Kreis Harburg. Der Landkreis Harburg ist sauer. Wer sich auf Corona testen lassen will, muss bis nach Rosche südlich von Bad Bevensen fahren.
Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) hat jetzt die Standorte für die neuen Corona-Testzentren für Rückkehrer aus dem Urlaub festgelegt. Doch die Wahl von Rosche sowie Zeven für Bewohner aus dem Landkreis Harburg löste bei der Kreisverwaltung in Winsen wenig Freude aus. „Der größte Landkreis aus dem Bereich der KVN-Bezirksstelle Lüneburg ist bei der Standortwahl außen vor geblieben“, sagte Sozialdezernent Reiner Kaminski gestern dem Abendblatt. Dann rechnete er vor: „Von Seevetal etwa sind es 80 Kilometer bis Rosche. Das dauert mit dem Auto eine Stunde und mit Öffentlichen Verkehrsmitteln bis zu drei Stunden. Das kann man den Einwohnern im Kreis Harburg nicht zumuten.“ Immerhin: Die Arbeit in Rosche und Zeven hat am Mittwoch begonnen.
KVN verweist auf Zeitdruck bei der Standortwahl
Entschieden über den Standort Rosche hat der Lüneburger Geschäftsführer Oliver Christoffers. Er verweist darauf, dass die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erlassene Verordnung für die freiwilligen Teste für Rückkehrer aus dem Ausland erst seit Sonnabend in Kraft ist. „Daher mussten wir kurzfristig etwas auf die Beine stellen.“
Seine Wahl fiel auf Rosche, weil dort eine Kooperation mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) besteht und die Hilfsorganisation rasch medizinisches Personal stellen konnte. „Wir konnten dort am schnellsten wieder an den Start gehen.“ Zuvor hatte die KVN ihre Testzentren landesweit fast überall geschlossen. Als jedoch die Diskussion über die Urlaubsheimkehrer aufflammte und die Zahl der Corona-Infizierten wieder stieg, kam es zu der Kehrtwende.
Kreisverwaltung in Winsen übt Kritik
Keine Frage: Der Zeitdruck ist hoch. Doch für Sozialdezernent Kaminski bleibt es weiter schlicht „unverständlich“, dass kein Zentrum im Landkreis eingerichtet wird: „Personal und die Hilfe des DRK können wir auch anbieten. Wir waren gleich bereit, den Aufbau eines Testzentrums zu unterstützen.“
18 neue Corona-Fälle in einer Woche
Im Landkreis wurden bis Mittwochnachmittag innerhalb von sieben Tagen insgesamt 18 neue Corona-Erkrankungen registriert. Das entspricht 7,1 Fällen pro 100.000 Einwohner. Die Zahl liegt damit weit unter der Grenze von 50 Fällen, bei der Lockerungen zurückgenommen werden müssten. „Doch der Großteil der Infizierten waren eben Reiserückkehrer“, sagt Kaminski.
Zwar sieht Spahns-Verordnung ausdrücklich vor, dass sich jeder Rückkehrer aus dem Ausland auch bei niedergelassenen Ärzten oder bei den Gesundheitsämtern testen lassen kann. Doch Kaminski verweist darauf, dass die Hausärzte bereits mit der Regelversorgung ihrer Patienten gut ausgelastet seien und so die Tests kaum mehr zusätzlich übernehmen könnten. „Unser Gesundheitsamt hat zudem andere Aufgaben und springt nur in besonderen Einzelfällen ein.“
Verbindlicher Test bei Rückkehr aus Risikogebiet
Grundsätzlich gilt: Jeder, der aus dem Ausland wieder nach Deutschland einreist, kann sich binnen 72 Stunden kostenlos und freiwillig auf eine Corona-Infizierung testen lassen. Gesundheitsminister Spahn will für Menschen, die sich zudem in Risikogebieten aufgehalten haben, Test künftig verbindlich vorschreiben. Derzeit werden mehr als 120 Länder als Risikogebiete eingestuft. Zu ihnen gehören etwa die Seychellen, in Spanien die Regionen Aragón, Katalonien, und Navarra sowie Sri Lanka oder auch Südafrika.
Hausärzte sind überlastet
Termine für die Testzentren wie in Rosche müssen derzeit noch über den jeweiligen Hausarzt vereinbart werden. „Wir arbeiten jedoch an einem Online-Portal, über das sich die Menschen selbstständig einen Termin eintragen und damit sichern können“, sagte der stellvertretende KVN-Sprecher Uwe Köster. „Alle müssen dabei glaubhaft versichern, das sie aus dem Ausland zurückkehren.“ Das geht etwa über ein Flugticket oder eine Fahrkarte. Köster hält es für möglich, dass das Portal bis Ende nächster Woche betriebsbereit ist.
Finanzierung der Zentren bleibt unklar
Die Finanzierung der Zentren ist dabei noch unklar. „Die Krankenkassen haben uns jetzt signalisiert, dass sie sich an den Kosten der Testungen nicht beteiligen werden. Wir müssen also mit eigenen Mitteln die erforderliche Infrastruktur aufbauen und können nur hoffen, dass später ein Weg der Refinanzierung gefunden wird,“ sagte der Vorstandsvorsitzende der KVN Mark Barjenbruch.
Inwieweit Urlaubsrückkehrer für die Corona-Tests auf die Zentren zurückgreifen werden, gilt als umstritten. Sollte der Ansturm groß sein, will der Lüneburger KVN-Geschäftsführer Christophers flexibel reagieren. „Dann könnten wir zu dem Ergebnis kommen, dass wir noch weitere Standorte brauchen.“