Hamburg. Gastronomen sind entsetzt über den rüden Umgangston der Bezirks-Mitarbeiter. Nun reagiert das Amt.
Nach Harburgs Gastwirten üben nun auch weitere Geschäftsinhaber scharfe Kritik an den bezirklichen Corona-Kontrollen und wagen sich aus der Deckung. Besonders viele stammen dabei aus dem Binnenhafenquartier. Grund könnte sein, dass gerade hier schwerpunktmäßig kontrolliert wurde. So standen Restaurants, Cafés und Imbissbuden, auch Kioske, Lebensmittelhändler und weitere kleinere Geschäfte auf dem Kontrollplan. Betroffene berichten von einem harschen Umgangston.
„Ich war gerade am Haare färben, als der Kontrolleur plötzlich im Laden stand“, berichtet Angelika Leber von der Hair Lounge in der Harburger Schloßstraße. Der Prüfer sei willkürlich vorgegangen, habe ihre angegebenen 90 Quadratmeter für die Ladenfläche angezweifelt. „Das kann ich doch belegen“, sagt die Unternehmerin. Danach habe er moniert, dass nicht genug Zettel beispielsweise zur Abstandsregel ins Fenster gehängt worden seien und nicht jeder zweite Friseurstuhl abgeklebt wäre.
Corona-Kontrolle in Harburg: "Es war einfach schrecklich"
„Bei uns setzt sich niemand einfach in den Stuhl. Es macht einfach keinen Sinn, Stühle abzukleben“, sagt Leber. „Und dazu diese Drohungen mit einem Ordnungsgeld. Es war einfach schrecklich“, erinnert sich die Friseurin. Erst als sie bereits „Wasserstand in den Augen“ gehabt habe, hätte der bezirkliche Mitarbeiter für Ordnungsangelegenheiten von ihr abgelassen. Allerdings nicht ohne sein baldiges Wiederkommen anzukündigen.
Ein Verhalten, das auch der Polizei unangenehm war. Zwei Beamte hatten den Einsatz begleitet, einige Tage später standen sie wieder im Laden. „Sie haben sich von dem Kontrolleur distanziert und sich für die aus ihrer Sicht unangebrachte Art der Kontrolle entschuldigt“, berichtet Leber. Dem Abendblatt bestätigten die Beamten die Entschuldigung. Offiziell möchten sie sich aber nicht weiter dazu äußern.
Aber sie waren nicht nur bei Angelika Leber. Sie gingen auch zur Schanzenbäckerei am Veritaskai. Auch dort gab es eine Kontrolle, auch dort fühlten sich die Beamten später genötigt, sich für das Verhalten der bezirklichen Kontrolleure zu entschuldigen. Die Kontrolleure seien vorgegangen „wie die Axt im Wald“, erklärt Bäckereiinhaber Levent Karsli.
Corona-Kontrolleur vorgegangen "als wäre er vom FBI"
„Der Herr ist in meinen Laden gekommen, als wäre er vom FBI. In seiner Hand hielt er bei ausgestrecktem Arm seinen Dienstausweis und übernahm bei laufendem Betrieb das Kommando.“ Der Unternehmer berichtet, es werde auf Fehler gelauert. Unter anderem sei ein Bußgeld angedroht worden, für einen Stuhl, der nicht den geforderten Abstand zum Nebentisch hatte. Vermutlich hatte ihn ein Kunde verschoben, so Karsli. „Man muss doch auch menschlich bleiben“, kritisiert er. Während der Pandemie wurden wir noch als Helden des Landes gefeiert, die ihre Läden offenhalten und nun, wo die Inzidenzen fallen, werden wir behandelt wie Verbrecher.“
Wie berichtet, hatten sich als erstes Gastwirte aufgrund des Umgangstons während der Kontrollen an die Öffentlichkeit gewandt. Im Bezirksamt hat die zuständige Abteilung darauf reagiert. „Mit den Mitarbeitenden, die Kontrollen im Rahmen der Eindämmungsverordnung durchführen, wurde gesprochen. Die Rückmeldung nehmen wir ernst und daraufhin haben wir auf einen sensiblen Umgang hingewiesen“, sagt Bezirksamtssprecher Dennis Imhäuser auf Abendblatt-Nachfrage.
„Dennoch müssen die Regelungen der Eindämmungsverordnung umgesetzt und eingehalten werden. Daher sind konstruktive Rückmeldungen für uns wichtig, um die auch weiterhin notwendigen Kontrollen für beide Seiten zielführend zu gestalten.“
In der Fischhalle zückten Kontrolleure Zollstock
Eine solche Rückmeldung hat auch Werner Pfeiffer für das Amt. Beim Betreiber der Fischhalle und Binnenhafen-Urgestein zückten die Kontrolleure den Zollstock, wie er dem Abendblatt berichtet. Hier reichten dem strengen Prüfer laut Pfeiffer die geforderten 1,50 Meter Mindestabstand aber nicht aus. „Eigenmächtig und ohne Begründung sollten es plötzlich 1,70 Meter sein“, berichtet er.
Auch bei Edeka Ziegler am Veritaskai gab's Ärger. „Wir waren nicht erfreut über das Vorgehen des Kontrolleurs und hätten uns mehr Sensibilität gewünscht“, so Martin Ziegler. Das Vergehen hier: Ein Mitarbeiter hätte allein in einem geschlossenen Lagerraum Kisten gestapelt und dabei kurz die Maske heruntergenommen. Der Kontrolleur habe den Mitarbeiter wohl von draußen beobachtet.
Mehr Corona-Kontrollen mit Augenmaß
Ziegler, wie alle anderen Geschäftsinhaber, betonen: Die Kontrollen sind wichtig „zum Schutz der Gesundheit“ aller. Aber sie wünschten sich mehr Beratung anstatt Sanktionen und Kontrollen mit Augenmaß gerade bei den sinkenden Corona-Fallzahlen.
Etwas Hoffnung gibt es. Kürzlich waren die Kontrolleure erneut wieder bei den Gastronomen, die sich öffentlich geäußert haben. Wie die Wirte berichten, sei aber der Ton sehr viel sachorientierter gewesen. Die Mitarbeiter hätten Hinweise für ein zielgerichtetes Hygienekonzept verteilt.