Harburg . FDP wollte Straßenbenennungen nur noch nach Flora und Fauna vornehmen, um spätere Debatten um etwaige dunkle Seiten der Namensgeber zu vermeiden

Die Straßen in Harburg werden auch weiterhin nach Personen benannt werden dürfen, beschloss die Bezirksversammlung am Dienstag mit großer Mehrheit. Lediglich die zwei anwesenden FDP-Abgeordneten stimmten für den Antrag ihrer Partei, künftige Straßenbenennungen nur noch nach Flora und Fauna vorzunehmen, um spätere Debatten um etwaige dunkle Seiten der Namensgeber zu vermeiden.

„Es wundert mich schon sehr, dass ausgerechnet die FDP, die sonst sehr für liberale Diskussionskultur ist, jetzt Debatten vermeiden möchte“, sagte Jürgen Marek, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen. Heiko Langanke (Linke) fügte hinzu: „Es besteht bei manchen Straßen Redebedarf, aber dann muss man auch reden. Nach Personen ausgewählte Straßennamen sollen ja geradezu dazu anregen, sich mit diesen Personen auseinanderzusetzen. Das kann und muss manchmal auch eine kritische Debatte sein, aber sie nicht zu führen, wäre doch fatal!“ Noch vor vier Wochen hatte Langanke selbst laut darüber nachgedacht, ob man nicht die Gaiserstraße wegen der Kolonialherrenvergangenheit ihres Namensgebers umbenennen sollte, das aber verworfen.

„Es gibt schon genügend Blaumeisenwege in Deutschland“

Auch die SPD haderte unlängst mit einem Straßennamen, nämlich dem Adolf Wagners, nachdem herauskam, dass der kaiserzeitliche Sozialökonom in antisemitischen Kreisen verkehrte. Grundsätzlich wollen alle Parteien außer der FDP jedoch an Personennamen als Quelle für Straßenbenennungen festhalten.

„Es gibt schon genügend Blaumeisenwege in Deutschland“, ätzte SPD-Fraktionschef Frank Richter, um danach ernst zu werden. „Wir würden uns die Chance der Würdigung und des Gedenkens vergeben. Beispielsweise gibt es einen Beschluss der Bezirksversammlung, die Straßen im Neubaugebiet Fischbeker Reethen nach Frauen zu benennen, die im Neugrabener KZ-Außenlager Zwangsarbeit leisten mussten. Als Heinz Schulz, der das Gedenkprojekt leitet, Kontakt mit Nachfahren der Frauen aufnahm und ihnen das mitteilte, haben einige vor Rührung geweint.“

Eine FDP-Abgeordnete verfolgte die Sitzung nicht im Saal: Die Fraktionsvorsitzende Viktoria Ehlers ließ sich entschuldigen und eine Erklärung verlesen: Die junge Abgeordnete ist schwanger und hätte das gern selbst mitgeteilt, muss aus gesundheitlichen Gründen aber derzeit für die Politik passen. ​