Langenbek. Schausteller dürfen ihre Wagen jetzt mit Genehmigung des Bezirks auf öffentlichen Flächen aufstellen. Im Bezirk Harburg gibt es sieben Anträge.

Normalerweise liegt an der Winsener Straße 152 zur Mittagszeit der Geruch von mediterranen Speisen in der Luft. Doch seit ein paar Tagen mischt sich darunter der Duft von Schmalzkuchen, Berlinern und Apfeltaschen. Auf dem Grünstreifen vor dem Restaurant Mediterrain im Stadtteil Langenbek hat Bäcker Hartmut Ahrens seinen Verkaufswagen aufgestellt und sorgt damit für ein Stück Jahrmarktatmosphäre an der B 4.

Ein ungewöhnlicher Ort für den Schausteller und seine mobile Bäckerei. Denn normalerweise steht der 55-Jährige mit seinem Wagen auf dem Meckelfelder Dorffest, dem Neugrabener Weihnachtsmarkt und dem Poppenbütteler Pfingstmarkt. Dieser Tage hätten er und seine Frau Martina ihren Wagen an der Glacischaussee Eingang B des Hamburger Sommerdoms aufgestellt. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie im März sind alle Veranstaltungen abgesagt. Eine Situation, die viele Schausteller in Existenznot bringt. Wer überleben will, muss ein dickes Polster haben oder kreativ werden – so wie Hartmut Ahrens.

Als klar war, dass die geplanten Veranstaltungen nicht stattfinden, hat er begonnen, nach Standorten zu suchen, an denen er seinen Verkaufswagen aufstellen kann. Zunächst waren es private Flächen in Wilhelmsburg und Harburg. Jetzt kommen öffentliche Stellplätze hinzu, darunter der Grünstreifen an der Winsener Straße, den er sonst nur einmal im Jahr nutzen darf. Jetzt hat er vom Bezirk die Genehmigung erhalten, wiederzukommen, so oft er möchte. Möglich macht dies eine Vereinbarung von Finanzbehörde, Wirtschaftsbehörde und Bezirksamtsleitungen.

Für diese öffentlichen Grünfläche an der Winsener Straße in Langenbek hat Helmut Ahrens eine Sondergenehmigung der Stadt zum Aufstellen seines Verkaufswagens bekommen.
Für diese öffentlichen Grünfläche an der Winsener Straße in Langenbek hat Helmut Ahrens eine Sondergenehmigung der Stadt zum Aufstellen seines Verkaufswagens bekommen. © HA | Hanna Kastendieck

Diese hatten Anfang Juni ergänzend zu den umfangreichen städtischen Soforthilfen weitere Hilfsmaßnahmen für Gastronomen und Schausteller vereinbart. Sie befürworten unter anderem das Aufstellen einzelner Verkaufswagen im öffentlichen Raum, unabhängig von einer Veranstaltung als genehmigungsfähige Sondernutzung. „Dies ist eine Corona ausgleichende Maßnahme“, sagt Sandra Stolle vom Bezirksamt Harburg. „Denn unter normalen Umständen werden Verkaufswagen auf öffentlichen Wegeflächen grundsätzlich nur im Rahmen von Veranstaltungen genehmigt.“

Erlaubnis kann bei Bedarf bis zum Jahresende erteilt werden

Hartmut und Martina Ahrens waren die ersten, die die Chance nutzten und einen Antrag beim Bezirk zur Sondernutzung öffentlicher Flächen einreichten. Die Nutzung ist kostenfrei. Eine Erlaubnis kann bei Bedarf bis zum Jahresende erteilt werden. Entsprechende Verluste bei den Gebühreneinnahmen der Bezirke will die Finanzbehörde aus zentralen Corona-Mitteln des Haushalts erstatten.

Doch bislang hält sich die Nachfrage in Grenzen. „Aktuell prüfen wir sieben Anträge“, sagt Sandra Stolle. „Die Standbetreiber können ihre Anträge formlos unter Angabe des gewünschten Aufstellortes, des Aufstellzeitraums, des gastronomischen Angebotes und der konkreten Standmaße zusammen mit einer Standortskizze einreichen.“ Anhang der Antragsunterlagen werde geprüft, ob die Aufstellung an dem gewünschten Standort stattfinden könne. Dies sei neben den örtlichen Gegebenheiten, entgegenstehenden Nutzungen insbesondere auch von der Gewährleistung der Sicherheit des Verkehrs abhängig.

Gemeinsam mit einem Vertreter des Vereins zur Förderung der Volksfeste und Jahrmärkte in Hamburg e.V. hat das Bezirksamt jetzt sieben öffentliche Flächen für grundsätzlich geeignet eingestuft: Sand am Schillerdenkmal, Museumsplatz, Anfang und Ende der Bremer Straße im Fußgängerzonenbereich, Harburger Rathausplatz vor dem Boxerdenkmal, Herbert-Wehner-Platz und Lüneburger Tor.

Schausteller Hartmut Ahrens backt in seinem Verkaufswagen frischen Schmalzkuchen.
Schausteller Hartmut Ahrens backt in seinem Verkaufswagen frischen Schmalzkuchen. © HA | Hanna Kastendieck

„Grundsätzlich kann aber auf jeder öffentlichen Wegefläche Sondernutzung stattfinden“, heißt es aus dem Bezirksamt. Doch würden sich zur Aufstellung der Verkaufsstände potenziell nur zentral gelegene und gut frequentierte Flächen eignen. Auch das Vorhandensein von Strom- und Wasseranschlüssen sei eine Voraussetzung. Wie lange die Betreiber ihren Stand dort platzieren, entscheiden sie selbst. Die Sondergenehmigung kann bis zum 31. Dezember erteilt werden.

Direkte Hilfe durch das Schaffen alternativer Einnahmequellen

Finanzsenator Andreas Dressel und Wirtschaftssenator Michael Westhagemann wollen mit diesen zusätzlichen Möglichkeiten wichtige Impulse für die von der Coronakrise besonders betroffene Branche setzen. „Das Schaustellergewerbe ist von den aktuellen Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus besonders stark betroffen“, sagt Michael Westhagemann. „Der Frühlingsdom stellt traditionell den Start der Volksfestsaison in Hamburg dar. Durch den Wegfall der Veranstaltungen unserer Behörde, dem Frühlings- und Sommerdom sowie dem Hafengeburtstag und aller anderen Großveranstaltungen, brechen den Schaustellern sämtliche Einnahmemöglichkeiten weg. Das Schaffen alternativer Einnahmequellen ist hier eine geeignete und direkte Hilfe.“

Darüber hinaus würden auch die Hamburger, die in diesem Jahr nicht wie gewohnt verreisen könnten und deshalb Urlaub zu Hause machten von dieser Attraktivitätssteigerung und den zusätzlichen Angeboten im Freien profitieren.

Hartmut Ahrens, der seit 30 Jahren in der Schaustellerbranche tätig ist, hat bislang nur positive Rückmeldungen von seinen Kunden bekommen. „Sie sind froh, dass sie nun auch einmal ohne Jahrmarkt Schmalzkuchen kaufen können“, sagt er.

Noch bis Sonntag wird sein Wagen an der Winsener Straße stehen, dann will das Ehepaar erstmal weiterziehen. „Schließlich wollen wir für die Kunden etwas besonderes bleiben“, sagt Hartmut Ahrens. „Und außerdem muss ich – was den Auf- und Abbau des Wagens geht – in Übung bleiben, bis es wieder richtig los geht.“

Schaustellerbund

Der Schaustellerbund kritisiert die Entscheidung zum Verbot von Großveranstaltungen.

Bei einer Demo am Donnerstag vor dem Brandenburger Tor kamen rund 1600 Teilnehmer mit 1000 Fahrzeugen in der Hauptstadt zusammen, um für eine Lockerung der Maßnahmen zu protestieren.

Das Verbot komme faktisch einem Berufsausübungsverbot gleich, argumentieren die Schausteller.

Laut Verband seien rund 5000 Familienunternehmen und damit auch die Volksfestkultur Deutschlands aufgrund der Corona-Maßnahmen in ihrer Existenz massiv bedroht.