Stade/Winsen. Touristiker in der Region und in Niedersachsen erleben, wie sich die Gästestruktur wandelt – auch in der Heide oder dem Harz.
Im Landkreis Stade und dort speziell im Alten Land beobachten die Tourismusexperten ähnlich wie in anderen Regionen Niedersachsens eine deutliche Veränderung der Besucher-Struktur. „Auffallend viele junge Familien mit Kindern kommen gerade hierher, sowohl als Tages- wie auch als Übernachtungsgäste“, sagt Pauline Stockschläden vom Tourismusverband Altes Land in Jork. In anderen Jahren würden eher „ältere Herrschaften“ die Mehrheit der Touristen im Alten Land bilden.
Nach Einschätzung des Verbandes dürften die Umsatzrückgänge bei den Übernachtungszahlen während des Corona-Lockdowns zudem bald wieder aufgefangen sein. Aktuell sei man im Alten Land bis weit in den Herbst hinein ausgebucht, wobei sich rund 80 Prozent der Übernachtungsangebote an der Elbe in Ferienwohnungen befinden. Nur vereinzelt sei noch etwas zu bekommen, sagt die Jorker Tourismusexpertin und macht die Tendenz an konkreten Zahlen fest: So gab es allein über die eigene Website des Tourismusverbandes für das ganze Jahr 2019 rund 758.000 Übernachtungsbuchungen für das Alte Land. Aktuell liegt die Zahl schon bei 630.000 Buchungen – fünf Monate vor Jahresende.
Die Weite der Natur ist das größte Plus
Durchatmen, die Weite der Heide genießen, manchmal sogar für ein paar Kilometer völlig ungestört sein und niemandem begegnen. Diese Naturnähe und Abgeschiedenheit suchen immer mehr Feriengäste für den Urlaub in Corona-Zeiten. Bekannte Ziele wie die Nordseeküste stehen laut Tourismus-Marketing Niedersachsen zwar auch dieses Jahr wieder im Fokus, aber: „Im Vergleich zu den Vorjahren gibt es eine vermehrte Nachfrage von Urlaub auf dem Land“, sagt Referentin Renate Rebmann. Viele Regionen in Niedersachsen werden dabei von den Touristen neu entdeckt.
„Die Weite der Natur, das ist unser größtes Plus“, sagt die Projektmanagerin der Lüneburger Heide GmbH, Anja Siemer. Besonderes Highlight ist jedes Jahr die Heideblüte, die die ganze Landschaft lila färbt. Faustregel für die Blüte ist der Zeitraum vom 8. August bis 9. September. In diesem Jahr habe der Regen der vergangenen Wochen das Wachstum beschleunigt, so dass lila Farbtupfer bereits die Landschaft durchziehen. „Obwohl wir in wenigen Tagen mit der Heideblüte rechnen, gibt es noch einige, wenige Unterkünfte und Campingplätze“, sagt der Geschäftsführer der Lüneburger Heide GmbH, Ulrich von dem Bruch.
Besonders beliebt sind ländlich gelegene Ferienhäuser und -wohnungen sowie Campingstellplätze. Die Reservierungen erfolgten dieses Jahr oft spontaner, auch buchten mehr junge Leute Urlaub in Niedersachsen. Wer noch auf der Suche sei, dem empfiehlt Rebmann, sich bei den Touristinformationen vor Ort zu erkunden. „Die haben immer einen guten Einblick, wo es noch Kapazitäten gibt“. Abseits von Küste und Campingstellplätzen stünden die Chancen dafür am besten, auch wenn die Nachfrage für den Urlaub vor der Haustür in Niedersachsen vielerorts gestiegen sei.
„Wo Fulda und Werra sich küssen“
So gibt es rund um den Dümmer See zahlreiche Segelvereine. Doch statt internationaler Regatten, die aufgrund von Corona abgesagt oder verschoben werden mussten, erobern dieses Jahr vor allem Freizeitsportler Niedersachsens zweitgrößten See. „Spontan noch eine Unterkunft zu bekommen ist zurzeit schwierig“, sagt Anne Steinbauer von der Touristinformation Dümmerland. Die Region um den Dümmer See sei zwar auch im Vorjahr gut besucht gewesen. Doch in diesem Sommer blieben die Gäste mit mindestens zehn Tagen im Schnitt deutlich länger und nutzten die Zeit vermehrt für Surf- oder Segelkurse, sagt Steinbauer. Der See ist dabei nicht nur ein Anziehungspunkt für Wassersportler. Viele bedrohte Vogelarten rasten in den Feuchtgebieten rund um den See und lassen sich bei einer Radtour oder einem Spaziergang entlang der Naturerlebnispfade beobachten.
In Hannoversch Münden, „wo Fulda und Werra sich küssen“, erhält nicht nur die Weser ihren Namen. Dort befindet sich auch der Start des rund 500 Kilometer langen Weserradwegs. Dieser wird zurzeit enorm gut angenommen: „Die Leute entdecken das Radfahren neu, der Weserradweg boomt. Alles, was draußen stattfindet, ist sehr gefragt“, sagt die Geschäftsführerin des Weserbergland Tourismus, Petra Wegener. Anders als in den Vorjahren seien die Orte entlang der Weser hochfrequentiert, Ferienwohnungen und Campingstellplätze seien vielerorts ausgebucht.
Die reine Stadthotellerie tue sich allerdings noch schwer, viele Zimmer seien frei, sagt Wegener. Dabei lässt sich das Weserbergland nicht nur Rad, Schiffstour oder Wanderung erkunden. Kulturliebhaber finden im „historische Weserbergland“ zahlreiche Schlösser aus der Weserrenaissance, die Porzellanmanufaktur in Fürstenberg oder Altstädte mit vielen Fachwerkhäusern.
Neben Ausflugszielen wie dem Tierpark Nordhorn oder der Burg in Bad Bentheim zeichnet sich die Grafschaft Bentheim vor allem durch ein weitläufiges Radwegenetz und die Nähe zum Nachbarland Niederlande aus. „Viele Besucher finden es toll, einfach mal auf einen Kaffee über die Grenze zu radeln und so einen Abstecher zu machen“, sagt die Abteilungsleiterin vom Grafschaft Bentheim Tourismus, Sonja Scherder. Dabei haben Kurzentschlossene noch gute Chancen bei der Suche nach freien Quartieren. „Die Buchungen sind mittlerweile auf Vorjahresniveau. Spontan lässt sich noch etwas finden.“