Hamburg. Bewohner des “Aschenlands I“ müssen ausziehen. Initiative klagt: Teils gut integrierte Personen werden erneut entwurzelt.
Ein Brief des Landesbetriebs Fördern und Wohnen hat die Bewohner der Flüchtlingsunterkunft „Am Aschenland“, auch „Aschenland I“ genannt, in der vergangenen Woche in Unruhe versetzt: Die Unterkunft werde zum 30. September geräumt, heißt es in dem Schreiben. Alle Bewohner, die noch nicht selbst eine andere Bleibe gefunden hätten, sollten sich bis spätestens gestern beim Bezirksamt vorstellen.
Wer bis Ende September keine Wohnung hat, wird in eine andere Unterkunft verlegt. Die Initiative „Willkommen in Süderelbe“, die die Integration der Geflüchteten im Stadtteil mit Rat und Tat ehrenamtlich unterstützt, zeigt sich entsetzt. Hier würden teils gut integrierte Haushalte und Personen erneut entwurzelt, sagt Initiativensprecher Oliver Domzalski.
Dass die Unterkunft geräumt wird, ist auch für Domzalski keine allzu große Überraschung. Es gibt einen Bürgervertrag zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und der Bürgerinitiative Neugraben Fischbek (BINF), die seinerzeit juristische Klagen sowie ein Bürgerbegehren gegen den Bau der Unterkunft angekündigt hatte. In dem Vertrag von 2016 ist festgelegt, dass die Einrichtung nur bis zum Jahresende 2020 bestehen bleibt. „Und an diesen Vertrag halten wir uns jetzt“, sagt Martin Helfrich, Sprecher der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration (BAGSFI).
Willkommensinitiative sorgt sich vor allem um Familien
„Deshalb haben wir Fördern und Wohnen beauftragt, die Unterkunft rechtzeitig zu räumen.“ Domzalski weiß um den Vertrag: „Wir haben deshalb ja selbst seit Anfang des Jahres mehrmals nachgefragt, was hier jetzt geschieht und wie es weiter geht“, sagt er. „Eine Antwort konnte uns aber niemand geben. Ähnlich, wie wir, sind in Bezirkspolitik und Verwaltung deshalb wohl auch viele davon ausgegangen, dass die Laufzeit der Einrichtung doch noch verlängert wird. Nach unserem Kenntnisstand wusste bis vor kurzem nicht einmal die Unterkunftsleitung Bescheid.“
Die Willkommensinitiative sorgt sich vor allem um die Bewohner, die begonnen haben, sich im Stadtteil zu integrieren, sei es über Arbeit in der Nähe oder über Kita- und Schulkontakte ihrer Kinder: „Die werden jetzt aus einem vertrauten Umfeld wieder herausgerissen!“
BAGSFI-Sprecher Helfrich hält dem entgegen, dass Flüchtlingsunterkünfte ohnehin nicht zum dauerhaften Bewohnen gedacht seien. „Das Ziel ist es immer gewesen, die Bewohner im normalen Wohnungsmarkt unterzubringen“, sagt er, „denn die Wohnverhältnisse in einer Unterkunft liegen unter dem, was wir eigentlich für jeden Bewohner der Stadt als Mindeststandard sehen. Deshalb gibt es ja auch Fluktuation in den Unterkünften.“
„Bewohner haben auf dem freien Wohnungsmarkt keine Chance“
Der „normale Wohnungsmarkt“ geht allerdings vielfach auch von Mietern aus, die vielleicht einige, nicht aber viele Kinder haben. „Diese Familien mit vielen Kindern sind die, die am längsten in den Unterkünften bleiben“, sagt Oliver Domzalski. „Sie haben auf dem freien Wohnungsmarkt keine Chance! Dabei sind es oft auch diese Familien, die besser im Stadtteil integriert sind, weil die Kinder Kontakte in der Schule, der Kita oder beim Sport knüpfen. Oft bringen die Kinder die deutsche Sprachkompetenz in diese Familien. Ein Umzug würde bedeuten, dass Kontakte abbrechen und eine gute Entwicklung ins Stocken gerät!“
Martin Helfrich verspricht, dass man gerade solche Familien und Bewohner besonders im Blick habe. „Hier ist das Unterkunftsmanagement aktiv, damit wir rechtzeitig gute Lösungen finden“, sagt er.
Dass die Sozialbehörde sich seit Jahresanfang darum bemüht, Reserveflächen für Flüchtlingsunterkünfte zu finden, habe nur bedingt mit der Schließung der Unterkunft Aschenland I zu tun, so Helfrich: Wir brauchen die Reserveflächen nicht, um bestehende Unterkünfte zu ersetzen, sondern um Kapazitäten zu haben, falls die Flüchtlingszahlen wieder steigen. Eigentlich würden wir bestehende Unterkünfte, die nicht mehr benötigt werden, dafür vorhalten, aber an vielen Standorten bauen wir sie ab, wie in Fischbek.“
Für Oliver Domzalski bleibt ein bitterer Beigeschmack: „Für alle, die sich engagiert und eingesetzt haben, ist die kurzfristige Ankündigung eine Ohrfeige“, sagt er. „Durchgesetzt haben sich letztlich die, die laut protestiert haben!“