Harburg. Zahlreiche Baustellen stellen nicht nur Pendler vor Herausforderungen. Betroffen ist auch der öffentliche Nahverkehr. Eine Mitfahrt.
Die vielen Baustellen im Hamburger Süden kosten nicht nur die Pendler Nerven. Auch Berufskraftfahrer sind belastet: Gut die Hälfte der Harburger Buslinien muss derzeit Umwege durch enge Wohnstraßen fahren, in Wilstorf, Heimfeld und im Binnenhafen. Was das in der Praxis bedeutet? Das Hamburger Abendblatt hat Fahrerin Christiane Merkel auf einer Tour mit dem 142er begleitet.
Der anspruchsvolle Parcours beginnt schon 500 Meter vor der Umleitung. Zwei Dachdecker lösen den Anhänger hinter ihrem Baustellenfahrzeug und manövrieren ihn per Hand in die Baustelle am Alten Postweg. Ein Auto umkurvt die beiden Handwerker noch und kommt knapp vorbei. Busfahrerin Christiane Merkel braucht daran gar nicht erst zu denken. Ihr Mercedes-Gelenkbus, Typ Citaro G 2, ist ohne Spiegel etwas über zweieinhalb Meter breit, mit Spiegeln gut drei. Zum Glück haben es die Dachdecker eilig und Christina Merkel kann ihren Bus und ihre Fahrgäste schon bald an dem Auto der Dachdecker vorbeilenken.
Die Herausforderung der Baustellenumleitung sind groß
Jetzt kommt die erste richtige Herausforderung der Baustellenumleitung: Anstatt am Heimfelder Kreisverkehr auf 12 Uhr, also quasi geradeaus, weiterzufahren wie sonst, lenkt Frau Merkel den Gelenkbus bis auf neun Uhr zur Meyerstraße und muss dort abbiegen. Der Winkel ist etwas spitzer als 90 Grad. „Zum Glück parkt hier niemand im Einmündungsbereich“, sagt die Fahrerin. Nicht nur, dass sie mit dem Bus ohnehin weit ausholen muss, als Fahrerin sitzt sie mehr als zwei Meter vor der Vorderachse. Im Vergleich zum Autofahren muss sie beim Lenken etwas anders denken.
18 Meter lang ist das Gefährt und hat eine Besonderheit: Während die früheren Gelenkbusse den Hinterwagen quasi als Anhänger hinter sich herzogen, sitzt bei diesem Bus der Motor ganz am Ende und der Hinterwagen schiebt den Vorderwagen. Möglich macht das ein sehr ausgeklügeltes und gleichzeitig robustes Gelenk unter dem Ziehharmonika-Balg. Das Gelenk bewirkt auch, dass der Gelenkbus tatsächlich gelenkig ist und sein Wendekreis nicht viel größer als der eines zwölf Meter langen „Standardbusses“.
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Fast 23 Meter beträgt der Wendekreis aber immer noch. Die Busfahrerin braucht die ganze Fahrbahnbreite, um einbiegen zu können. Deshalb ist der Einmündungsbereich auch mit Halteverbotsschildern versehen – zumindest hier halten sich die Anwohner an das Verbot. Im weiteren Verlauf der Meyerstraße stehen keine Schilder. Hier parken die Autos beidseitig. Zum Glück handelt es sich um eine Einbahnstraße.
Als wir die Wattenbergstraße kreuzen, zeigt Christiane Merkel kurz nach rechts: Zum Glück müssen wir auf dem Rückweg dort nicht mehr durch“, sagt sie. „Das ging fast gar nicht.“ Zu Beginn der Umleitung wurden die Busse, die vom Hans-Dewitz-Ring kommen, über die Wattenbergstraße und die Baustraße zurück zum Alten Postweg geführt. Die Absicht war klar: Die Fahrgäste sollten ihre Ersatzhaltestelle so etwas näher an der S-Bahn-Station Heimfeld haben. Aber in den beiden engen Straßen und zugeparkten Kurven fuhren sich immer wieder Busse fest. Einen Gelenkbus rückwärts zu manövrieren, ist schon auf dem Betriebshof anspruchsvoll. Im Regelverkehr verbieten viele Betriebe es ihren Fahrern sogar. Derzeit sind die Busse Richtung Bahnhof auf der ganzen Länge der Haakestraße unterwegs.
Besonders im Kreuzungsbereich gibt es Probleme
Am Ende der Meyerstraße lauert eine unliebsame Überraschung: Im Lohmannsweg, schräg gegenüber der Einmündung steht die Wertstoffsammlung. Christiane Merkel kann nicht abbiegen. Die Müllwerker sehen den Bus, lassen sich aber nicht aus der Ruhe bringen beim Heranholen der Behälter. Hinter dem 142er staut sich der Verkehr. Das lässt die Fahrerin kalt. Etwas nervös wird sie trotzdem, aber aus einem anderen Grund, und der kommt immer näher. Zwei Minuten rollen, hängen und kippen die Entsorger gelassen vor sich hin, dann ist die Kreuzung frei. Christiane Merkel biegt rechts ab und setzt den Blinker gleich wieder links. An der Kreuzung zur Heimfelder Straße ist ihr Kollege von der Gegenrichtung noch etwas weiter entfernt. „Das war knapp“, sagt sie. „So kommen wir gut aneinander vorbei. Gleichzeitig passen wir nicht auf die Kreuzung.“
Die Fahrer haben deshalb nicht nur die Abfahrtszeiten an den Haltestellen im Kopf, sondern auch ungefähr, wer wann an welcher Kreuzung ist. „Das erleichtert uns die Arbeit. Gerade bei den vielen Umleitungen in diesem Sommer. Dass gebaut wird ist ja normal. Aber so viele Großbaustellen gleichzeitig, wie in diesem Jahr, habe ich noch nicht erlebt, sagt Christiane Merkel. Sie ist seit zwölf Jahren Busfahrerin. Davor hat die 52-Jährige 15 Jahre lang bei der Post gearbeitet. „Bei aller Routine: Die Umleitungen schlauchen. Wenn nach Feierabend die Personaltür des Betriebshofs hinter mir zu geht, merke ich immer erst, wie erschöpft ich bin.“
Im Harburger Binnenhafen wird es wieder schwierig
Die Runde um Krankenhaus und Triftstraße verläuft ohne Probleme auf der üblichen Route. Auch auf der Haakestraße fließt es. So könnte es bleiben. Tut es aber nicht. Im Harburger Binnenhafen wird es wieder schwierig. Weil der Kanalplatz gesperrt ist, wird der 142er durch die Theodor-Yorck-Straße umgeleitet. Die ist eigentlich nicht für Busse gedacht. Querungshilfen für Fußgänger verengen die Fahrbahn. An vielen Stellen parken Autos an den Ausbuchtungen, die die seitlichen Parkstreifen unterbrechen. Am Ende der Straße dann die Situation, die in Heimfeld vermieden wurde: Zwei Busse begegnen sich im Kreuzungsbereich. Über Funk kann Christiane Merkel sich mit dem Kollegen absprechen. Er wartet kurz, sie weicht weit nach rechts aus, bevor sie hart links einschlägt. So kommen beide aneinander vorbei.
An der nächsten Haltestelle ist zum Glück Pause. Christiane Merkel freut sie schon aufs Wochenende mit Hunden, Mann und Motorrad. Dann entspannt sie, indem sie sich fahren lässt.