Harburg. Konzept des Bezirks zeigt, wie die ermittelten großen Energiesparpotenziale bis 2030 in die Tat umgesetzt werden können.
Der Bezirk Harburg kann seinen Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid (CO2) bis zum Jahr 2030 um knapp 30 Prozent im Vergleich zu 2018 reduzieren und bis 2050 sogar ein Minus von 84 Prozent erreichen. Den Weg dorthin weist das gerade beschlossene Klimaschutzkonzept Harburg, das nun in die Umsetzungsphase geht.
Dazu ist im Bezirksamt die Abteilung Klima und Energie gegründet worden. Sie wird von drei Mitarbeitern verstärkt, die im Rahmen des Hamburger Klimaplans finanziert werden. „Wir sind gerade dabei, beim Bund die zusätzliche Stelle eines Klimamanagers oder einer Managerin zu beantragen“, sagt Jan Gerbitz von der ZEBAU GmbH (Zentrum für Energie, Bauen, Architektur und Umwelt), der das Konzept federführend erstellt hat.
Klimaschutzkonzept Harburg enthält viele detaillierte Vorschläge
Es enthält viele detaillierte Vorschläge, wie sich CO2-Einsparpotenziale erschließen lassen. Zum Beispiel im Bereich der Gebäude. Hier – wie auch in anderen Bereichen des Klimaschutzes – wolle die Verwaltung eine Vorbild sein, sagt Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen. Ansatzpunkte gibt es genug. Schließlich nutzt das Bezirksamt rund 80 Gebäude, davon etwa 50 eigene. Zum Beispiel das Bauamt am Rathausplatz.
Das knapp 120 Jahre alte Gebäude verbraucht jährlich 270 Kilowattstunden (kWh) Energie pro Quadratmeter. „Mit einer umfassenden energetischen Modernisierung inklusive Innendämmung der Außenwände und einer Wärmeversorgung durch einen Holzpelletkessel oder einer gemeinsamen klimafreundlichen Versorgung mit weiteren Gebäuden im Bereich Rathausforum“ lasse sich der Energieverbrauch auf 65 kWh senken, steht im Konzept. Beim benachbarten Rathaus seien die technischen Möglichkeiten begrenzter. Aber zumindest könne die Decke zum weitgehend leerstehenden Dachgeschoss gedämmt werden. Auch bei der Heizungs- und Lüftungstechnik schlummern Potenziale.
Fischbeker Reethen: Fürs neue Quartier eigenes Wärmenetz geplant
Sehr viel einfacher ist baulicher Klimaschutz, wenn man ihn in Neubaugebieten gleich einplanen kann. Und das kann weit über die Qualität der Gebäude hinausgehen, wie das Beispiel Fischbeker Reethen zeigt. Dort sollen neben Gewerberäumen rund 2300 Wohnungen entstehen. Für das Quartier auf der grünen Wiese ist eine beispielgebende Wärmeversorgung geplant: Die Gebäude werden an ein Wärmenetz angeschlossen, das zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist wird: Ein Blockheizkraftwerk und Brennwertkessel verfeuern Biogas, Erdwärme wird an die Oberfläche geleitet, Sonnenwärme eingefangen und aus überschüssigem Wind- oder Solarstrom Wärme erzeugt.
„Harburg ist nicht an das städtische Fernwärmenetz angeschlossen und kann deshalb nicht von den Klimaschutzmaßnahmen bei der Fernwärmeerzeugung profitieren“, sagt Gerbitz. „Aber dafür gibt es viele kleine Wärmenetze und damit viele Akteure, mit denen man ins Gespräch kommen kann. Die Harburger Industrie ist ein großer Energieverbraucher. Aber sie kann auch zur großen Energiequelle werden.“
So soll an der nordwestlichen Spitze des Bezirks, in Altenwerder, der „Energiepark Hafen“ entstehen. Er kombiniert verschiedene Wärmequellen und Anlagen im Bereich der Kläranlage Dradenau. Zu den Betrieben, die Prozesswärme abzugeben haben, gehören das Stahlwerk von Arcelor Mittal, Trimet Aluminium, die Müllverwertungsanlage Rugenberger Damm, aber auch eine Abwasserwärmepumpe im Klärwerk Dradenau.
Harburger verbrauchen doppelt so viel Strom wie Hamburger Durchschnitt
Um Klimaschutzpotenziale zu erschließen, ist im Bezirk die Industrie besonders gefordert. Das zeigt schon der Pro-Kopf-Verbrauch an Strom und Gas der Harburger. Beispiel Strom: Rechnet man den gesamten Verbrauch im Bezirk auf die Einwohner um, ergibt sich ein Jahresverbrauch von 17,5 Megawattstunden (MWh) – der Hamburger Pro-Kopf-Verbrauch liegt bei 6,36 MWh. Werden dagegen nur die Verbräuche der privaten Haushalte betrachtet, schneiden die Harburger mit 1,24 MWh besser ab als die Stadtbewohner insgesamt (1,66 MWh). Entsprechend liegt das jährliche Einsparpotenzial der Wirtschaft (Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und Industrie) mit mehr als 500.000 Tonnen CO2 bis 2030 vielfach höher als das der privaten Haushalte (gut 80.000 t CO2).
„In Harburg kann die Photovoltaik ein großer Hebel für den Klimaschutz werden, denn es gibt viele Logistikbetriebe mit großen Dachflächen für Solaranlagen“, so Gerbitz. Der Wirtschaftsverein sei dabei ein wichtiger Partner. Dessen Vorsitzende Franziska Wedemann sieht die Harburger Wirtschaft breit aufgestellt. Daraus ergeben sich vielfältige Chancen, sagt sie in einem Kommentar zum Klimaschutzkonzept.
Harburger Wirtschaft soll eine Vorreiterstellung einnehmen
Unterstützt von der Technischen Universität, dem hit-Technopark und dem Elbcampus der Handwerkskammer könne die Harburger Wirtschaft „durchaus eine Vorreiterstellung einnehmen“, so Wedemann. Allerdings müssten die Maßnahmen technisch und wirtschaftlich vertretbar sein. Als Beispiel nennt sie die Wärmenetze: „Ein Unternehmen muss Wärme in ein öffentliches Netz abgeben können, ohne mit den Kosten der Infrastruktur belastet zu werden.“
Ein anderes großes Aufgabenfeld ist der Verkehr. Die Harburger mögen sich noch weniger von ihren Autos trennen als die Durchschnitts-Hamburger; 43 Prozent der Wege werden südlich der Elbe mit dem Auto zurückgelegt; im Stadtmittel sind es 36 Prozent. Hier – wie generell – sind auch die Harburger gefragt. Wie schon bei der Entstehung des Klimaschutzkonzepts sollen sie jetzt auch bei der Umsetzung mitwirken. „Ich freue mich, wenn möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mitmachen und ihren Bezirk selbst mitgestalten“, sagt Amtsleiterin Sophie Fredenhagen.