Hamburg. Die Chefin der Harburger Arche, Angela Krull, ist in der Anlaufstelle für Kinder als Betreuerin und Netzwerkerin tätig.
Wer die neuen Räume des Kinder- und Jugendwerkes Arche an der Maretstraße in Harburg besucht, sollte sich auf einen lauten Nachmittag einstellen. Einige Dutzend Kinder kommen hier täglich zusammen, um mit den Betreuern der Arche Schleuderbälle zu basteln, mit Kreide zu malen, Uno zu spielen oder gemeinsam Pizzaschnecken zu backen.
Angela Krull ist an den Umgang mit vielen Menschen gewöhnt. Sie kommt aus einer großen Familie. Die 28-Jährige leitet die Harburger Arche, die sich in den Räumen der Christuskirche befindet. In der Aufbauphase – die Arche Harburg ist seit einem Monat offiziell geöffnet – besteht ihre Arbeit neben der Kinderbetreuung auch aus Organisation und dem Versuch, die Arche im Stadtteil zu vernetzen. Außerdem koordiniert sie aber auch die Umbauarbeiten eines Toberaums.
Es ist nicht die erste Leitungsposition für Angela Krull, die erst im Juni bei der Arche eingestiegen ist. Zuvor war die junge Frau parallel zu ihrem Studium sieben Jahre lang bei dem gemeinnützigen Hamburger Verein „Stadtinsel“ tätig. Sie leitete den Standort in Kirchdorf-Süd und hat dort ein erfolgreiches Lernangebot mit aufgebaut. Die Einrichtungen Stadtinsel und Arche sind vernetzt, so ergab sich dann auch der Weg nach Harburg.
„Südlich der Elbe war schon immer mein Gebiet“, sagt Krull, die langsam das Phoenix-Viertel und den vielfältigen Stadtteil rund um die Arche kennenlernt. Ursprünglich kommt sie aus einem Vorort von Hannover, für ihr Studium der Bildungs- und Erziehungswissenschaften zog sie aber nach Hamburg.
Kinder waren schon immer ihre Zielgruppe
Angela Krull war schon früh klar, dass sie gern mit einer jungen Zielgruppe arbeiten möchte. Ihre Familie nahm immer wieder Pflegekinder bei sich auf. „Das, was da ist, reicht eigentlich nicht aus. Es gibt wirklich sehr schwierige Lebensumstände – und große Ungleichheit. Und der war ich mir auch schon immer bewusst“, sagt Krull über ihre Motivation für ihre Arbeit. „Ich fühle mich sehr beschenkt und gesegnet in meinem Leben. Und das motiviert mich auch zu sagen: Ich kann nicht einfach in meiner Welt bleiben. Ich sehe die Ungleichheit und ich sehe, dass nicht alle die gleichen Chancen haben.“
Dagegen etwas zu tun sei die Verantwortung jedes Einzelnen – innerhalb seiner Möglichkeiten, in seinem Bereich in der Gesellschaft, meint Krull. „Dafür muss man nicht in der Arche sein“, sagt die 28-Jährige, die auch eine Ausbildung zur Lerntherapeutin und Weiterbildung im Bereich Straßenpädagogik und Traumatherapie gemacht hat. „Es ist auch immer wieder schön, Erfolgswege zu sehen, wenn man an der richtigen Stelle ansetzt“.
Das aktuell aus vier Mitgliedern bestehende Harburger Team ist ganztägig in den Räumen der Christuskirche anzutreffen. Vormittags begleitet es dort Schüler, die beim Lernen besonders unterstützt werden müssen. Ab 13 Uhr – also für viele andere nach Schulschluss – können weitere Kinder in die Räume kommen. „Die Schule ist oft auch schon ein negativ besetzter Raum, mit schlechten Erfahrungen oder wenig Erfolgserlebnissen“, erzählt Angela Krull. Das sagen auch einige Kinder selbst. In einem Bastelkurs am Nachmittag etwa fragte Krull, wie denn die Schule war, und eines der Mädchen antwortete: „Schule ist nie gut“. Das Team will helfen, dass sich an dieser Einschätzung etwas ändert und will neben der Lernunterstützung auch musikalische und kreative Angebote machen, damit die jungen Leute in der Arche an ihrem Selbstbewusstsein arbeiten können.
Arche Harburg: Auch junge Geflüchtete werden betreut
Seit September werden an zwei Tagen in der Woche auch junge Geflüchtete in der Arche betreut. Nicht nur für diese Arbeit ist die Einrichtung weiter auf der Suche nach Freiwilligen, die die Arbeit mit den Kindern unterstützen möchten. Die Arche ist eine hauptsächlich mit Spenden finanzierte Einrichtung. Langfristig möchte sich der Harburger Standort mit Unterstützung von Firmen, Stiftungen und Einzelpersonen unabhängig vom Dachverband tragen können.
An diesem Netzwerk arbeitet Angela Krull. Ihr ist es wichtig, den Kindern durch Spenden zum Beispiel gute Lernmaterialien zur Verfügung stellen zu können, das drücke Wertschätzung aus. In ihrer Arbeit gehe es vor allem um intensive, langfristige Beziehungsarbeit. Diese sei wichtig für Kinder, in deren Umfeld die Unterstützung fehlt, sagt Angela Krull. Aber: „Wir wollen kein Elternersatz werden oder etwas ausgleichen, sondern auch die Eltern bestärken, ihre Rolle gut auszufüllen.“ Der Kontakt fällt dabei ganz unterschiedlich aus. Manche Eltern begleiten ihre Kinder zur Arche, andere hat das Team noch gar nicht zu Gesicht bekommen.
Einige Kinder wollen sich in der Harburger Einrichtung nichts vorschreiben lassen
Es ist ein offenes Kommen und Gehen in der Harburger Einrichtung. Normalerweise muss sich niemand anmelden, um hier zu sein – aktuell wird nur coronabedingt eine Kontaktliste der Anwesenden geführt. In der Anfangsphase kommen immer neue Kinder dazu.
Auch in den Workshops kommen und gehen die Kinder. Während einige mit Krull basteln, wollen andere lieber allein Kicker spielen. Um Ruhe in die Abläufe zu bringen, muss Angela Krull auch mal strenger werden. Einige Kinder wollen sich beispielsweise nicht vorschreiben lassen, wann sie sich die Hände waschen müssen – nennen Krull aber trotzdem scherzhaft „Habibi“ (Arabisch für „Schatz“, Anm. d. Red.).
„Die Balance von Nähe und Distanz kann immer wieder ein Problem in diesem Berufsfeld werden“, sagt Krull. „Ich glaube, es ist wichtig, eine gesunde Distanz zu behalten.“ Man müsse auch auf sich selbst achten, um nicht auszubrennen. Woher nimmt man die Kraft und wie verarbeitet man das Ganze, das man täglich erlebt? „Für mich persönlich ist mein Glaube sehr hilfreich“, sagt Krull, die neben T-Shirt, Stoffhose und Sneakern auch eine dünne Silberkette mit einem kleinen Kreuz um den Hals trägt.
"Bei uns ist jeder willkommen, egal welcher Kultur, egal welcher Religion"
Die Arche ist eine christliche Einrichtung. Dennoch ist es Angela Krull wichtig zu betonen: „Bei uns ist jeder willkommen, egal welcher Kultur, egal welcher Religion – jeder darf kommen und so sein, wie er ist“.
Sie möchte, „dass Leute nicht denken, sie dürften nicht kommen, weil wir Christen sind oder weil die Arche in einer Kirche ist“. Manche Kinder und Eltern seien dabei sehr vorsichtig. Meist erleben die Arche-Mitarbeiter aber wenig Probleme damit, in ihren Gruppen verschiedene Glaubensrichtungen zusammenzubringen.
Mit seiner Arbeit möchte das Team den Kindern Werte vermitteln und ihnen auch unabhängig vom christlichen Glauben zeigen: „Du wirst geliebt“, „du bist einmalig“ und „es gibt einen guten Plan für dein Leben“.