Neuenfelde/Cranz. Behörden und Werft schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Hilfe bringt nur ein Konzept, an dem auch Hamburg beteiligt ist.

Für Außenstehende wird die Diskussion um den Schlick im Dockbecken der Pella-Sietas-Werft immer schwerer nachvollziehbar. Die Hafenbehörde Hamburg Port Authority (HPA) erklärt die Generaldirektion Wasser- und Schifffahrt (GWDS) des Bundes dafür zuständig, die Sedimente abzutragen; diese wiederum sieht die Werft in der Eigenverantwortung. Die Werft würde tatsächlich gerne den Schlick weiterhin selbst beseitigen, das wird ihr jedoch derzeit von der HPA untersagt.

Sietas würde spülen, darf es aber nicht

Unterdessen berichtet die Cranzer Bürgerschaftsabgeordnete Gudrun Schittek (Grüne), dass die GWDS der Werft eine Konventionalstrafe auferlegen will, weil diese ein von der Direktion bestelltes Baggerschiff nicht termingerecht ausliefern kann. Der Grund: Wegen des Schlicks im Werftbecken kann das Schwimmdock nicht abgesenkt und der Bagger nicht vom Stapel gelassen werden.

Bestätigen will die Sache mit der Konventionalstrafe weder die Werft, noch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion. Ein entschiedenes Dementi kommt aber auch von keiner der beiden Seiten: „Bitte haben Sie Verständnis, dass wir uns zu Vertragsangelegenheiten nicht äußern“, ist die Antwort der GWDS-Sprecherin Claudia Thoma.

Der neue Auftrag kann nicht starten, weil das Dock blockiert ist

Es ist auch nicht die Vertragsstrafe, die das größte Problem darstellt: Die Werft hat durchaus weitere Aufträge, darunter einen großen Eisbrecher, kann diese aber nicht starten, so lange der Bagger noch im Dock ist und so lange nicht sicher gestellt ist, dass sich das Schlickdilemma nicht mit dem Eisbrecher wiederholt: „Ohne Wasserzugang kann man nun mal keine Schiffe bauen“, sagt Pella-Sietas-Geschäftsführerin Natalia Dean. Vor diesem Hintergrund klingelten bei der Belegschaft und bei der Hamburger IG Metall die Alarmglocken, als bekannt wurde, dass die Pella-Gruppe die insolvente Flensburger FSG-Werft kaufen möchte. Dort, in der Flensburger Förde, wäre der Wasserzugang garantiert.

Unterstützt von der IG Metall startete der Sietas-Betriebsrat eine Unterschriftenaktion: Der Standort in der Estemündung muss erhalten bleiben. „Wir bekommen viel Unterstützung“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Dieter Ziebell, „bis Freitag hatten wir schon über 3000 Unterschriften zusammen. Die Menschen aus Neuenfelde und Cranz, aber auch viele Kollegen aus dem Hamburger Schiffbau unterschreiben gerne.“

Este-Sperrwerk wird zum Problem

Bis zum vergangenen Herbst gab es zwar auch schon immer wieder Probleme mit Schlick, aber jedes Mal, wenn ein Neubau fertig war, beseitigte die Werft den Schlick in Eigenregie und gewährleistete die Auslieferung. Dazu spülten die Schiffbauer die Sedimente aus dem Werftbecken. Dieses Verfahren hat die HPA der Werft nun allerdings untersagt.

Begründet wird das Verbot damit, dass sich ein ein Teil des in der Werft ausgespülten Schlicks im benachbarten Sperrwerk absetzt und dessen Funktion beeinträchtigt. Im November hatte es eine Sperrwerkshavarie gegeben, in der sich die Sperrtore tagelang nicht schließen ließen. Das Este-Sperrwerk dient dem Flutschutz. Bei Hochwasser wird es geschlossen, damit die Tide der Elbe nicht in voller Höhe in die Este hineindrückt. Ohne das Sperrwerk müssten die Este-Deiche erhöht und dafür ganze Ortschaften verlagert werden.

Als das Sperrwerk im Herbst havarierte, war bereits Sturmflutsaison. Als Ursache für die Störung machte man Schlickablagerungen aus. Kurz zuvor hatten bei Sietas Spülarbeiten stattgefunden. Ein ursächlicher Zusammenhang lässt sich zwar nicht nachweisen, aber „in den letzten Jahren traten immer wieder Funktionsstörungen im Bereich des Sperrwerks Estemündung, in direktem Zusammenhang mit Wasserinjektionsarbeiten auf“, schreibt HPA-Sprecherin Sinje Pangritz.

Baggern ist zu teuer

Die Alternative zum Spülen ist Baggern. Das würde nach Schätzung von Natalia Dean allein für das Ausdocken des auf dem Trockenen sitzenden Schwimmbaggers über sieben Millionen Euro kosten; Geld das in der ohnehin defizitären Schiffbaubranche niemand zahlen könnte und etwa 20-Mal so viel, wie das Spülverfahren.

„Wir verlangen gar nicht, dass jemand anders für uns baggert oder das Baggern bezahlt“, sagt Natalia Dean, „aber wir fordern, dass wir wieder spülen dürfen, damit bei uns die Produktion weitergehen kann. Wir würden gerne in Neuenfelde und Cranz weitermachen, denn wir haben hier gute Leute!“

Anwohner, Gewerkschaft und Kommunalpolitik fordern deshalb von der Stadt, mit der Werft zusammen eine Lösung zu finden und ein gemeinsames „Sedimentmanagementkonzept“ zu erarbeiten. Das könnte beispielsweise so aussehen, dass die HPA immer dann, wenn Sietas das Werftbecken spült, auch im Sperrwerk begleitende Spülarbeiten unternimmt.