Stade. Durch die Elbvertiefung droht ein höherer Salzgehalt. Mehr als 300 Reservoirs werden angelegt mit Wasser für die Obstplantagen.

Ein großer Erdwall, der sich aus den scheinbar endlosen Reihen von kleinen Apfelbäumen erhebt, ist hier im nördlichen Landkreis Stade bei Wischhafen das erste, was man von dem 20-Millionen-Projekt erkennen kann: Erst wenn man ihn hochklettert und vor einem Schutzzaun steht, blickt man auf eine gut 250 Meter lange und 60 Meter breite Wasserfläche. Obstbauer Kai Kruse hat dort jetzt mit Geld aus dem Ausgleichstopf für die Elbvertiefung als einer der ersten Landwirte an der Niederelbe ein riesiges Speicherbecken mitten in seiner Obstplantage errichten lassen.

Rund 300 künstliche Seen werden angelegt

So will Kruse unabhängig von einer möglichen Versalzung des Elbwassers werden, das sonst für den Obstbau genutzt wird. Mehr als 300 solcher künstlichen Seen und Teiche dürften in den nächsten Jahren in dem niedersächsischen Obstbaugebiet hinzukommen, schätzt Heinrich Reincke. Der Wasserbauingenieur und Honorar-Professor an der Uni Lüneburg war viele Jahre Leiter der Wassergütestelle Elbe.

Ein profunder Kenner des Stroms, in dem vor einigen Monaten nun eine weitere Vertiefung der Fahrrinne begonnen hat. Später war Reincke als Moderator für umstrittene Großprojekte wie eben die Elbvertiefung direkt der Hamburger Senatskanzlei angegliedert. Heute leitet der inzwischen 72-jährige Harley-Fahrer nach seiner Pensionierung den Wasserbereitstellungsverband Niederelbe, der eigens für den Bau der neuen Wasser-Reservoires gegründet wurde und das Geld dafür verteilen soll.

Salzgrenze rückt weiter elbaufwärts

Hintergrund ist die Furcht der niedersächsischen Obstbauern, dass sich mit der Elbvertiefung der kritische Wert des Salzgehalts weiter stromaufwärts verschiebt. Heute liegt die Brackwasserzone, also der Mischbereich von Salz- und Süßwasser, noch bei Abbenfleth nördlich von Stade. Je nach Flutstärke und Wassermenge aus dem Oberlauf kann sie aber auch schwanken und bis Blankenese reichen. Wobei das eigentliche Tidevolumen, das aus der Nordsee in den Fluss drückt, im Sommer etwa bis 40 Mal größer ist, als die Menge, die vom Oberlauf als reines Süßwasser kommt.

Weil aber nun mit der Vertiefung das Volumen des salzhaltigen Wassers noch weiter vergrößert werden könnte, einigten sich Hamburg und Niedersachsen auf einen Vertrag, um den Obstbau vor möglichen und temporären höheren Salzgehalten zu schützen. 20 Millionen Euro sollten dazu bereitgestellt werden, eben um solche Speicherbecken für salzfreies Wasser zu bauen. Der Vertrag wurde zwar schon 2012 unterzeichnet, doch erst im Juli vor einem Jahr starteten die ersten Baggerarbeiten im Fluss. Ende 2019 kam das Geld nun auf das Konto der Bereitstellungsverbands. „Gut angelegt mit einem Minimum an Strafzinsen“, wie Reincke sagt.

Grenzwert liegt bei 0,5 Gramm Salz pro Liter

Schon seit einigen Jahren unterhält der Verband ein Netz von Messstationen, um den Salzgehalt und seine möglichen Veränderungen dokumentieren zu können. Dabei gilt ein Wert von 0,5 Gramm pro Liter als Grenzwert, um im Sommer die Obstpflanzen bewässern zu können, ohne sie zu schädigen. Ein Gramm pro Liter ist der Grenzwert für die Beregnung bei Frost, um die Blüten dann mit einem Eispanzer zu schützen. Mit zu hohem Salzgehalt friert das Wasser aber nicht mehr richtig. „Das ist wie beim Streuen mit Salz auf glatten Straßen“, sagt Reincke.

18 Frostnächte hat Obstbauer Kai Kruse beispielsweise in diesem Jahr registriert – auch weil heute die Apfelblüte wegen des Klimawandels zwei Wochen früher beginne, die Frostgefahr aber bleibe. In seinem Bereich werden die kritischen Salzwerte schon jetzt oft erreicht, wie die Messstellen zeigen. Im vergangenen Sommer aber wurden die Grenzwerte auch schon an der Schwinge-Mündung gemessen, also in der Nähe von Stade.

Speicherbecken in Kehdingen werden zu 100 Prozent finanziert

Aktuell sieht die Regelung vor, dass die Speicherbecken nördlich von Stade in Kehdingen zu 100 Prozent finanziert werden, in der ersten Meile des Alten Landes südlich von Stade gibt es eine 25-Prozent-Beteiligung. Für den weiteren Bereich ist bisher keine Finanzierung solcher künstlichen Seen vorgesehen. Allerdings reicht das Mess-Netz bis zur Estemündung in Cranz, sollte sich der zu hohe Salzgehalt im Zuge der Vertiefung also noch weiter verschieben, würden auch diese Bereiche des Alten Landes mit in das Programm aufgenommen werden, sagt Reincke.

Viele Becken müssen mit Folie ausgelegt werden

Doch zunächst sammelt er die Erfahrungen im Norden des Kreises. Weil dort ein eher feiner Sand im Untergrund liegt, müssen die gut 4,5 Meter tiefen Becken mit Folie ausgelegt werden. Fast eine halbe Million Euro kostet dann ein so großes Projekt, das Obstbauer Kruse sich gebaut hat – das aber auch eines der größten sein wird.

In der Planung ist hier auch eine große schwimmende Insel, um mit den dort wachsenden Pflanzen das Wasser sauber und algenfrei halten zu können. Weiter südlich braucht man keine Folie, dort gibt es meist dichte Klei-Böden, die als Abdichtung reichen. Und dort könnte man daher dann zur natürlichen Reinigung auch Flachwasserzonen anlegen – fast so wie bei einem richtigen See. „Dann bekommen wir auch einen Mehrwert für die Natur“, sagt Wasserbauexperte Reincke.