich nicht nur auf Kosmetik. Auch an der Vorlandbrücke ist jede Menge zu tun.
Sieht man sich die mächtigen Brückenportale und die Steinmauern der Vorlandbrücke an, hat man den Eindruck, die alte Harburger Elbbrücke sei für die Ewigkeit gebaut. Das stimmt jedoch leider nicht. Die eigentlichen Brücken sind aus Stahl, und der hält nun mal nicht ewig. Die Wilhelmsburger Vorlandbrücke – sie überspannt den Abschnitt zwischen König-Georg-Deich und südlichem Brückenportal – ist bei der letzten Bauwerksprüfung durchgefallen und muss instandgesetzt werden.
Streben und Träger haben seit der Eröffnung 122 Jahre durchgehalten
Das ist keine Schande: Immerhin haben ihre Ständer, Streben und Träger 122 Jahre von der Eröffnung der Brücke bis jetzt durchgehalten. Seit März dieses Jahres ist die gesamte Brücke gesperrt. Radfahrer und Fußgänger müssen seitdem die parallel verlaufende „Brücke des 17. Juni“ benutzen und auf diesem Weg die Süderelbe neben dem Kraftverkehr überqueren, der schon seit 1980 von der Brücke verbannt ist.
Einfach die alte Vorlandbrücke abzureißen und eine neue einzusetzen, ginge zwar schnell, wäre aber Kulturfrevel, denn die gesamte Brücke steht unter Denkmalschutz. Deshalb müssen die Bauleute behutsam und akribisch vorgehen. Sämtliche Steine der Stützmauer, auf der die Vorlandbrücke landseitig auflag, sind beispielsweise nummeriert und katalogisiert, damit sie genau wieder so eingesetzt werden können, wie sie vorher gemauert waren. In jeden Stein wurde ein fingerdicker Metalldübel eingedreht, in dessen Innengewinde eine Öse geschraubt werden kann, um den Stein mit einem Hebezeug anhieven und in Position bringen zu können.
Nur wenige Steine sind beim Abbau kaputt gegangen
Polier Werner Mohr steht vor einer der Paletten, die für den schnelleren Überblick mit Signalfarbe markiert sind. „Die Reihe, aus der die Steine stammen, steht noch einmal auf einem Zettel an der Palette, und die Position ist als Zahl in den Stein geritzt. Wir bewegen die Paletten auch möglichst nicht, dann können wir die Steine schnell in der umgekehrten Reihenfolge des Abbaus wieder einbauen, ohne lange die richtige Palette suchen zu müssen“, sagt er.
Nur wenige Steine haben den Abbau nicht heil überstanden. Sie werden entweder mit polymerverstärktem Spezialmörtel wieder zusammengefügt und danach an alter Stelle eingebaut oder aber ersetzt. Dafür muss allerdings irgendwo ein Basaltstein in passender Form und Größe aufgetrieben werden. Wenn das alles nicht geht, hilft nur noch das Steine-Fälschen: Eine geheime Mörtelmischung wird in eine mit Schaumstoff ausgelegte Gussform gefüllt und hinterher künstlich patiniert. Der Schaumstoff sorgt dabei für die typische unregelmäßige Oberfläche.
Nicht die Steine, sondern der Stahl ist das Sorgenkind der Sanierer
Die meisten Steine sind jedoch heil geblieben und die Steine sind auch nicht die Sorgenkinder der Sanierer, sondern es ist der Stahl. „Da, wo das alte Material noch tragfähig ist, bleibt es erhalten“, sagt Polier Mohr, „aber die schadhaften Teile müssen ausgetauscht werden.“
Das ist nicht so leicht getan, wie gesagt: in den 1890er-Jahren, als die Brücke gebaut wurde, wurde nicht geschraubt oder geschweißt, sondern genietet. Gute Nietverbindungen halten bombenfest. Das wird dann ein Problem, wenn man sie mal lösen muss, so etwa alle 120 Jahre. Die Nieten wurden glühend eingeschlagen, zogen sich beim Abkühlen zusammen, wobei der Stahl von Niete und Nietkopf sich mit dem Stahl der zusammengefügten Teile untrennbar verband. Mit dem bloßen Abschleifen des Nietkopfes ist die Verbindung nicht zu lösen. Jede einzelne Niete muss aufgebohrt werden.
Möglichst wenig Schmutz nach außen und wenig Feuchtigkeit nach innen
Unterhalb der Brücke sind die Bauschlosser mittlerweile dabei, die erhaltenswerten Teile – das ist ungefähr die Hälfte – zu konservieren. Dafür werden die Teile mit einem Sandstrahler vom Rost befreit und sofort danach mit einer ersten zinkhaltigen Schutzschicht überzogen. Der erste Durchgang erfolgt im zeit- und materialsparenden Sprühverfahren. Danach werden alle Knicke und Kanten kontrolliert und mit dem Pinsel nachgearbeitet. All diese Arbeiten sieht man nicht, denn die ganze Baustelle ist mit Planen eingehaust, damit möglichst wenig Schmutz nach außen und möglichst wenig Feuchtigkeit nach innen gelangen kann.
Spannend wird es, wenn die neuen Stahlteile eingebaut werden. „Die Querträger an den Auflagern wiegen mehrere Tonnen“, sagt Polier Werner Mohr, „sie in Position zu bringen, wird eine interessante Aufgabe, denn ohne, dass die Brücke verbunden ist, können wir sie nicht mit einem Kran belasten. Da müssen wir uns noch etwas einfallen lassen.“
Vor der Sturmflutsaison sollten Arbeiten unter der Brücke beendet sein
Mohr und seine Leute müssen schnell denken: Im Herbst beginnt die Sturmflutsaison. Bis Mitte September sollen deshalb alle Arbeiten unter der Brücke abgeschlossen sein. Überstunden und Sonderschichten sind angesagt. Fertig sind die Bauleute mit diesem Schritt allerdings noch nicht: „Dann kommen alle Arbeiten im oberen Bereich der Brücke“, sagt Mohr. „Das nimmt auch noch einmal einige Zeit in Anspruch.“
Erst im Dezember kann die Brücke wieder für die Fuß- und Radfahrer freigegeben werden. Und in zwei Jahren, kündigt Mohr bereits an, muss noch ein wenig weitersaniert werden. „Ob dafür aber wieder ganz gesperrt werden muss, ist noch nicht entschieden.“
Beliebtes Fotomotiv und Hauptdarsteller mehrerer Werbespots
Die Alte Harburger Elbbrücke ist ein Wahrzeichen des Hamburger Südens und ein beliebtes Fotografenziel – sowohl als eigentliches Motiv als auch als Hintergrund. Aktuell ist die Brücke der stille Star einer Autowerbung, einer Bier-Reklame und der Kampagne einer Partnervermittlung, deren Kunden sich im Akkord verlieben. Harburger Hochzeitspaare lasen sich hier ebenfalls gerne ablichten.
Für den Autoverkehr war die Brücke von Anfang an nicht vorgesehen, vor allem, weil bei ihrer Planung Autos noch für eine vorübergehende Modeerscheinung gehalten wurden. Konstruiert wurde die erste Straßenbrücke über die Süderelbe für Kutschen, Reiter und Fußgänger; ab 1897 gebaut und 1899 eröffnet. Zwischendurch fuhren allerdings doch Autos darüber; lange Jahre auch die Straßenbahn. Die mächtigen Sandsteinportale entwarf der damalige Star-Architekt Huber Stier. Das Nordportal zeigt das Wappen von Wilhelmsburg, das Südportal das Harburger Stadtwappen.