Heimfeld. Die Gärtnergruppe der Paulus-Kirchengemeinde in Heimfeld baut nach den Regeln der Permakultur Gemüse neben der Kirche an.
Sich den Gegebenheiten anzupassen, heißt manchmal auch, Grundsätze flexibel zu interpretieren: Im Kirchgarten der Heimfelder Paulus-Kirche hat die Gärtnergruppe an einigen Stellen den Rasen aufgestochen und die Soden umgedreht. Dabei widerspricht Umgraben der reinen Lehre der minimalintensiven und nachhaltigen „Permakultur“ – und das ist die, der die Gärtner eigentlich folgen wollen. Nach dem Lehrbuch sollte das Gras eigentlich nur ein wenig aufgekratzt werden, damit das, was man dort pflanzen will, anwachsen kann. Allein: Der Kirchhofboden hat es in sich – und das nicht im positiven Sinn. Gleich unter der Sode wird er steinig. Also wurden die Soden umgedreht und noch einmal mit Grasmulch bedeckt, damit sie den Pflanzen, die hier wachsen sollen, überhaupt etwas zu bieten haben.
Gemeinsam wird das Ergebnis der Arbeit begutachtet
Eine Woche später steht die Gruppe vor den Beeten und betrachtet sie selbstkritisch: „Vielleicht hätten wir sie nicht so rechteckig machen sollen“, merkt Martin an, das sieht hier neben der Kirche etwas seltsam aus.“ „Vor allem, weil wir die Beete auch noch in einer Reihe nebeneinander angelegt haben“, ergänzt Sabine. Ernst ist der Ton aber nicht. Alle lachen über den Friedhofs-Eindruck der Mulchbeete. Denn darum geht es eigentlich: Gemeinsam Freude zu haben.
Alle sind froh, dass es wieder losgeht
In Corona-Zeiten ist das natürlich so eine Sache mit der gemeinsamen Freude. Die ist eigentlich nur auf Abstand zu haben. Bei der gemeinsamen Besprechung tragen die gut 20 Teilnehmer Mundschutz, später arbeiten sie höchstens zu zweit zusammen und auch das mit der gebührenden Durchschnittsdistanz. Nur die, die als Familien oder Paare gekommen sind, arbeiten enger zusammen. Erst seit wenigen Wochen wagt es die Kirche, die Gruppe wieder zusammenzuholen. Alle sind froh, jetzt endlich loslegen zu können.
Eigentlich sollte gleich nach dem Frost gepflanzt werden
Geplant war einmal, gleich nach dem letzten Frost mit dem Projekt zu beginnen. Doch einer der heißesten Kandidaten für das Wort des Jahres 2020 ist „eigentlich“. Eigentlich sollte es im März losgehen, aber dann kamen die Kontakteinschränkungen. Mehr, als eine Vorbesprechung mit den Projektleiterinnen Lea Koch und Almut Siewers war da noch nicht geschehen. Aber alle, die davon gehört hatten, waren von dem Projekt begeistert: Rund um die Kirche soll Essbares wachsen – hier Zucchini, dort andere Kürbisse, hier Tomaten, da Knollen. Gepflanzt und geerntet werden die Gemüse nach Saison und Standort.
Hilfe durch Dünger oder jäten ist verpönt
Verpönt ist es in der Permakulturphilosophie, zuviel nachzuhelfen, etwa durch Dünger, Umgraben oder „Unkraut“-Jäten. Für jede Pflanze soll der optimale Standort gefunden werden. Etwas Experimentieren gehört dazu. Einer der Kürbisse ist über die Woche eingegangen. Zuviel Sonne? Zuviel Wind? Zuviel Schatten? Die Gärtner diskutieren und lernen dabei von einander und von der Natur. Am Ende erinnert sich Noé, dass der Setzling bereits einen Knick hatte. Das wird es gewesen sein, denn die beiden Kürbispflanzen direkt daneben gedeihen prächtig.
Weil man nicht bereits im März direkt in den Garten säen konnte, hat Almut zu Hause ein paar Pflanzen vor-gezogen und jetzt mitgebracht. Auch das entspricht nicht der reinen Lehre der Permakultur, aber das oberste Gebot ist es nun mal, sich den Gegebenheiten anzupassen. Und die sind, was die Zeiten und den Boden angeht, nun mal besonders.
Paulus-Pastorin Anne Arnholz hatte die Idee
Die Idee zu dem Projekt hatte Paulus-Pastorin Anne Arnholz. Sie hatte im Radio von Permakultur gehört und sich mit wachsender Begeisterung in das Thema eingelesen. „Als ich dann bei einem Gespräch am Gartenzaun mit Jörg Isenbeck, dem Schulleiter des benachbarten Friedrich-Ebert-Gymnasiums, zufällig mitbekam, dass auch er Permakulturfan ist, begannen wir, dies als gemeinsames Projekt von Schule und Gemeinde für den ganzen Stadtteil zu planen“, sagt sie. „Wenig später lernte ich dann Lea Koch von der Arbeitsstelle Globales Lernen des Kirchenkreises kennen, die eine Gemeinde für ein Permakulturprojekt suchte. So fügte sich plötzlich alles!“
Und wo so viel Fügung im Spiel ist, muss man die reine Lehre auch mal der Fügung anpassen können: In die vorige Woche gemulchten Soden arbeiten die Kirchengärtner jetzt Mutterboden aus der Tüte ein. Damit wird der Natürlichkeit des Untergrundes ein wenig auf die Sprünge geholfen. Andere Gärtnerinnen und Gärtner suchen bereits andere Plätze für die vorgezogenen Pflanzen. An einigen Stellen ist der Boden besser und man kann tatsächlich nach Lehrbuch mitten in die vorhandene Vegetation hineingärtnern. Eine weitere Zucchini findet so ihren Platz.
Einmal pro Woche trifft sich die Gärtner-Gruppe
Einmal pro Woche gärtnern die Paulus-Permakulturisten. Alle 14 Tage ist es der Donnerstag, in den Wochen dazwischen der Freitag. „So kommen wir den unterschiedlichen Zeitbedürfnissen entgegen“, sagt Anne Arnholz, und außerdem fügt es sich gerade so, dass sich die Leute ziemlich genau auf diese beiden Tage verteilen und wir keine Häufung an einem Termin haben. Das wäre ja schwierig, wegen des Abstands.“ Ob zum Erntedankfest schon Gemüse aus dem eigenen Projekt vor dem Altar liegt? Bei so viel Fügung wäre es wohl angemessen.