Harburg . Serie zum 8. Harburger Nachhaltigkeitspreis. Das Abendblatt stellt alle Bewerber vor. Heute: Die Stiftung „Rüm Hart“ und die Schule Maretstraße
Unter dem Motto „Mit gutem Beispiel voran. Für Harburg. Für alle. Für heute und morgen“ ehrt die Bezirksversammlung Harburg seit 2013 jährlich Akteurinnen und Akteure, die sich für die Sicherung der natürlichen und sozialen Lebensgrundlagen für heute und morgen im Bezirk Harburg engagieren. Eine unabhängige Jury aus Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Gesellschaftsbereiche prämiert vorbildliche und zukunftsweisende Projekte.
In einer Veranstaltung mit Rahmenprogramm und Plakatausstellung werden alle Bewerberprojekte der Öffentlichkeit vorgestellt und die Preise übergeben. Diesjähriger Sponsor ist die Sparda-Bank Hamburg. Das Abendblatt stellt alle 18 Bewerber vor. Die Projekte und Initiativen aus dem Stadtteil hatten sich in der Zeit vom 14. September bis 19. Oktober 2020 für den 8. Harburger Nachhaltigkeitspreis beworben. Der Grund für die Vorab-Präsentation: Das aktuelle Infektionsgeschehen, wodurch die für den 20. November geplante öffentliche Preisverleihung mit Nennung der Siegerprojekte und Beginn der Posterausstellung auf den 19. März 2021 verschoben werden musste.
Das zehnte Projekt, die „Streuobstwiese des Lebens“ der Neugrabener Rüm Hart Stiftung, verbindet Natur- und Klimaschutz mit Nachbarschaftshilfe: . Bienen, Mücken, Spinnen, Frösche, Fledermäuse, Käuze, seltene Orchideen: Sie alle lieben Streuobstwiesen. Hier stehen hochstämmige Obstbäume „verstreut“ auf Wiesen, also nicht in Reih und Glied wie in Obstplantagen. Sie strotzen nur so vor Artenreichtum, bieten sie in Mitteleuropa doch bis zu 5000 Tieren und Pflanzen optimale Lebensbedingungen. Wie alle Bäume binden auch Obstbäume CO2 und sind Teil des Wasserkreislaufes.
Seit Mitte des letzten Jahrhunderts vertreiben Baumaßnahmen und ertragreichere Plantagen die traditionellen Obstwiesen und mit ihnen die Sortenvielfalt. Grund genug für die 2017 von der Familie Janssen gegründete Stiftung Rüm Hart, den Stadtteil, in dem sie wohnen, ökologisch aufzuwerten: „Rüm Hart ist Friesisch und bedeutet ‚weiches Herz‘ und unser Herz schlägt für Umweltbildung sowie aktiven und regionalen Umweltschutz“, skizziert Dr. Dirk Janssen die Mission der Stiftung und die daraus resultierenden Maßnahmen.
Die jüngste davon ist die neu angelegte Streuobstwiese in Neugraben Fischbek. „An de Geest“ stehen seit dem 4. November sechs klimarobuste, selten gewordene, regionale Apfelbaumsorten wie etwa der Finkenwerder Herbstprinz, Wohlschmecker aus Vierlanden, Ruhm aus Vierlanden, Purpurroter Cousinot und Altländer Pfannkuchen. Auf 500 Quadratmetern haben sie ausreichend Platz und Licht. Sie sollen von Schulkindern und Anwohnern gepflegt und gehegt werden. Wie das geht, lernen sie in entsprechenden, kostenlosen Schulungen. Sofern Corona nicht – wie leider bei der als Gemeinschaftsaktion geplanten Baumpflanzung – dazwischenfunkt, ist im kommenden Frühjahr ein Blütenfest im Quartier denkbar und im Herbst könnte ein interkulturelles Erntedankfest starten.
Das ehrenamtlich geführte und per Sponsoring bestrittene Partizipations-Projekt in der Sandbek-Siedlung schafft urbane Biotope und sorgt für soziale Gerechtigkeit.
Projekt 11 wirkt gegen Schulfrust und Aussichtslosigkeit bei Jugendlichen. Es handelt sich um das Projekt „Aus Schulmüdigkeit wird soziales Engagement“ der Stadtteilschule Maretstraße“. Null Bock auf Schule?! Kommt hin und wieder schon mal vor. Geschenkt. Richtig hart wird es aber, wenn dies immer öfter so ist und die bocklosen Schulkinder auf der Strecke bleiben. Wie etwa in der Stadtteilschule Maretstraße. Sie liegt mitten im sozialen Brennpunkt Phoenixviertel. Hier gibt es schwache Einkommenslagen, steigende Kriminalitätsraten und Drogenmissbrauch. Rund zehn Prozent der Schülerschaft ist „schulmüde“. Nicht zuletzt durch schwierige oder bildungsferne Familienverhältnisse, mangelnde Deutschkenntnisse, Lernbehinderungen und aktuelle Corona-Beschränkungen.
„Wir möchten die Fehlzeiten unserer Schülerinnen und Schüler reduzieren und die aktive Teilnahme der Kinder am Unterricht erhöhen“, skizziert Lehrerin Melanie von Huene das Projektziel. „Damit verbessern sich auch ihre Lernleistungen und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt.“
2017 ging das Projekt „Schulmüdigkeit wird zum sozialen Engagement“ mit der Gründung der „NeuLand-Gruppe“ an den Start. Mit Erfolg. Lernschwache und lustlose Schülerinnen und Schüler der 9. Und 10. Klasse entdecken ihre praktische Seite und verfeinern ihre Fähigkeiten. Zugleich übernehmen die Jugendlichen soziale Verantwortung, lernen Zuverlässigkeit und Ausdauer. Der Trick heißt praxisorientiertes Lernen: etwa bei der regelmäßigen Pflege des ökologisch geführten Schulgartens, beim Aufbau einer Kleiderkammer, beim Zubereiten gesunder Mahlzeiten für andere Kinder im Viertel, beim Tanzen, Basteln und Backen mit anderen Kindern, in Berufspraktika und bei Arbeiten in der Holzwerkstatt. Und es funktioniert: Den Teilnehmenden eröffnen sich plötzlich neue Perspektiven. Sie möchten in der Schule weiterlernen, an Berufsvorbereitungen teilnehmen, ein Praktikum oder eine Berufsausbildung machen. So steht ihnen eine sinnvolle gesellschaftliche Teilhabe offen. Die nachhaltigen Aspekte dieses Schul-Projektes sind der ökologische Gartenbau, soziale (Bildungs-) Gerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit.