Harburg. In Hamburg ruht der Busbetrieb jetzt nachts. Wer trotz Ausgangssperre raus muss, soll Sammeldienste nutzen. Klappt das? Ein Versuch.
Es ist erst seit wenigen Jahren so, dass die wichtigsten Buslinien die ganze Nacht durch bedient werden, aber die Harburger haben sich schnell daran gewöhnt. Im Zuge der Hamburger Ausgangssperre wird dieses Angebot nun gestrichen. Die ersten Busse fahren erst ab 4.30 Uhr.
Wer trotz Ausgangssperre unterwegs sein muss, weil es der Arbeitsweg oder andere dringende Gründe erfordern, hat hier als Alternative nur die Möglichkeit, günstiger Taxi zu fahren oder – erstmalig im Hamburger Süden – die Sammelbeförderung Moia zu benutzen. Ob das reicht, beurteilen Harburger Bezirkspolitiker unterschiedlich. Ein Praxistest.
Premiere: Erstmals ist Moia nun in Harburg unterwegs
Meine Recherchefrage: Wie kommen die zur Arbeit, die wirklich früh da sein müssen? An meinem Testmorgen fahren die Busse zum letzten Mal im Normalbetrieb, aber Moia bietet seine Dienste bereits an, um den Sonderbetrieb einzuspielen. Ich habe mir abends die App installiert, die ich als Harburger ja sonst nicht brauche, da die Sharing- und Pooling-Dienste um den Hamburger Süden bislang einen Bogen gemacht haben.
Um Mitternacht habe ich die App ausprobiert. Für 4 Uhr konnte ich mir keine Fahrt vorbestellen. Aber für den unmittelbaren Fahrtantritt wurden mir drei Abfahrten im Abstand von 10 bis 12 Minuten an der nächstgelegenen Bushaltestelle angeboten. Dreidreiviertelstunden Schlaf und eine Tasse Kaffee später sieht das anders aus: Die nächste Abfahrt ist erst in 29 Minuten möglich.
Moia setzt 120 Fahrzeuge in ganz Hamburg ein
120 elektrisch betriebene Kleinbusse setzt Moia für den Nachtbetrieb in ganz Hamburg ein. Von den neun Plätzen pro Fahrzeug dürfen aus Hygienegründen höchstens drei belegt sein. Maximal können in Hamburg also 360 Fahrgäste gleichzeitig mit Moia unterwegs sein. Hinzu kommen die Taxifahrten und in ausgewählten Regionen der Bahn-Shuttle Ioki. „Wir können auch noch mehr Fahrzeuge auf die Straße bringen, wenn die Stadt uns beauftragt“, sagt Moia-Sprecher Christoph Ziegenmeyer. „Wir haben noch Reserve.“
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Jörn Lohmann, Bezirksfraktionsvorsitzender der Linken, glaubt, dass das nötig ist: „Der Bedarf ist viel höher!“ Frank Wiesner, Verkehrsexperte der SPD-Bezirksfraktion, sieht das anders: „In der Vergangenheit waren die Nachtfahrten doch immer untergenutzt. Und jetzt sollen nur die unterwegs sein, die wirklich müssen. Ich plädiere dafür erst einmal zu prüfen, ob das Angebot nicht doch reicht.“
Während ich zur Haltestelle gehe, setzt Schneeregen ein. Nicht schön. Auf dem Weg begegne ich mindestens fünf Anwohnern meiner Wohnstraße, die um diese Zeit schon mit dem Auto zur Arbeit fahren. Oben, an der Haltestelle warten noch einmal zwölf Menschen auf den 4.30-Uhr-Bus zum Bahnhof. Der fährt hier heute zum letzten Mal für die nächsten zwei Wochen. Danach ist der HVV-Info zufolge 4.30 Betriebsbeginn an der Endhaltestelle. Also nicht hier.
Um rechtzeitig bei Airbus zu sein, braucht es den Bus
Frühschichtbeginn in den meisten Industriebetrieben ist um 6 Uhr, in Arbeitskleidung und auf dem Posten. Das Werk betreten muss man entsprechend früher. Um beispielsweise rechtzeitig bei Airbus in Finkenwerder zu sein, benötigt man genau diesen 4.30-Uhr-Bus, der gerade abfährt, um den Bus nach Finkenwerder um 4.41 Uhr – der fährt weiter regulär – am Harburger Bahnhof zu bekommen.
Kurz nachdem der Bus weg ist, rollt lautlos mein Moia durch das Schneegestöber. Der Fahrer fragt nach meinem Namen, quasi als Buchungsbestätigung und ich muss meine HVV-Karte zeigen. Dann rollt der elektrische Kleinbus los. Ich bin der einzige Fahrgast. Bis zu zwei weitere hätten sich auf dem Weg noch dazu buchen können. Angenehm ruckelfrei geht es durchs Morgengrauen.
Frühmorgens viel los auf dem Harburger Busbahnhof
Ich habe bis zum Harburger Bahnhof gebucht und werde dort am Bussteig herausgelassen. Dort fährt gerade der 146er zum Airbus-Werk ab. Geschätzte zehn Menschen, ich kann so schnell nicht zählen, sitzen drin. Den hätte ich verpasst. Hätte ich zu Airbus gewollt, hätte ich zugegebenermaßen aber auch gleich ein Moia bis vors Werkstor buchen können – kostenlos. Auf dem Busbahnhof ist viel los.
Es sind nicht nur Frühschicht-Arbeiter wie Reinigungskräfte, die zwischen 5 und 7 Uhr putzen, oder auch Kantinenpersonal unterwegs. Ghibril und Abu sind sogar bereits auf dem Heimweg: „Wir haben heute Nacht an einer Gleisbaustelle gearbeitet und hatten etwas früher Feierabend“, sagt Abu.
Ohne triftigen Grund ist um diese Zeit und bei diesem Wetter wirklich niemand unterwegs, stelle ich fest. Und wenn ich die Menschen zähle, die hier unterwegs sind, hätte man mindestens sechs Moias gebraucht, um sie zum Bahnhof zu bekommen. Der eingeschränkte Busbetrieb würde nämlich gerade jetzt erst einsetzen.